Es gibt bereits tausende von Investmentfonds, zunehmend mehr ETFs (Exchange Traded Fonds) und viele andere Produkte wie Zertifikate am Markt. Aber Regulierungs- und interne Anforderungen an neue Produkte nehmen zu und die Vermarktungskosten steigen an. Inzwischen können neue Fonds allein aufgrund von Restriktionen bei Depotbanken kaum noch gegründet werden, wenn nicht schon zu Beginn mindestens 10 Millionen Euro Anlagevolumen sicher sind. Und große Fondsanbieter erwarten oft ein Absatzpotential von mehreren hundert Millionen Euro, bevor sie ein OK für ein neues Produkt geben. Oft brauchen sie ein Jahr Vorlauf, um einen neuen Fonds zu starten. Es wird also immer schwieriger, echte Geldanlageinnovationen zu finden und erfolgreich an den Markt zu bringen. Anbei ein paar neue Innovationsbeispiele:
Neuproduktmoden
Früher wurden Anlegern neue Fonds angeboten, um bei Umschichtungen von alten zu neuen Produkten mit Ausgabeaufschlägen und Vertriebsprovisionen Geld zu verdienen (siehe auch „Wie kommt das Neue in die Fondswelt“). Mit MIFID II werden diese Kosten transparenter. Damit wird die Attraktivität neuer Produktangebote für Anbieter zurückgehen.
Allerdings gibt es immer noch Neuproduktmoden. Vor der letzten großen Finanzkrise wurden extrem viele Zertifikate erfunden, die für die Anbieter wohl oft ziemlich profitabel waren. Aktuell stehen neue ETFs im Vordergrund. Nachdem es für traditionelle Indizes genug und oft immer günstigere ETFs gibt, sind derzeit sogenannte Faktor– oder Smart-Beta ETFs populär. Anleger werden aber nach schlechten Rendite-Erfahrungen wie zum Beispiel mit dem vor Kurzem noch besonders hochgelobten Low-Volatility Faktor skeptischer.
Zeigen Robo-Advisors, dass weniger besser ist?
Brauchen Anleger nicht eher weniger als mehr Produkte? Easyfolio und die meisten anderen Robo-Advisor genannten neuen Onlineportfolioanbieter bieten oft nur sehr wenige und sehr einfache Produkte an. Diese sind meistens nicht neu, sondern altbekannte mischfondsähnliche Portfolios auf Basis etablierter ETFs mit mehr oder weniger hohen Anteilen von Anleihen.
Robo-Advisors bringen also kaum Geldanlageinnovationen. Sie unterscheiden sich meistens kaum durch ihre Produktangebote. Sie versuchen daher, sich durch besonders gute Nutzungsfreundlichkeit oder besonders niedrige Kosten von Wettbewerbern zu differenzieren.
Eine besonders gute Nutzungsfreundlichkeit steht aber in einem gewissen Widerspruch zu hoher Transparenz. Wenn man Anlegern volle Transparenz bieten möchte, sollte man alle Anlageregeln offen legen. Das bedeutet aber viel Inhalt bzw. Text. Wer schon einmal eine Indexbeschreibung gelesen kann, kann das gut nachvollziehen. Alle nur denkbaren Fälle müssen vorab detailliert geregelt werden. Und an Transparenz mangelt es meines Erachtens auch bei dem einen oder anderen Anbieter einfacher Produkte. Zum Beispiel können Anleger selten nachvollziehen, warum sie in welche Risikoklasse eingeordnet werden und warum ihnen bestimmte (oft hohe) Anteile von – angeblich risikolosen – Anleihen ins Depot gebucht werden.
Suche nach dem „most-passive“ Multi-Asset Portfolio
Ich habe meine Firma Diversifikator gegründet, weil ich mit Geldanlageangeboten traditioneller Anbieter nicht zufrieden war und nicht, um einen weiteren Robo-Advisor zu gründen. Anfangs sollte das Produktangebot aber wie bei Robo-Advisors zwar auf nur wenige Produkte beschränkt aber nicht nur online angeboten werden.
Ich bin selbst überrascht, dass Diversifikator inzwischen sehr viele Portfolios im Angebot hat, obwohl jedes einzelne ziemlich einfach ausgestaltet ist. Ich bin vor allem erstaunt, weil weiterhin gilt, dass neben von (potentiellen) Kunden initiierten Portfolios nur solche Portfolios angeboten werden, die es bisher nirgendwo anders gibt.
