Anlageberater, Robo Advisors oder Modellportfolios: Wer wird gewinnen?

Meine Idealvorstellung für die Kapitalanlage: Kombination der besten Finanzplaner mit den besten Modellportfolios, den besten Unterstützungstools und den besten Depotbanken. Dabei spielen Depotbanken eine entscheidende Rolle. 

Die besten Finanzplaner bzw. Anlageberater

Die besten Finanzplaner bzw. Anlageberater müssen sehr gut auf ihre Kunden eingehen. Unterschiedliche Kunden haben unterschiedliche Ansprüche und Ziele: Für relativ junge Anleger mit gutem Einkommen steht das Erreichen von Zielen wie der eigenen Wohnung, schöne Reisen, der Finanzierung attraktiver Freizeitaktivitäten und später die Kindererziehung und -ausbildung im Vordergrund. Dafür müssen auch Großrisiken wie Berufs-/Arbeitsunfähigkeit abgesichert werden. Für etwas Ältere sind eine ausreichendes Einkommen bis zum Tod, die Erbschaftsstrukturierung und die Absicherung gegen Großrisiken wie teure Krankheiten wichtiger.

Schwerpunkt ist eine individuelle Finanzplanung. Dafür müssen die besten Anlageberater über gutes Versicherungs- und Steuer-Knowhow verfügen. Man kann nicht erwarten, dass sie gleichzeitig auch die besten Portfoliomanager sind. Aber sie müssen ihren Kunden helfen, die besten Modellportfolios, Unterstützungstools und Depotbanken zu finden.

Die besten Modellportfolios

Der beste Anlageberater sollte für Kunden die jeweils besten Portfolios auswählen. Die Finanztheorie sagt, dass man allen Kunden ein optimales Portfolios aus nur zwei Bestandteilen bilden kann: Einem risikolosen Teil zur Absicherung und einem riskanten Anteil zur Renditegenerierung. Konservative Anleger erhalten dabei höhere Anteile an risikolosen Anlagen (zu dateninput- und modellabhängigen Fehlern von typischen Markowitz-Optimieren siehe z.B. „Pseudo Optimierer“ auf www.diversifikator.com).

Da risikolose Anlagen aber normalerweise nicht einmal die Inflation kompensieren, brauchen auch sehr konservative Anleger einige riskante Anlagen im Portfolio. Wenn man – so wie ich – kein sehr guter Prognostiker ist und auch keinen kennt, von dem man gute Prognosen einkaufen kann (Hinweis: Ich kenne niemanden von dem ich erwarte, dass er das künftig besonders gut kann, siehe Dürfen Profis prognosefrei investieren?), kann man ein prognosefreies diversifiziertes Portfolios auswählen.

Die passivste Allokation ist eine, die die Anlagen aller Anleger weltweit nachbildet (sogenanntes Weltmarktportfolio, siehe warum-sich-das-weltmarktportfolio-so-gut-entwickelt).

Alternativ könnte man naiv jeweils gleichverteilt anlegen. Dazu ist aber entscheidend, wie viele Anlageklassen man definiert und wie man diese umsetzt. 1/4 jeweils in Aktien, Anleihen, Immobilien und Rohstoffe resultiert im Zweifel in einer Übergewichtung von Rohstoffen und Immobilien und einer Untergewichtung von Aktien und Anleihen gegenüber dem Weltmarktportfolio.

Berater bzw. Anleger die meinen bzw. prognostizieren, dass eines oder mehrere dieser Anlagesegmente aktuell überbewertet sind, können die entsprechenden Anlagesegmente, zum Beispiel Anleihen, reduzieren oder weglassen, müssen dafür aber andere Segmente aufstocken.

Die besten Anlageinstrumente

Zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass neben der Diversifikation auch niedrige Kosten sehr wichtig sind, um gute Anlageergebnisse zu erreichen. Gute Anlageberater empfehlen daher die Umsetzung der Portfolios mit möglichst kostengünstigen Instrumenten, typischerweise passiven diversifizierten Investmentfonds (ETFs).

