Neues passives Deutsche Aktien ESG Portfolio: Fokus auf gute Unternehmensführung

„Verantwortliche (ESG)-Portfolios brauchen keine Outperformance“ hieß mein letzter Beitrag. Denn wenn man mit ESG-Anlagen[1] eine vergleichbare Performance wie mit traditionellen Investments erreichen kann, sollte man konsequent nach ESG Kriterien anlegen. Von einigen Marktteilnehmern wird aber bezweifelt, dass vergleichbare Anlageergebnisse möglich sind.

Zu wenig Auswahl als Hauptkritik

Hauptargument der Kritiker ist ein angeblich zu kleines Universum von Anlagen mit guten ESG-Bewertungen. Auf anderslautende Researchergebnisse hatte ich schon hingewiesen (siehe Friede, Gunnar; Busch, Timo; Bassen, Alexander (2016): Auswirkungen von ESG-Faktoren auf die Performance von Finanzanlagen, Absolut impact Nr. 1, S. 26-31). Besonders interessant ist, dass alleine schon das Vorhandensein von ESG-Beurteilungen vorteilhaft zu sein scheint (siehe Auer, Benjamin: „Do socially responsible investment policies add or destroy European stock portfolio value?“, Journal of Business Ethics, 135 (2), 2016, 381-397).

Erstes konsequentes deutsche Aktien ESG-Portfolio

Trotzdem gibt es meines Wissens bisher kein konsequent nach E, S und G Kriterien selektiertes und öffentlich angebotenes Portfolio aus deutschen Aktien. Es gibt nur einige Publikumsfonds, die überwiegend ökologische Kriterien nutzen und teilweise auch soziale. Meines Erachtens ist jedoch eine gute Unternehmensführungs- bzw. „Governance“ besonders wichtig, um eine gute Performance zu erreichen (siehe Söhnholz, Dirk (2014): Einsatz von ESG Faktormodellen zur Verbesserung von Aktienportfolios, in Absolut Report Nr. 6, 58-63).

„Most passive“ Ansatz

Wir haben daher zunächst klare Regeln für die Selektion deutscher Aktien nach ESG-Kriterien aufgestellt. Erst danach wurde analysiert, wie ein solches passives Portfolio in der Vergangenheit performt hätte.

Die Aktien wurden konsequent nach ESG-Kriterien selektiert. Gutes Abschneiden bei ESG-Kriterien ist daher nicht nur ein Zusatzkriterium, wie bei anderen Portfolios. In solchen Portfolios können Wertpapiere enthalten sein, die nach ESG-Kriterien nicht besonders gut sind, weil diese durch gute „nicht-ESG“-Kriterien überkompensiert werden.

Wir halten Portfolios mit 15 Aktien als grundsätzlich ausreichend für eine Diversifikation. Daher haben wir die Bandbreite für ein Zielportfolio auf mindestens 15 und maximal 30 Wertpapiere festgelegt.

Als  deutsche Aktien definieren wir alle Stammaktien mit Haupt-Börsennotiz (Primary Listing) in Deutschland von Unternehmen mit Hauptsitz in Deutschland. ESG ist in Deutschland bisher vor allem für institutionelle Anleger ein Thema. Für solche meist größeren Anleger ist eine gewisse Mindestliquidität von Aktien wichtig, damit die Aktien bei Bedarf schnell wieder verkauft werden können. Wir berücksichtigen daher nur Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung über 20 Millionen Euro mit über 10 Millionen Euro Free Float, d.h. frei gehandelten Aktien, und einem Handelsumfang von mindestens 2000 Stück in jeweils zwei Tagen. Das waren in den letzten Jahren ungefähr 150 bis 200 deutsche Aktien.

Außerdem muss je ein E, S und G Rating für die jeweilige Aktie vorliegen. Das trifft in den letzten Jahren auf mehr als 70 Unternehmen aus dieser Liste zu[2].

Umfassende Ausschlußkriterien

Unsere zweite Selektionsstufe ist die Nutzung anerkannter Ausschlußkriterien.  Anerkannte Ausschlüsse umfassen Unternehmen mit Aktivitäten in Zusammenhang mit Alkohol, Tabak und anderen Drogen, Glücksspiel, Erwachsenenunterhaltung, Kriegswaffen und Militärzulieferung, Atomenergie, genetisch veränderten Organismen und Tierversuchen. Aus Klimaschutzgründen werden auch Unternehmen mit Haupttätigkeit im Öl-, Gas- oder Kohle-Geschäft ausgeschlossen. Damit bleiben ungefähr 50 der 70 deutschen Unternehmen übrig.

Best in Class mit Governance Fokus

Dritte Stufe ist ein „Best-in-Class“ Ansatz: Dabei werden nur Wertpapiere berücksichtigt, die in Bezug auf Governance (G) zur besseren Hälfte der deutschen Aktien mit ESG-Rating gehören. Zusätzlich werden Wertpapiere mit den niedrigsten 10% der „E“ und der „S“ Rankings ausgeschlossen. Höhere Anforderungen würden zu einer zu starken Reduktion des Anlageuniversums führen.

