Ein „Robo Advisor“ mit ESG-Fokus und ohne (US) Vorbild

Wie sehr viele andere Finanzinnovationen kommt der erste Robo Advisor aus den USA: MyCFO wurde 1999 gegründet und hatte bis 2002 Geldanlagen im Wert von 90 Millionen US Dollar akquiriert bevor es an eine Bank verkauft wurde (siehe Quelle).

Nach der Finanzkrise von 2008 wurden zahlreiche weitere Robo Advisors gegründet. Betterment (gegründet 2008) ist der heute größte unabhängige Robo Advisor weltweit. Nummer zwei ist Wealthfront (gegründet 2008) und Nummer drei ist wohl Personal Capital (gegründet 2009).

Kopieren deutsche Robo Advisors solche Firmen nur oder haben sie USPs (Unique selling propositions)? Ein „USP“-Beispiel mit grundsätzlich hohem Marktpotential: 

Wichtigste Vorbilder für deutsche Robos: Betterment und Wealthfront

Betterment und Wealthfront scheinen die vorherrschenden Vorbilder für deutsche Robo Advisors zu sein (s.a. Deutsche Robo Advisors). Manchmal werde ich gefragt, ob meine Firma Diversifikator ein Vorbild hat bzw. ob Personal Capital oder „Motif“ Vorbilder für Diversifikator sind. Die Antwort ist „Nein“. Hier ist die Begründung:

Weder Anlageberater noch Investmentmanager und auch kein Vermittler

Erstens ist Diversifikator kein Robo Advisor im eigentlichen Sinn. „Robo-advisors or Robo-advisers are a class of financial adviser that provide financial advice or Investment management online with moderate to minimal human intervention. They provide digital financial advice based on mathematical rules or algorithms.“ (Wikipedia (US), Stand 6.3.2018).

Diversifikator bietet weder Anlageberatung noch Investmentmanagement und auch keine Finanzanlagevermittlung an, sondern Muster- oder Modellportfolios bzw. Indizes. Diese sind zwar alle voll regelbasiert („most passive“), es werden jedoch keine komplexen mathematischen Algorithmen genutzt (Diversifikator ist „optimierungsfrei“ und „prognosefrei“). Diversifikator verwendet nur sehr einfache und transparente Regeln für die Bestimmung der Verlusttragfähigkeit von Anlegern, Portfoliobildungen bzw. Portfolioselektionen.

Keine komplexen Algorithmen und kein traditionelles Vorbild

Die „pseudo-optimierten“ (siehe hier und „Pseudo-Optimierer“ auf www.diversifikator.com) Portfolios von US Robo Advisors waren kein Vorbild für die Portfolios von Diversifikator. Daher ist auch Personal Capital kein Vorbild. Personal Capital ist zudem auf Software und Daten fokussiert, Diversifikator dagegen ist auf Modellportfolios ausgerichtet.

Es gibt auch kein „Offline“ Vorbild, also z.B. Investmentfonds, für die Anlageportfolios von Diversifikator.

Bessere Lösungen bzw. Portfolios als Ziel, nicht Automatisierung

Vor allem aber unterscheidet sich die Motivation zur Gründung von Robo Advisors. Ich habe Diversifikator gegründet weil ich der Ansicht war und weiterhin bin, dass dem Markt bestimmte Anlageprodukte fehlen und nicht, um den Zugang zu bestehenden Investments zu verbessern. Ausserdem wollte ich die Transparenz der Kapitalanlage erhöhen. Algobasierte Robo Advisors sind aber nicht sehr transparent, weil die Restriktionen und Daten/Prognosen, die sie für ihre Algorithmen nutzen, nicht komplett transparent gemacht werden.

Bei den fehlenden Angeboten handelt es sich einerseits um kostengünstige passive Multi-Asset Portfolios und andererseits um passive verantwortungsvolle Portfolios (ESG: Environment, Social, Governance). Die Portfolios sollen für Anleger und Berater komplett transparent sein. Daher sollen alle Informationen online für alle Interessenten verfügbar ein.

Es war von Anfang an klar, dass es mehrere Portfolios für unterschiedliche Anlegerbedürfnisse geben soll und nicht das „einzig richtige“ bzw. „optimale“. Mehrere Investmentfonds aufzusetzen hätte sehr viel Startkapital erfordert, daher wurde mit Online-Muster- bzw. Modellportfolios gestartet. Hinzu kommen einfache und sehr transparente „Tools“ zur „Selbstqualifikation“ von Anlegern und zur Portfolioselektion (s. Gründung), die es bisher in dieser Form auch noch nicht gab.

Dabei werden Renditeportfolios mit Cashbeimischungen im Risiko reduziert, weil Anleihen nicht als risikofrei eingeschätzt werden. Auf den Cashanteil werden keine Gebühren erhoben. Auch das unterscheidet Diversifikator von anderen Robo-Advisors.

Keine automatische Umsetzung

Zum Robo Advisor fehlt technisch nur die automatische Implementierung der Portfolios inklusive dem Rebalancing. Die Musterportfolios sind alle „most passive“ und werden nur ein Mal pro Jahr rebalanziert. Unsere Analysen zeigen, dass – zumindest für die Multi-ETF Portfolios – auf das Rebalancing ohne große Nachteile sogar komplett verzichtet werden kann. Eine automatische Implementierung ist für Diversifikator also nicht so wichtig wie für typische Robo Advisors.