Zunächst wollte ich für meine eigene private Geldanlage nur ein Produkt haben, das möglichst diversifiziert, günstig und liquide ist. Dazu bietet sich ein Portfolio aus ETFs an. Das Portfolio sollte möglichst passiv sein, da das Handelskosten niedrig hält und ich kein guter Prognostiker bin und auch niemanden kenne, bei dem ich wirklich gute Finanzprognosen kaufen kann. Und gute Prognosen sind die Basis für aktive Portfolios.
Daher bot es sich für mich an, ein Portfolio aus ETFs zu konstruieren, welches sich an der aggregierten Kapitalanlage aller Anleger weltweit („Weltmarktportfolio“) orientiert. Das gab es bis zur Gründung von Diversifikator nicht.
Zwar bin ich kein Anhänger von kapitalgewichteten Indizes, aber sie sind neben gleichgewichteten Indizes der natürliche Startpunkt für eine Allokation. Bei Multi-Asset Portfolios scheitert die Gleichgewichtung aber an der schwierigen Bestimmung der Anzahl bzw. der Abgrenzung von Anlageklassen (siehe z.B. Söhnholz/Burkert: Naive strategische Asset Allocation in Absolut Report 4/2008).
Verlustorientierte Risikoanpassung mir „Cash“ statt Anleihen
Das Weltmarktportfolio (WMP) kann in Kombination mit sicheren Anlagen auf jede Risikotoleranz angepasst werden. Da ich Anleihen in Zeiten von allseits erwarteten Zinssteigerungen und Kreditausfallrisiken nicht als sichere Anlagen ansehe, habe ich „Cash“ als sichere Anlage gewählt. Das bedeutet aber auch, dass der Bedarf für zusätzliche Produkte geringer wird. Denn anstatt je eines „Mischfonds“ pro Risikoklasse reicht ein einziges Portfolio, das – je nach Risikotoleranz des Anlegers – mit mehr oder weniger „Cash“ kombiniert wird.
Anders als üblich wird die Risikotoleranz von Anlegern dabei nicht auf Basis von Schwankungen/Volatilität bestimmt, sondern auf Basis von Verlusttoleranz. Dazu wird auf Vergangenheitserfahrungen Bezug genommen, die auch die Finanzkrise 2008 umfassen.
Mehrere Ableitungen des Weltmarktportfolios (WMP)
Das erste WMP (Basis) hat aber den Nachteil, dass relativ viele ETFs benötigt werden, um eine sehr breit diversifizierte Anlage umzusetzen. Um die Implementierungskosten für Anleger gering zu halten bzw. auch Anlegern mit relativ geringen Test- bzw. Mindestanlagesummen eine Investmentmöglichkeit zu bieten, wurde zeitnah ein WMP S entwickelt, wobei S für Small steht. Diese Portfolio kommt aufgrund einiger Vereinfachungen (siehe „Diversifikator Asset Allokation und ETF Selektion“) mit nur noch 7 statt 18 ETFs aus.
Da ich schon relativ lange ein Anhänger von verantwortungsvollen Geldanlagen bin (siehe z.B. Söhnholz: Einsatz von ESG Faktormodellen zur Verbesserung von Aktienportfolios, in Absolut Report Nr. 6/2014), wurde zeitgleich auch ein ESG ETF-Portfolio (ESG steht für Environment, Social, Governance) nach der Logik der Weltmarktallokation aufgelegt. Auch dieses Portfolio war lange das Einzige seiner Art. Gleiches gilt für das Islamic ETF Portfolio, welches neben ESG-Kriterien zusätzlich Banken aus dem Portfolio ausschliesst.
Die ersten fünf innovativen Portfolios waren entstanden. Aufgrund von Diskussionen mit potentiellen Anlegern und Vertriebs- bzw. Beratungspartnern folgten weitere Ableitungen des WMP: Ein WMP ohne Anleihen (WMP S ex Bonds), ein nur aus dem „Alternativen Teil“ des WMP bestehenden diversifiziertes „Alternatives ETF“ Portfolio, ein WMP aus besonders gut gerateten ETFs (WMP Stars), ein auf Ausschüttungen ausgerichtetes WMP (WMP Basis Income) und zwei mit Trendfolge gesteuerte WMPs (ESG ETF-Portfolio Trend und WMP Basis Trend).
