Investmentphilosophie: Prognosefans sollten prognosefreie Portfolios nutzen

Meine Firma Diversifikator verfolgt eine (regelbasiert-)prognosefreie Investmentphilosophie. Das wird von manchen Vermögensverwaltern und Banken kritisiert, da diese meist eine prognosebasierte Philosophie verfolgen. Dabei sind prognosefreie Portfolios für Prognoseanhänger besonders interessant (s.a. „Dürfen Profis prognosefrei investieren?“ und „Logische und verantwortungsvolle statt pseudo-optimierte Portfolios„).

Prognostiker sollten keine diskretionären Fonds empfehlen

Wenn man einen vollkommen diskretionären („frei agierenden“) Multi-Assetfonds kauft, ist der Manager des Fonds für die Prognosen zuständig. Er hat ziemlich sicher Erwartungen bzw. konkrete Prognosen für Aktienkurse, Anlagefaktoren wie Value oder Small Cap, Zinsen und Wechselkurse und richtet sein Portfolio entsprechend aus. Die Ausrichtung und Anlagestrategie kann sich grundsätzlich jederzeit ändern, sofern die meist breit gefassten Anlagebedingungen eingehalten werden.

Ein Anlageberater, der seinen Kunden einen solchen Fonds empfiehlt, kann zwar eigene Prognosen haben, aber sie reflektieren sich nicht in der Fondsanlage, da der Fondsverwalter typischerweise völlig unabhängig vom Kundenberater agiert. Einen Fonds mit Prognosen zu finden die immer den Prognosen des Beraters entsprechen, ist wohl ausgeschlossen.

Prognostiker sollten keine Multi-Asset Fonds empfehlen

Ein Berater, der Anlagen haben möchte, die mit seinen Prognosen kompatibel sind, darf also eigentlich nur prognosefreie Fonds empfehlen. Prognosefreie Multi-Asset Fonds gibt es allerdings kaum, wenn man von starren Mischfonds absieht. Mit solchen inflexiblen Fonds kann man zudem seine Prognosen nicht umsetzen. Der Anlageberater kann seine Prognosen aber mit einer Kombination von einzelnen passiven Fonds/ETFs umsetzen. So kann man den Kauf bzw. Verkauf dieser Fonds empfehlen, wenn sich seine Prognose ändert.

Prognosefreie Fonds sind auch für Endkunden attraktiv

Die Situation wird noch komplexer, wenn auch der Endkunde Prognosen hat. Er wird kaum einen Berater finden, dessen Prognosen mit seinen übereinstimmen. Daher ist es auch für den Anleger attraktiv, wenn der Berater prognosefreie Fonds nutzt, die vom Anleger relativ einfach überwacht werden können und deren Kauf/Verkauf vom Anleger einfach initiiert werden können.

Prognosebasierte performen schlechter als prognosefreie Fonds

Ein weiterer Grund, warum eine prognosefreie Investmentphilosophie von vielen traditionellen Markteilnehmern zunächst abgelehnt wird ist die Annahme, dass Outperformance ohne Prognosen sehr schwierig ist.

Outperformance ist aber generell sehr schwierig, wie die vielen kritischen Studien zu aktiven Fonds zeigen. Und fast alle aktiven Fonds sind prognosebasiert. Passive Fonds performen meist besser als aktive Fonds. Das liegt vor allem an den relativ niedrigen Kosten von passiven Fonds. Das prognosebasierte Anlagen prognosefreie Anlagen outperformen ist also alles andere als sicher.