Der wichtigste Grund, keinen voll automatischen Robo Advisor anzubieten, ist  der „No Data“ Ansatz von Diversifikator. Ich halte Datenschutz für extrem wichtig und der beste Datenschutz ist es, keine Daten von Interessenten bzw. Anlegern zu erheben. Ohne die Erhebung von Daten vom Anleger kann jedoch keine automatische Implementierung der Portfolios angeboten werden.

Die ideale Geldanlage muss auf die individuellen Bedürfnisse der Anleger ausgerichtet sein. Unterschiedliche Einkommen, Vermögen, Verpflichtungen, Ziele, Steuersituationen, Arbeits- und Gesundheitsrisiken, Erbschaftspläne etc. machen eine gute Automatisierung aber sehr schwierig.

Hybrides bzw. B2B Konzept

Der Nachteil fehlender Automatisierung wird durch das B2B (Business to Business) Konzept, also die explizit gesuchte Zusammenarbeit mit Beratern bzw. Vermögensverwaltern, jedoch gemildert, denn diese können Anleger bei der Finanzplanung und Umsetzung der Portfolios unterstützen bzw. übernehmen die Umsetzung komplett.

Auch für das Hybrid-Konzept (im engeren Sinn eine Kombination on Online-Services mit persönlicher Beratung aus einer Hand, s.a. Hybridmodelle und Kooperationen) gab es bei der Vorbereitung des Starts von Diversifikator noch kein erfolgreiches US Vorbild. Inzwischen zeigt sich, dass die erfolgreichsten US Robos, nämlich die von Vanguard und Schwab aber seit einiger Zeit auch Betterment, einen Hybrid- bzw. B2B-Ansatz verfolgen (Charles Schwab startete die Intelligent Portfolios im März 2015 und der Vanguard Personal Advisor Service wurde im Mai 2015 für Anleger geöffnet).

Am ehesten Ähnlichkeit mit Motif Investing

Das 2010 gegründete Motif Investing (www.motifinvesting.com) ist Diversifikator inhaltlich inzwischen relativ ähnlich. So spielen bei Motif seit Kurzem ESG Aspekte eine große Rolle und es werden auch einzelne Aktien genutzt. Der Anleger hat eine Auswahl aus verschiedenen Themen und kann auch eigene Portfolios bilden.

Während bei Motif aber vorselektierte (Mode-)Themen die größte Rolle spielt, liegt bei Diversifikator der Fokus auf optimierungsfreien Portfolios und ESG Aspekten. Die Standardportfolios von Motif werden auf Basis von Prognosen und Optimierungen gebildet und als besonders chancenreich angepriesen. Anleger wollen mit diesen Portfolios in erster Linie besonders attraktive Renditen generieren. Das ist jedoch schwierig, wie die Renditen von früheren Modeinvestments wie BRIC (Brasilien, Indien, China, Russland) etc. zeigen.

Kein Outperformanceziel

Die Portfolios von Diversifikator sind jedoch nicht entwickelt worden, um besonders hohe Renditen zu generieren, sondern sie sollen bestimmte Risiken vermeiden. So werden Anlegern bei Einzelaktienportfolios nur solche Portfolios angeboten, die Aktien ohne ESG Ratings und die mit den schlechtesten Ratings grundsätzlich ausschliessen, unabhängig davon, ob sie aus „Themensicht“ attraktiv sein könnten. Ziel ist es, mit verantwortungsvollen Geldanlagen eine ähnliche Performance zu erreichen wie mit traditionellen Geldanlagen.

Dazu wird aktuell ein breites Angebot weiterer verantwortungsvoller Geldanlagen vorbereitet. Künftig können zahlreiche ESG Branchen- und Länderportfolios von Anlegern genutzt werden, um traditionelle („nicht ESG“) Anlagen zu ersetzen. Daher werden auch grundsätzlich alle Länder und Branchen als Portfolios angeboten und nicht nur angeblich besonders interessante „Investmentmotive“. Zusätzlich können individuelle Ausschlüsse vom Anleger vorgenommen werden.

Etliche wirklich neue Portfolios

Insgesamt ist Diversifikator daher eher Innovator als Imitator. Meines Wissen sind z.B. die folgenden Portfolios weltweit die ersten ihrer Art:

Alle Weltmarktportfolios („most passive“ Asset Allokation) aber auch die folgenden

  • ETF ESG-Portfolio
  • Islamic ETF-Portfolio
  • Alternatives ETF-Portfolio
  • Equity Income (DW) ETF-Portfolio (aus nicht kapitalgewichteten ETFs)
  • Infrastructure ESG Portfolio („Pure ESG“ Ansatz)
  • Real Estate ESG Portfolio („Pure ESG“ Ansatz)
  • Einige der neuen Länder und Branchen ESG-Portfolios (noch nicht für Privatanleger verfügbar)

Laut aktuellem Morningstar Research gibt es sehr viel Marktpotential für passive ESG Portfolios.