Dadurch, dass diese als Musterportfolios aufgesetzt wurden, waren sie schnell und kostengünstig implementiert und können von Anlegern bei jeder Depotbank und damit auch in Bestandsdepots implementiert werden.
Zahlreiche ESG-Portfolios, die es bisher noch nicht gab
Diversifikator war von Anfang an und damit wohl der erste deutsche „Robo-Advisor“, der auf das Business-to-Business Geschäft ausgerichtet war. Während die Weltmarktportfolios aufgrund ihrer konsequenten „most passive“ Ausrichtung zwar auf Interesse bei potentiellen Geschäftspartnern von Diversifikator stiessen, wurde über das ESG ETF Portfolio am meisten diskutiert. Dabei stand lange die Frage im Vordergrund, ob ESG Investments ordentlich performen können, was inzwischen ziemlich klar zu sein scheint (siehe z.B. „Sehr gute pure ESG Performance„), und ob es genug potentielle Nachfrage für solche ESG Produkte gibt. Während institutionelle Anleger bereits Wert auf ESG-Aspekte legen, ist das bei Privatanlegern bisher noch kaum der Fall.
Deshalb habe ich mich zunächst mit Portfolios für (semi-)institutionelle Anleger wie kleine Stiftungen beschäftigt. Dabei ging es nicht in erster Linie darum, die 0,3 bis 0,5% p.a. Kosten für die ETF Nutzung zu sparen, sondern um das Schliessen von Produktangebotslücken. So spielen Infrastruktur– und Immobilienaktien seit Jahren eine wichtige Rolle in meinen privaten Portfolioallokationen. Bis zum Produktstart der entsprechenden ESG Aktienportfolios von Diversifikator zu Ende 2016 gab es aber meines Wissens keine ESG Produkte mit diesem Fokus. Im Zuge der Recherchen stellte sich dann für mich überraschend auch heraus, dass ich auch kein konsequent regelbasiert und damit transparent nach ESG Kriterien gebildetes Portfolio deutscher Aktien finden konnte. Daher habe ich das Deutsche Aktien ESG-Portfolio entwickelt.
Diese drei Portfolios werden nach den gleichen Regeln gebildet, bei denen bis auf technische Kriterien (Liquidität etc.) und „Maximalverlust“ nur ESG Kriterien zur Portfoliobildung genutzt werden („Pure ESG“ Ansatz, zu allen Regeln siehe „Das Diversifikator Buch„).
Die Diskussion dieser Portfolios mit potentiellen Interessenten führte dazu, dass Ende 2017 zahlreiche weitere ESG Portfolios nach vergleichbaren Regeln gebildet wurden. Damit hat Diversifikator wohl die breiteste Palette an ESG-Portfolios weltweit und viele der neuen Portfolios sind zudem weltweit einzigartig.
Schwierige Vermarktung trotz großer Potentiale für traditionelle Anbieter
Ob sich das Angebot von Diversifikator bewährt, wird sich noch zeigen. Die Performances der Portfolios von Diversifikator sind jedenfalls bisher sehr vielversprechend.
Kooperationspartner zu finden ist jedoch – selbst für maßgeschneiderte bzw. White Label Angebote – , nicht so einfach. Banken, Vermögensverwalter, Versicherungen und andere potentielle Kooperationspartner scheinen sich in 2017 vor allem mit sich selbst und neuen Regulierungen wie Solvency II, PSD2 und MIFID II beschäftigt zu haben und 2018 stand bisher die DSGVO ganz oben auf der Agenda.
Wenn man einschlägige Publikationen verfolgt, scheinen inzwischen aber auch Privatkunden zunehmend an ESG Angeboten interessiert zu sein. Wenn aber traditionelle Banken und Vermögensverwalter genauso lange für die aktive Vermarktung brauchen wie für aktive ETF-Angebote, kann es noch einige Jahre dauern, bis Privatkunden aktiv ESG Portfolio angeboten werden.
Anderseits sind die Portfolios von Diversifikator eine sehr gute Möglichkeit für Kooperationspartner, Innovationen anzubieten. Mit diesen Portfolios können viele Aspekte umgesetzt werden: Günstige und transparente online- und ESG-Angebote, die mit grundsätzlich jeder Depotbank unter dem eigenen „Label“ des Kooperationspartners umgesetzt werden können.