Der Untertitel des Blogs lautet „Fokus auf systematisch prognosefreies Portfoliomanagement“. Es gibt wenige Investmentprofis, die zugeben, dass sie nicht besonders gut im prognostizieren sind. Es gibt noch weniger, die versuchen, komplett auf Prognosen zu verzichten. Und es gibt fast keinen, der Prognosefreiheit als besonders positiv herausstellt. Prognosefrei heisst aber nicht annahmefrei. Investieren ohne Annahmen geht nicht (siehe auch Beitrag „Passives Management gibt es nicht“).
Aber was ist der Unterschied zwischen einer Prognose und einer Annahme? Am einfachsten kann ich das anhand von Beispielen erklären: Alle Veritas Fonds werden komplett systematisch und prognosefrei gemanagt. Dabei werden nur Vergangenheitsdaten (inklusive der aktuellsten) systematisch analysiert und für die Aktienfonds nur die Aktien mit den besten kombinierten Qualitäts-, Value-, extremeVaR und ESG- bzw. Governance-Scores werden ins Portfolio aufgenommen. Schätzungen für zukünftige Daten wie z.B. Analystenschätzungen werden nicht verwendet. Die wichtigste Annahme ist, dass Aktien, die nach dem o.g. kombinierten Score selektiert und kombiniert werden, in Zukunft ein gutes Portfolio ergeben.
Ähnlich ist es bei den vermögensverwaltenden Fonds der Veritas. Die Basisallokation der defensiven Fonds erfolgt mit dem Risk@Work Ansatz. Dieser basiert auf Millionen von Simulationen anhand von möglichst langen Zeitreihen von Vergangenheitsdaten. So können Portfolios gefunden werden, die mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit die gerade noch akzeptierten maximalen Verlustgrenzen einhalten. Um aus mehreren solcher Portfolios das „beste“ zu selektieren, können für die verwendeten Anlagen Renditeschätzungen verwendet werden. Diese können je nach Investor unterschiedlich sein. Veritas selbst nutzt dazu nur Vergangenheitswerte. Abhängig von der Länge der Periode, die für die Vergangenheit herangezogen wird, können sich diese Renditeschätzungen unterscheiden. Der Ansatz ist also annahmeabhängig. Allerdings werden zu keinem Zeitpunkt Prognosen im Sinne von Einzel- oder Range-Datenschätzungen für Zeiten bzw. Perioden in der Zukunft verwendet. Das gilt auch für die von Veritas verwendeten Trendfolgesysteme. Die Annahme dahinter ist zwar, dass bestimmte Trends weiter laufen oder abbrechen, abhängig von Entwicklungen aktueller Daten, aber Prognosen im hier verwendeten Sinn werden nicht benötigt.
Meines Erachtens kann man daher drei grundsätzlich sehr unterschiedliche Investmentphilosophien unterscheiden: Diskretionäre Ansätze einerseits, prognoseabhängige systematisch-quantitative Ansätze (s. z.B. Eduard Baitinger: Neue Ansätze für das quantitative Asset Management, 2014) andererseits und – drittens – die sehr seltenen systematisch-prognosefreien Ansätze. Wenn man professionelle Anleger fragt, ob sie jemanden kennen, der besonders gute Prognosen erstellt, erhält man oft eine negative Antwort. Und man braucht sehr viele Prognosen, um eine klassische Optimierung zu machen, speziell wenn man mehrperiodische Optimierungen über mehrere Anlagesegmente machen will.
Vielleicht dürfen Profis künftig doch zugeben, dass sie weder gut sind im prognostizieren noch jemanden kennen, bei dem sie gute Prognosen einkaufen können.