Als einziges traditionelles Selektionskriterium für Wertpapiere haben wir uns für den Ausschluß von besonders riskanten Aktien entschieden.  Daher werden nur Titel selektiert, die nicht zu den 25% mit den höchsten Verlusten in den letzten 12 Monaten gehört haben. Grund: Hohe Verluste gelten als Indikator für mögliche Probleme des Unternehmens. Außerdem kann man generell feststellen, dass Aktien mit geringen Risiken nicht unbedingt weniger Rendite bringen müssen als Aktien mit hohen Risiken (siehe Diskussion zu sogenannter „Low-Vola“ bzw. „Low Beta“ Anomalie).

Risikobegrenzung als weiteres Kriterium

Meistens wird das Aktienrisiko als Volatilität gemessen. Davon halten wir konzeptionell wenig. Hohe Verluste schmerzen Anleger meist mehr als hohe Volatilitäten, die auch bei steigenden Kursen auftreten können. Außerdem unterscheiden sich Wertpapierrangordnungen nach maximalen Verlusten oft kaum von volatilitätsabhängigen Rangordnungen, zumindest in Bezug auf die besten bzw. schlechtesten Werte[3]. Die Anwendung unsers Verlustkriteriums führt zum Beispiel dazu, dass 2017 einige Unternehmen aus dem 2016er Portfolio herausgefallen sind, so dass zu Ende 2016 nur noch 15 Aktien unsere Anforderungen erfüllen.

Die Aktien werden jeweils zu Jahresanfang gleich gewichtet um zu verhindern, dass einzelne Aktien im Laufe der Zeit ein zu hohes Gewicht am Portfolio erhalten. Außerdem haben sich Gleichgewichtungen in der Vergangenheit oft als attraktiv erwiesen.

Gute Performance und Diversifikation

Das so gebildete  passive und prognose- bzw. sogar optimierungsfreie Portfolio ergibt in der analysierten Periode (2008-2016) eine bessere Performance als der DAX bei relativ geringer Abhängigkeit von den wichtigsten getesteten Faktoren.

Das 2017er Portfolio ist branchenmäßig gut diversifiziert. Es besteht aus zwei Grundstoffunternehmen, zwei klassischen Industrieunternehmen, zwei Konsumgüterproduzenten, zwei IT- bzw Telekommunikationsunternehmen, zwei Logistikunternehmen, drei Versicherungen, einer Bank und der Deutschen Börse:

  • Aareal Bank AG, Bank
  • Allianz SE, Versicherung
  • Beiersdorf AG, Basiskonsumgüter
  • Brenntag AG, Industrie
  • Continental AG, Nicht-Basis-Konsumgüter
  • Deutsche Boerse AG, Finanzdienstleistung
  • Deutsche Post AG, Logistik
  • Deutsche Telekom AG, Telekommunikation
  • Fraport AG Frankfurt Airport Services, Logistik
  • Hannover Rueck SE, Versicherung
  • Heidelbergcement AG, Grundstoffe
  • Infineon Technologies AG, Technologie
  • Linde AG, Grundstoffe
  • Münchener Rückversicherungsgesellschaft AG, Versicherung
  • Osram Licht AG, Industrie

Sehr hohe Transparenz

Das Portfolio kann auf www.diversifikator.com verfolgt werden. Es ist aktuell der höchsten SRRI-Risikoklasse 7 zuzuordnen. Durch die Beimischung mit „Cash“ oder Anleihen können niedrigere Risikoklassen erreichen. Selbst bei der vorgesehenen nur einmaligen Adjustierung pro Jahr sollten aufgrund von Tradingkosten bzw. teilweise hohen Einzelaktienwerten mindestens 60.000 Euro angelegt werden.

Die laufenden Kosten reichen von 0,25% pro Jahr für institutionelle Anleger bis zu 1% p.a. für Privatanleger plus Implementierungskosten. Es ist geplant, die Portfolios über Berater und Vermögensverwalter bzw. Banken anzubieten.  Institutionellen Anlegern wie zum Beispiel Stiftungen werden zudem Services wie zusätzliches Risikomanagement und Maßschneiderungsmöglichkeiten angeboten.

Die ersten „live“ Erfahrungen mit dem Portfolio sind sehr positiv.

Fazit: Es ist sehr wohl möglich, sehr attraktive ESG-Portfolios aus deutschen Aktien zu entwickeln.

[1] ESG steht für „Ecology, Social and Governance“ also ökologische, soziale und Unternehmensführungskriterien

[2] Wir nutzen Daten von Asset4/Thomson Reuters.  Wir nehmen an, dass andere ESG Datenanbieter auf ähnliche E, S und G Rankings/Scores kommen wie der von uns genutzte Datenanbieter.

[3] Siehe dazu aktuelles Research von Schuhmacher/Auer von der Universität Leipzig, z.B. Auer, B.: „Extreme value theory, asset ranking and threshold choice: A practical note on VaR estimation“, Journal of Risk, 18 (1), 2015, 27-44.