Anleger, die besonderen Wert auf Nachhaltigkeit legen,  können das Weltmarktportfolio mit ESG (Environment, Social, Governance) ETFs nachbilden.

Für besonders kritische Anleger, denen die oft relativ geringen ESG-Kriterien der ETF-Anbieter nicht zusagen, können eigene ESG-Portfolios gebildet werden. Besonders bei zunehmendem Einkommen bzw. Vermögen wird für Anleger oft wichtiger, was/wen sie mir ihrem Geld unterstützen. Sie möchten vielleicht besonders klimaschädliche Energieproduzenten etc. ausschliessen. Deshalb werden künftig ESG Portfolios wichtiger, aus denen Anleger bzw. Berater individuelle Wertpapiere ausschliessen können.

Solche Portfolios können durchaus passiv bzw. mit einfachen Regeln und kostengünstig umgesetzt werden. So hat sich vielfach eine Gleichgewichtung (s. faktor-etfs-gut-fuer-anbieter-schlecht-fuer-anleger-ein-plaedoyer-fuer-gleichgewichtete-benchmarks-und-faktordiversifikation) mit einmaliger Rebalanzierung (s. Rebalanzierungen im Detailmenu auf www.diversifikator.com) pro Jahr bewährt. Und Anleger mit relativ kurzfristigem Anlagehorizont bzw. geringer Verlusttoleranz können hohe Anteile von Geldmarktanlagen beimischen und/oder einfache und bewährte Risikosteuerungssystem wie die 200-Tage-Trendfolge nutzen (s. einfaches-risikomanagement-kann-erstaunlich-gut-funktionieren).

Das „Problem“ ist, dass bisher keines der hier genannten Portfolios als Investmentfonds verfügbar ist. Daher ist eine Kombination der besten Berater mit den besten Modellportfolios sinnvoll. Während Investmentfonds aber typischerweise sehr effizient umgesetzt werden können und manchmal auch gutes Reporting liefern und daher die Wahl der Depotbank vor allem nach ihren Kosten erfolgen kann, ist das bei Modellportfolios nicht unbedingt so.

Die beste Depotbank

Eine effiziente Umsetzung ist vor allem bei relativ niedrigen Anlagesummen wichtig.  So fallen bei einer Anlagesumme von 50.000 Euro selbst bei nur einmaligem Austausch von Portfoliobestandteilen pro Jahr und Kosten von nur 5 Euro pro Kauf oder Verkauf bei z.B. 25 Positionen im Depot 0,5% p.a. an Kosten an.  Man kann Anlegergelder aber poolen, um die Kosten für Anleger zu senken. Ein solches Pooling kann nicht nur über Investmentfonds sondern auch durch sogenannte Robo Advisors oder standardisierte Vermögensverwaltungen erfolgen. Gute Depotbanken (hier immer verstanden als Kombination von Broker und Depotbank) werden daher künftig zusätzlich zu möglichst vielen günstigen Investmentfonds (ETFs) auch Robo Advisors bzw. standardisierte Vermögensverwaltungen auf Basis ausgewählter Aktien anbieten (siehe auch mit-modellportfolios-kann-man-sehr-viel-geld-verdienen und modellportfolios-in-uk-ein-sehr-grosser-wachsender-und-profitabler-markt).

Die besten Depotbanken bieten zudem effiziente Neukunden-Aufnahmeprozesse („Onboarding“), regelmässige „Reviewprozesse“ (die mit MiFID II teilweise Pflicht werden), Rebalanzierungsservices und ein sehr gutes Standardreporting und zusätzliche Analysetools an (siehe z.B. robo-tools-was-beim-kauf-zu-beachten-ist). Um kosteneffiziente Umsetzungen von Depots zu ermöglichen, müssen zudem Bruchstücke von Wertpapieren umsetzbar sein. Anders als es heute oft der Fall ist, sollten die benutzten Tools aber möglichst wenig von den eingegebenen Daten und Modellen bzw. Optimierern abhängen (also keine „Pseudo-Optimierer“ sein).