Unklar, was eine Prognose ist? Prognosen müssen falsifizierbar sein

Unter einer Prognose verstehe ich eine falsifizierbare Aussage im Sinn einer konkreten Vorhersage für einen konkreten Zeitpunkt bzw. -raum. „Der DAX wird irgendwann steigen“ ist nicht falsifizierbar und danach keine Prognose sondern allenfalls eine vage Erwartung. „Der DAX wird Ende 2018 zwischen 12.000 und 14.000 stehen“ dagegen ist eine Prognose, denn die Aussage ist falsifizierbar. Auch bedingte „wenn -dann“ Prognosen sind möglich. Auch Häufigkeitsprognosen können falsifizierbar sein, z.B. „Bis Ende 2018 wird der DAX in 50% der Börsentage mehr gewinnen als verlieren“. Schwierig wird es aber mit der Falsifizierbarkeit von Wahrscheinlichkeitsaussagen wie „Mit einer 50%igen Wahrscheinlichkeit wird der DAX Ende 2018 über 13.000 Punkten stehen“.

Prognosefrei heisst aber nicht annahmefrei. Annahmefreies Investieren ist nicht möglich.

Diversifikator nutzt mehrere wichtige Annahmen: So wird angenommen, dass eine breite Diversifikation über viele Anlageklassen auch viele Renditechancen ermöglicht.  Ausserdem wird angenommen, dass eine Gleichgewichtung innerhalb von Anlagesegmenten die Renditechancen erhöht und dass ESG(Environment, Social, Governance)-Ausschlüsse die Renditeerwartungen nicht senken. Es werden jedoch keinerlei konkreten diesbezüglichen Prognosen genutzt.

Annahmen sollten transparent sein

Berater, die Portfolios empfehlen, sollten deren wichtigste Annahmen kennen und sie mittragen. Sie können jedoch trotzdem selbst konkrete Prognosen haben, z.B. zu einzelnen Immobilienmarktentwicklungen. Das entsprechende Musterportfolio von Diversifikator enthält keinerlei Prognosen über einzelne Immobiliensegmente- oder Immobilienaktienentwicklungen. Portfolioänderungen ergeben sich nur, wenn die Portfolioregeln verändert werden. Portfolioregeln umfassen z.B. die Anzahl der Aktien, die Gewichtung der Aktien zueinander etc.. Die Regeln werden vorab kommuniziert und sind damit transparent und überprüfbar.

Prognosefreie (regelbasierte) Fonds können leichter modifiziert werden

Dieses Portfolio kann z.B. aus Sicht des Kundenberaters zu wenige deutsche Immobilienaktien enthalten. In dem Fall kann der Berater dem Anleger eine zusätzliche deutsche Immobilienaktienallokation empfehlen.

Falls das Portfolio aus Beratersicht eine zu hohe Allokation zu deutschen Immobilienaktien aufweisen sollte, kann das auch berücksichtigt werden, denn künftig werden Portfolios angeboten, aus denen Berater bzw. Anleger einzelne Titel bzw. Marktsegmente ausschliessen können.

Ein „aktiver“ Immobilienaktienfonds dagegen, in dem Prognosen des Fondsmanagers zu einzelnen Immobilienmarktsegmenten oder einzelnen Titeln zu Portfolioänderungen führen, kann sich bei Prognoseänderungen des Managers erheblich ändern und den Immobilienprognosen des Beraters und/oder Endkunden widersprechen und daher für ihn ungeeignet sein.

Prognosefreie Strategien brauchen weniger Überwachung

Bei einem prognosebasierten Portfolio sollte man daher darauf achten, dass die Prognosen des Fondsmanagers auch während der Haltedauer mit denen von Berater und Anleger kompatibel sind. Diese laufende Überprüfung ist aufwändig. Eine solche Überwachung ist bei einem prognosefreien Portfolio nicht erforderlich.

Der Endkunde oder der Berater möchten vielleicht sogar grundsätzlich wissen, warum der Portfoliomanager wann welche Trades macht. Beim aktiven Fonds muss der Portfoliomanager nachfragen, um die Antwort zu erfahren. Beim passiven Fonds muss er im Zweifel nur auf die Regeln verweisen. Der Berater kann so grundsätzlich immer wissen, wann und warum welche Bestandteile sich im Portfolio befinden.

