Der sehr anerkannte quantitative Assetmanager Research Affiliates hat kürzlich ein Beitrag zur irritierenden Vorliebe für komplexe Anlagestrategien veröffentlicht (Jason Hsu und John West: „The confounding bias for investment complexity“, in Fundamentals, Jan. 2016). Darin wird analysiert, warum Kapitalanleger Komplexität gegenüber Einfachheit vorziehen. Folgende Argumente werden aufgeführt:
– Anleger denken, dass Kapitalmärkte nur mit komplexen Anlagestrategien geschlagen werden können
– Komplexität führt zu „Performance Chasing“, weil Anbieter komplexer Strategien nach Misserfolgen schneller ausgewechselt werden als Anbieter einfacher Strategien
– „Performance Chasing“ resultiert in schlechte Anlageergebnissen, weil oft nach guten Phasen gekauft und nach schlechten Phasen verkauft wird
– Produktanbieter und Berater mögen Komplexität, weil sie damit ihre Daseinsberechtigung zeigen, denn je komplexer bzw. weniger verständlich eine Strategie ist, desto eher wird der Asset Manager bzw. Berater benötigt und desto eher unterscheidet er sich von seinen Wettbewerbern
– Anbieter und Berater mögen Komplexität, weil sie damit höhere Gebühren rechtfertigen können
– Da fast alle Anbieter komplexe Ansätze vermarkten, ist es schwer, Anleger von den Vorteilen einfacher Ansätze zu überzeugen
– Berater mögen Komplexität, weil damit der Beratungsbedarf steigt
In dem Dokument von Research Affiliates heisst es: „Our experience, as well as our research and that of others, supports the virtues of a simple approach“ (Hsu/West 2016, S. 1). Investoren in einfache Strategien „tend to achieve meaningful better results versus their counterparts“ (Hsu/West 2016, S. 4).
Ist die Vorliebe für komplexe Strategien in Deutschland sogar ausgeprägter als in den USA und die Verbreitung von ETFs daher noch so niedrig? Werden Robo-Advisors mit ihren meist stark regelbasierten Strategien keine Chance gegen Anbieter komplexer aktiver Fonds haben? Werden Anbieter von einfachen Robo-Strategien wie stabilen Allokationen zu Aktien/Anleihen Nachteile gegenüber solchen von komplexen Strategien haben?
Meine Erfahrungen und die Untersuchungen, die ich kenne, stimmen mit dem von Research Affiliates überein. Ich habe im letzten Jahr daraus für mich die Konsequenzen gezogen und mit der Diversifikator GmbH eine neue Firma gegründet. Ich bin überzeugt, dass meine Firma nur erfolgreich wird, wenn das Anlegerinteresse im Vordergrund steht. Die Portfolios von Diversifikator sind daher einfach. Ich bezeichne sie sogar als „most passive“. Sie haben zudem nur relativ geringe direkte Kosten und wenig Handelsaktivitäten, also indirekte Kosten. Aber ich wurde schon gefragt, warum Anleger überhaupt für so einfache Portfolios bezahlen sollten. Meine Antwort war und ist: Diese Portfolios sind neuartig. Ich habe keine anderswo besonders gut laufenden Portfolios kopiert, denn ich habe bisher keines unserer Portfolios irgendwo anders in ähnlicher Form gesehen, obwohl die Portfolios einfach sind oder vielleicht sogar weil die Portfolios so einfach sind?
Ich haben zwar wenig Aufwand mit der Entwicklung der Portfolios, weil ich genau weiß, was ich will und weil ich nur wenige Daten einkaufen muss, weil ich keine komplexen Modelle bzw. Software benötige und keine aufwändigen Backtests erstellt habe und daher auch keine komplexe EDV brauche. Der Aufwand meines B-B-C Ansatzes besteht vor allem darin, Berater von dem einfachen Ansatz zu überzeugen. Dazu gibt es eine sehr umfangreiche und detaillierte Internetseite und ich mache viele Reisen und führe viele persönliche Gespräche.
Natürlich möchte ich irgendwann einmal Geld mit Diversifikator verdienen. Man kann sich aber leicht ausrechnen, dass man selbst bei sehr geringen Kosten bei einer Gebühr von 0,25% pro Jahr wahrscheinlich mindestens 100 Millionen Euro Anlagevolumen braucht, um profitabel zu werden. Der größte deutsche Robo-Advisor hat heute gerade einmal EUR 40 Millionen unter Verwaltung.
Auch Berater, die selbst von einem einfachen Ansatz überzeugt sind, müssen ihre Kunden von den Vorteilen überzeugen und auch davon, dafür auch angemessen zu bezahlen. In anderen Bereichen funktioniert das ja. So zahlt man für das einfache Apple-Design mehr als für komplexe Designs.
Ich hoffe, dass es auch im Finanzbereich künftig mehr Mut zur Einfachheit gibt.