Heute sind Depotbanken meist entweder auf Selbstentscheider oder auf Anlageberater bzw. Vermögensverwalter spezialisiert. Die Begründung sind unterschiedliche Anforderungen und dass man den Beratern/Verwaltern keine Konkurrenz machen möchte.

Künftig sollten Anleger und ihre Berater aber über die selben Informationen und grundsätzlich auch die selben Tools verfügen können. Es wird Anleger geben, die teilweise mit Berater und teilweise alleine entscheiden werden. Spätestens wenn Berater für ihre Beratung separat vom Anleger und nicht mehr über Provisionen von Produktanbietern entlohnt werden, wobei diese Bezahlung technisch über die Depotbank abgewickelt werden kann, ist die Trennung in Berater- und Direktanleger-Depotbanken wohl nicht mehr nötig. Denn dann entfällt ein Service, der heute für Depotbanken noch wichtig ist: Die Provisionsvereinnahmung von Produktanbietern und die Weiterleitung an Berater, Vermittler und Verwalter. Ein Teil der Provisionen bleibt typischerweise bei der Depotbank. Es ist daher verständlich, dass Depotbanken an provisionsstarken Fonds interessiert sind und nicht alle ETFs oder Modellportfolios aus ETFs oder Einzelaktien mögen.

Die beste Kombination

Die Regulierung hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Aus Regulierungssicht steht oft der Anlegerschutz im Vordergrund. Regulierung ist aber mit Kosten verbunden, die letztendlich wieder vom Anleger getragen werden. Zu viel Regulierung schadet Anlegern daher vielleicht sogar.

Für den einzelnen Anleger kann es von Vorteil sein, wenn er insgesamt möglichst wenig Regulierungskosten tragen muss. Das kann dazu führen, dass er nur einen voll regulierten Anbieter wählt, der Anlageberatung, Portfoliostrategie und Umsetzung bzw. Depotbank aus einer Hand anbietet. Es ist aber sehr unwahrscheinlich, dass dieser Anbieter bei allen Services zu den besten gehört.

Die tendenziell höchsten Regulierungskosten hat ein Anleger in dem theoretischen Fall zu tragen, in dem er einen regulierten individuellen Vermögensverwalter nutzt, der unabhängig regulierte Investmentfonds einsetzt, die mit Hilfe eines unabhängig regulierten Robo-Advisors bei einer unabhängig regulierten Depotbank umgesetzt werden.

Alternativ kann der Anbieter einen Anlageberater bzw. einen (t.w. weniger regulierten) Finanzplaner nutzen, der neben der Finanzplanung nur Vermögensverwaltungen vermittelt (diese Vermittlung ist regulierungsfrei) anstatt sie selbst umzusetzen. Der Berater bzw. Finanzplaner kann gute und günstige Multi-Asset Fonds (die sind aber selten), gute Robo-Advisors oder standardisierte Vermögensverwaltungen mit günstigen Modellportfolios von guten Portfoliostrategen für seine Kunden suchen. Ausserdem kann der Berater/Finanzplaner eine gute Depotbank suchen.

Die beste Kombination kann aus Anlegersicht eine von unabhängigen Finanzplanern mit günstigen Modellportfolios sein, die standardisiert von exzellenten Depotbanken umgesetzt werden. Unabhängige und eigenständig regulierte Robo-Advisors sind in diesem Szenario nicht unbedingt nötig, da die Robo-Services von der Depotbank angeboten werden können.

In diesem Szenario zahlt der Anleger nur die Regulierungskosten der Finanzplaner und der Depotbanken. Depotbanken sind meist sowieso auf Massengeschäft ausgelegt und haben daher relativ niedrige Regulierungskosten pro Anleger.