So werden bei Diversifikators Standardportfolios die Investments nur ein Mal pro Jahr überprüft und geändert, denn alle Portfolios sind auf möglichst geringe Handelskosten ausgelegt („most passive“).

Prognosewidersprüche bei mehreren „aktiven“ Fonds im Portfolio

Besonders schwierig wird es, wenn man mehrere prognosebasierte Fonds miteinander kombinieren möchte. Drei Multi-Assetfonds, die unterschiedliche Prognosen umsetzen, widersprechen sich untereinander. Das ergibt ziemlich sicher ein relativ teures aber kein effizientes Portfolio. Drei prognosefreie Multi-Assetportfolios können zwar gleiche oder ähnliche Positionen enthalten, sollten sich aber zumindest nicht gleichzeitig in ihren Strategien widersprechen.

Ähnliches gilt für spezialisiertere Fonds. Insbesondere wenn Leerverkäufe zugelassen sind macht es keinen Sinn, unterschiedliche Fonds zu halten von denen der eine „Long“ und der andere gleichzeitig dieselbe oder eine vergleichbare Position „Short“ geht.

Wenn man nur prognosefreie (passive) Investmentbausteine bzw. Portfolios nutzt muss man als Berater zudem auch der Aufsicht nur seine eigenen (ggf. prognosebasierten) Entscheidungen erklären (und dokumentieren) und nicht auch noch erklären, warum man genau den gewählten aktiven Portfoliomanager selektiert und beibehalten bzw. das Mandat beendet hat.

Hinzu kommt, dass prognosefreie (passive) Portfolios oft günstiger angeboten werden als prognosebasierte (aktive) Portfolios. Prognosefreie Portfolios zu nutzen ist also auch für Prognosefans nicht so blöd, wie es sich zunächst anhört.

3 Gedanken zu „Investmentphilosophie: Prognosefans sollten prognosefreie Portfolios nutzen

  1. Hans

    Im Grunde ist der norwegische Pensionsfonds ebenfalls eine Art kostengünstiges prognosefreies Multi – Asset Portfolio nach ESG – Grundsätzen.

    In diesem Zusammenhang vielleicht eine dumme Frage: warum nutzen Industriestaaten nicht die historisch hohe Differenz von Anleihen- zu durchschnittlicher Aktienmarktrendite um einen über Staatsanleihen finanzierten Staatsfonds zu gründen, der bei einer unterstellten Aktienmarktrendite von ca. 7% p.a. einen großen Teil der Staatsverschuldung inkl. der Gründungsinvestition auf Sicht von ca. 4 Dekaden tilgen würde? Die Ursprungsinvestition hätte sich bis dahin verfünfzehnfacht, d. h. mit einer initialen Investition von EUR 300,0 Mrd. (die deutsche Mehrverschuldung infolge der Coronakrise) wäre in 40 Jahren ein Vermögenswert in Höhe der heutige deutsche Staatsverschuldung mit maßvoller Steigerung vorhanden sowie die Ursprungsinvestition bereits getilgt.

    1. Soehnholz Beitragsautor

      Gute Frage. Vielleicht liegt es daran, dass Staatsfonds Staatsanleihen kaufen sollen? Andererseits findet man auch Statistiken die zeigen, dass Anleihen in vielen Perioden nicht unbedingt schlechter rentiert haben als Aktien. Der norwegische Staatsfonds ist m.E. nicht besonders streng in seinen ESG Anforderungen.

      1. Hans

        In den 80er Jahren hatten sich japanische Unternehmen im Rahmen des Zaitech eine vergleichbare Finanzierungsquelle erschlossen, indem die Unternehmen niedrig verzinste Optionsanleihen (ca. 1% bis 2% Zinsen) begaben und die eingeworbenen Geldern zu den damaligen Kapitalmarktzinsen (ca. 8% Zinsen) angelegt haben.

        Ebenfalls getätigte Anlagen an der japanischen Börse bzw. Immobilien brachten ab den 90er Jahren hohe Verluste.

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