Der Sinn eines Musterportfolios: Prüfen, ob etwas funktioniert oder zeigen, dass etwas funktioniert. Ersteres kennt man z.B. von onvista und anderen Plattformen, auf denen Privatanleger Portfolios zusammenstellen können um zu prüfen, wie diese funktionieren. Zweites kommt aktuell wieder aus den USA. Dort kann man sogar mit Musterportfolios verdienen, wenn man „Follower“ findet, die diese kopieren. Ein Beispiel dafür ist die US-Plattform Covestor. Wikifolio in Deutschland funktioniert anders, indem man von Musterportfolios abgeleitete Zertifikate kaufen kann. Macht es auch für Assetmanager Sinn, Musterportfolios zu erstellen und diese dann eventuell sogar öffentlich zu machen?
Die erste Reaktion von Portfoliomanagern ist eher negativ. Der Aufwand, ein professionelles Musterportfolio zu pflegen ist fast so hoch, wie einen echten Fonds zu managen. Wenn das Musterportfolio bessere Ergebnisse zeigt als ein eigener Fonds, hat man Angst vor Kritik von Anlegern des Fonds. Manche befürchten auch „Kannibalismus“, also dass Geld aus den Fonds zugunsten der gespiegelten oder nachgebauten Musterportfolios abgezogen wird. Außerdem scheuen manche die Transparenz von Musterportfolios, denn Wettbewerber könnten sich etwas von den Musterportfolios abgucken. Bei genauerer Prüfung spricht aber Einiges für Musterportfolios von Profis. Erstens gibt es oft nicht genug sogenanntes Seedmoney, um einen Fonds zu starten. Zweitens kann man meist nicht alle Ideen in „seinem“ regulierten Fonds umsetzen. Veritas hat zum Beispiel ein Aktienselektionsmodell, das in praktisch allen Märkten zu funktionieren scheint. Angeboten werden aber nur drei direkte Aktienfonds. Mit einem Musterportfolio kann man das Modell auf weitere Märkte anwenden. Wenn das wie erwartet funktioniert, hat man einen nachprüfbaren Track-Record, auf dem man aufbauen kann. Zudem kann man komplett neue Ideen live bzw. Out-of-Sample testen und deren Tauglichkeit oder Probleme damit transparent machen. Außerdem kann man sogar Geld damit verdienen, wenn es gut läuft.
Angst vor Kopierern kann relativiert werden: Andere Profis können es sich kaum leisten, fremde Ideen 1 zu 1 zu kopieren, die Reputationsschäden bei der Entdeckung der Kopie wären sehr hoch. Und Nicht-Profis sollten Profis, die sie kopieren, kaum schaden können.
Wenn Musterportfolios gut laufen, wirbt man damit für sich selbst und auch für vergleichbare „echte“ Produkte, die man anbietet. Wenn sie schlecht laufen, sind die Kosten der Einstellung eines Musterportfolios wesentlich geringer als bei echten Fonds. Daher ist es nicht verwunderlich, dass es schon einige Assetmanager gibt, die solche Musterportfolios anbieten.
Vor einigen Jahren haben Zertifikate eine ähnliche Rolle gespielt. Diese haben aber enorm an Reputation verloren. Daher ist es meines Erachtens unsicher, ob das Wikifoliomodell mit dem Zertifikatefokus sehr erfolgreich wird. Es gibt inzwischen einige Anbieter von Musterportfolios, die man anderen Benutzern zeigen kann und mit denen man Geld verdienen kann. Vorherrschend sind dabei kurzfristig orientierte eher intransparente „Social Trading“ Plattformen. Konkurrenz für Assetmanager kommt aber wohl eher von den eher langfristig orientierten „Social Investing“ Plattformen.
Die Plattformen unterscheiden sich zum Teil erheblich in Bezug auf Geschäftsmodelle, Risikomanagementfähigkeiten und Transparenz. Aus Anlegersicht wird durch solche Plattformen das Produkteangebot erhöht. Bei tausenden von Finanzprodukten ist das aber kein hinreichender Grund für ihre Daseinsberechtigung. Die Plattformen müssen sich daher durch günstigere Gebühren oder andere Faktoren differenzieren, zum Beispiel eine besonders hohe Transparenz. Bisher haben die deutschen Plattformen offenbar erst weniger Nutzer. Aber wahrscheinlich gehören die Nutzer zu den Meinungsführern. Wenn es gelingt, renommierte und gute Anlageexperten zum Mitmachen auf den Plattformen zu bringen, kann das erfolgreich werden.