Allerdings kann es für Anleger aus Haftungsgründen attraktiv sein, entweder mit regulierten Finanzberatern/Vermögensverwaltern oder regulierten Robo-Advisors (siehe robo-advisors-lieber-mehr-transparenz-als-mehr-regulierung) zusammen zu arbeiten. Im Falle von nachgewiesener Fehlberatung, die allerdings oft schwer beweisbar ist, sind diese in der Haftung.

Bei einer Kombination eines Finanzplaners mit einer Depotbank, selbst wenn die Depotbank standardisierte Modellportfolios anbieten, ist der Anleger dagegen meist ein „Selbstberater“, da Depotbanken zwar Robo-Tools anbieten (werden), aber die Beratungshaftung nicht übernehmen möchten.

Alternative Optionen

Finanzplaner können sich auch regulieren lassen und auch selbst Vermögensverwaltungsservices über automatisch angebundene Depotbanken anbieten. Das hat den Vorteil für den Kunden, nur einmal ein sogenanntes Onboarding mit Geeignetheitsprüfung machen zu müssen und nicht noch einmal bei der Depotbank. Der Nachteil neben den zusätzlichen Regulierungskosten ist, dass die Empfehlungen des Finanzberaters dadurch beschränkt sein können, was er selbst verwalten kann/will und mit welcher Depotbank er Umsetzungsverträge hat. Dabei wird nicht unbedingt immer das beste Modellportfolio oder die beste Depotbank für den Kunden herauskommen.

Und wenn ein Kunde mehr als einen Berater hat, resultiert dieses Modell oft in mehr als einer Depotbankverbindung. Allerdings kann auch der Kunde aus anderen Gründen mehr als eine Depotbank nutzen. Durch eine grundsätzlich mögliche sogenannte Depot(informations)aggregation kann dieser Nachteil aber reduziert werden. Dabei hängt die Qualität der aggregierten Informationen von der „schlechtesten“ Depotbank ab.

ETF-Anbieter werden für Anleger, die keine so speziellen Wünsche wie harte ESG-Ausschlüsse haben, selbst Modellportfolios, Robo Advisors und vielleicht, wie Vanguard und Charles Schwab in den USA, auch persönliche Anlageberatung oder sogar Depotservices anbieten. Damit werden sie für aktive Portfoliomanager zu einer noch stärkeren Bedrohung, als sie es heute schon sind.

In den USA gibt es außerdem Projekte, die Anlegern online die Auswahl von Beratern und sowohl Anlegern als auch Beratern eine sehr breite Auswahl von Modellportfolios, Tools und sogar Depotbanken ermöglichen wollen. Ich bin aber skeptisch, ob so komplexe „Plattform-Plattformen“ effizient funktionieren werden.

Gute Finanzplaner in Kombination mit guten Modellportfolios, guten Tools und guten Depotbanken können also eine sehr gute Lösung für Anleger sein und müssen insgesamt nicht teuer sein. So können Modellportfolios mit Einzelwertpapieren zu Konditionen angeboten werden, wie sie heute für ETFs verlangt werden.

Gute Finanzprognosen traue ich mir nicht zu, andere Prognosen schon eher: Für klassische aktive Portfoliomanager, reine Fondsvermittler, Vermittlerpools sowie Stand-Alone Robo-Advisors habe ich keine besonders hohen Wachstumserwartungen. Finanzplanern, Vermittlern von standardisierten Vermögensverwaltungen, ETF-Anbietern und Depotbanken sowie Haftungsdächern traue ich jedoch ein sehr gutes Wachstum zu. Damit werde ich aber möglicherweise falsch liegen, wenn man aktuellen Erwartungen für die Assetmanagementbranche glaubt (s. Studie). Wahrscheinlich muss es aber erst ein Provisionsverbot wie in Großbritannien und den Niederlanden geben, bevor die von mir erwartete Entwicklung eintritt (siehe harsche-banken-aber-auch-robo-advisor-kritik-der-eu).