Verantwortungsvolle (ESG) Portfolios brauchen keine Outperformance

Es gibt nur wenige deutsche Portfoliomanager, die verantwortungsvolle Portfolios auf Basis von ESG Faktoren (Environment (E), Social (S) und Governance (G)) bzw. ESG-ETFs anbieten. Angeblich schränkt die Nutzung von ESG Kriterien das Anlageuniversum zu stark ein. Außerdem sei mit ESG Faktoren, anders als mit anderen „Faktoren“ wie „Low Volatility“, keine Outperformance zu generieren.  Und quantitativ orientierte Manager kritisieren, dass es keine guten ESG Zeitreihen für quantitative Analysen gäbe. Aber das ist überwiegend falsch.

Seit mehr als 15 Jahren gibt es gute ESG Daten. Es gibt ach einige ESG ETFs, aber noch kein ESG-ETF Portfolio. Aktuelles Research zeigt, dass ESG- bzw. SRI- Anlagen meist weder niedrigere Renditen noch höhere Risiken bringen als klassische Investments (siehe z.B. Friede, Gunnar; Busch, Timo; Bassen, Alexander (2016): Auswirkungen von ESG-Faktoren auf die Performance von Finanzanlagen, Absolut impact Nr. 1, S. 26-31). In einigen Fällen sind die Renditen von verantwortungsvollen Anlagen sogar höher bzw. die Risiken geringer als die von traditionellen Anlagen.

Warum sollte man traditionell anlegen, wenn man nach ESG Kriterien anlegen kann, ohne Rendite- oder Risikonachteile zu haben? Wahrscheinlich ist das noch nicht bekannt genug. Wenige ESG-Anbieter bedeutet ja auch wenig ESG-Werbung. Es ist daher nicht verwunderlich, dass deutsche Privatkunden bisher nur sehr selten aktiv nach verantwortungsvollen Anlagen fragen. Bei institutionellen Anlegern ist das schon anders. Nach strengen treuhänderischen Kriterien, die für zunehmend mehr institutionelle Anleger gelten, ist die Nutzung von ESG Kriterien sogar verpflichtend.

Es gibt aber auch durchaus nachvollziehbare Gründe, warum es noch nicht mehr ESG Portfolios in Deutschland gibt. So gibt es keinen Konsens darüber, welche ESG Methode genutzt werden sollte.

So kann man z.B. Wertpapiere ausschließen, die bestimmten Kriterien nicht genügen. Für fast alle Ausschlusskriterien kann man neben Befürwortern jedoch auch Gegner finden: Braucht man Atomenergie, weil sie klimafreundlich ist, oder schließt man sie aus? Sollen Waffenhersteller ausgeschlossen werden oder braucht man Waffen zur Verteidigung? Sind genetisch veränderte Organismen grundsätzlich schlecht oder können sie zum Beispiel dabei helfen, Hunger zu reduzieren?  Sollen Tierversuche verboten werden oder sind sie wichtig für den medizinischen Fortschritt? Sollen Lotterien und Glückspielanbieter legal sein, weil sie viele Steuereinnahmen bringen? Sollen Kirchen gegen Alkohol im Portfolio sein, obwohl ihnen Weingüter und Bierbrauereien gehören? Soll Tabakkonsum aus steuerlichen Gründen oder weil eine frühe Sterblichkeit die Gesundheitskosten senkt, zugelassen werden? Einige (andere) Drogen sind z.B. in den Niederlanden und neuerdings auch in den USA aus nachvollziehbaren Gründen legal. Sollen die ausgeschlossen werden? Und muss man fossile Energien ausschließen, weil sie dem Klima schaden? Andererseits werden sehr viele Unternehmen und Privatpersonen noch lange auf fossile Energien angewiesen sein.

Neben Ausschlüssen werden auch relative ESG-Einschätzungen miteinander verglichen, so dass z.B. nur die besten Wertpapiere nach einem ESG-Rating ins Portfolio kommen. ESG Datenanbieter erfassen teilweise weit über einhundert ESG-Kriterien pro Wertpapier. Da ist es kein Wunder, dass unterschiedliche Analysten bzw. Anbieter zu unterschiedlichen ESG-Ratings für dasselbe Wertpapier kommen. Außerdem kann man auch bei Wertpapieren mit relativ guten ESG-Ratings noch viele ESG-Unzulänglichkeiten finden, weil schlechte Einzelscores oft durch gute andere Scores kompensiert werden können.

Als weiteren Ansatz kann man daher den des Engagements wählen. Dabei wird versucht, aktiv auf Unternehmen einzuwirken, ihre ESG-Position zu verbessern. Das macht Sinn, weil man so aktiv zur ESG-Verbesserung beitragen kann. Andererseits kann man Wertpapiere mit schlechten Scores auch solange ausschließen, bis sie für den Anleger akzeptabel werden. „Engagement“ wird oft von Großanlegern genutzt, die ihr mögliches Anlageuniversum nicht zu sehr durch Ausschlüsse und hohe Ansprüche an ESG-Ratings reduzieren wollen.

Die Tatsache, dass ESG-Ansätze sich voneinander unterscheiden können, sollte man nicht als Argument zum Nichtstun verwenden. Unternehmens- bzw. wertpapierspezifische ESG-Daten werden seit mehr als 15 Jahren systematisch erhoben. Allerdings sind die ESG-Daten oft teuer und selten einfach auszuwerten. Gerade Anleger mit relativ geringen Ressourcen bzw. Anlagevolumina können daher kaum eigene Analysen durchführen, sondern müssen ein bestehendes ESG-Produkt kaufen.

Schon mit sehr kleinen Anlagesummen kann man heute relativ günstige ESG-ETFs erwerben. Allerdings werden in Deutschland bisher erst sehr wenige ESG Aktien-ETFs und nur sehr vereinzelt auch ESG-ETFs aus Unternehmensanleihen angeboten. Meine Firma Diversifikator hat daraus  ein „most-passive“ Aktien/Anleiheportfolio gebildet. Unseres Wissens ist es das erste ESG ETF-Portfolio.  Das Portfolio nutzt durchgängig einen Ansatz, der auf ESG Kriterien von MSCI beruht.

Dieses ESG ETF-Portfolio hätte in der Rückrechnung von 2008 bis Ende 2015 eine etwas geringere Rendite gebracht als ein vergleichbares traditionelles ETF Portfolio (Details siehe Dokument „Diversifikator Backtests“ auf http://www.diversifikator.com ). Es hätte aber auch etwas geringere Schwankungen gezeigt und so insgesamt sogar eine etwas bessere Relation von Rendite zu Risiko (Sharpe Ratio) gehabt. Das Portfolio wurde Ende 2016 implementiert. In 2016 hat das Portfolio eine hervorragende Rendite von über 11% bei relativ geringen Schwankungen erreicht. Nur sehr wenige Misch- bzw. Multi-Assetfonds waren besser.