Banken, Vermögensverwalter, Vermittler, Asset Manager und Versicherungen müssen sich mit Robo-Advisors beschäftigen. Einerseits sind sie Konkurrenz, andererseits bieten sie auch Chancen, wenn man selbst zum Anbieter wird. Neben der Technik und dem Design bzw. der User Experience sollte man sich auch fragen, wie perfekte Robo-Advisor-Portfolios aussehen sollte.
Robo-Advisors wollen eine vollautomatische Geldanlage bieten. Ihre Portfolios sollten für möglichst viele Anleger attraktiv sein. Attraktiv heisst, dass man Anleger einfach von ihnen überzeugen kann. Dazu ist in der Regel nötig, dass eine besonders gute Performance zu erwarten ist. Performance setzt sich aus Rendite und Risiko zusammen. Man kann Anleger am einfachsten von guten Renditen überzeugen, wenn das Produkt in der Vergangenheit gute Renditen gebracht hat. Das Problem ist, dass gut rentierende Portfolios der Vergangenheit oft keine gute Rendite in der Zukunft einbringen. Erfahrene Anleger wissen das, unerfahrene nicht.
Alternativ kann man ein Portfolio anbieten, welches eine besonders gute Relation von Rendite zu Risiko hat, die oft als Sharpe Ratio gemessen wird. Portfolios mit niedrigerem Risiko in der Vergangenheit zeigen auch danach oft niedrigere Risiken. Rendite bleibt aber weiterhin kaum prognostizierbar. Erfahrene Anleger wissen das, unerfahrene nicht.
Ein weiteres Problem ist, dass man gute Portfolios nicht so einfach nachbauen kann. Dafür gibt es mehrere Gründe. So ist das Portfolio der Yale Universität seit Jahren sehr gut, aber auch erfahrene Anleger wollen normalerweise keine ganz überwiegende Allokation zu illiquiden Anlagen wie sie Yale aufweist. Auch das Portfolio von Warren Buffet ist nicht einfach nachbaubar, wie viele vergebliche Versuche weltweit zeigen. Generell sind sogenannte aktive Portfolios schlecht nachbaubar, weil aktive Entscheidungen der Vergangenheit meist nicht in eindeutige Anlageregeln für die Zukunft übertragen werden können.
In der Vergangenheit hat man unerfahrenen Anlegern vor allem gute Vergangenheitsperformance verkauft. Das wird künftig schwieriger, denn Robo-Advisors bieten meist nur sehr wenige Produkte an und das in der Regel öffentlich. Traditionelle und soziale Medien und Verbraucherschützer werden eine schlechte Performance aktiver Fonds im Angebot von Robo-Advisors wohl nicht lange unkritisch tolerieren.
All das spricht dagegen, sogenannte aktive Fonds, die meist recht teuer sind, über einen Robo-Advisor anzubieten.
Man kann aber versuchen, Anleger mit besonders guten Kapitalanlagemodellen zu überzeugen. „Wissenschaftlich basiert“ und am besten noch „von einem Nobelpreisträger erfunden“ hört sich besonders gut an. Erfahrene Anleger wissen, dass der Nobelpreisträgerverwöhnte Hedgefonds LTCM kein gutes Erfolgsbeispiel ist. Unerfahrene Anleger wissen das nicht.
Erfahrene Anleger wissen, dass Markowitz für seine eigenen Kapitalanlagen offenbar gleichgewichtete Portfolios und nicht optimierte nutzte. Sehr erfahrene Anleger wissen auch, wie sensibel Markowitz-Optimierungen sein können. Um das anschaulich zu machen, hat meine Firma Diversifikator einen Pseudo-Markowitz-Optimierer programmiert (s. https://diversifikator.com/de/#/). Damit wird deutlich, dass kleine Änderungen in den Annahmen zu starken Änderungen in Allokationen führen können.
Um die Ergebnisse der Optimierungen nachvollziehen zu können, müsste man zu jedem Zeitpunkt wissen, welche Daten/Prognosen genutzt werden und wie die Optimierungsmodelle genau funktionieren. Bei vielen Robo-Advisors weiß man das nicht und auch nicht genau, warum und welche Eingaben zu bestimmten Risikoprofilen führen und warum welche Portfolios für diese Risikoprofile am besten geeignet sein sollen.
Regelbasierte Ansätze können regulatorische bzw. Complianceanforderungen aber nur besser erfüllen als diskretionäre, wenn die Regeln nachvollziehbar sind. Wenn man zudem auf Prognosen verzichtet und sich nur auf Vergangenheitsdaten stützt, sind solche Anforderungen noch einfacher zu erfüllen.
Wenn man nicht an Outperformance von aktiven Portfoliomanagern glaubt, kann man auf ein möglichst einfaches Portfolio ausweichen. Von Ratgebern wird für Langfristanleger oft 100% Anlage in einen MSCI Welt ETF empfohlen. Das ist aber eine sehr riskante einseitige Strategie und dafür braucht man keinen Robo-Advisor.
Portfolios mit starren Allokationen wie 50/50 zu Aktien und Anleihen wie Easyfolio sind durch ihre Einfachheit und Transparenz besonders Robo-geeignet. Dass bei solchen Strategien meist nur einmal jährliche anfallende Rebalancing kann man gut erklären, denn dabei fallen nur geringe Kosten an und häufigeres Rebalancing bringt selten Performancevorteile. Allerdings kann man erfahrenen Anlegern nicht überzeugend erklären, warum nur Allokationen zu zwei Anlageklassen erfolgen. Man kann auch nicht überzeugend erklären, warum eine hohe Allokation zu Anleihen besonders risikoarm sein soll.
Arero verfolgt einen anderen Ansatz, indem man sich auf eine gute Allokation in der Vergangenheit bezieht und zwar nicht nur in einer zufällig guten Periode sondern in mehreren Perioden. Dazu werden neben Aktien und europäischen Anleihen auch Rohstoffderivate genutzt. Wenn man aber ein echtes Multi-Asset Portfolio haben möchte, muss man breiter diversifizieren.
Asset-Manager, vor allem ETF Anbieter, setzen seit einiger Zeit auf Smart-Beta bzw. Faktorprodukte. Dabei werden entweder Produkte mit besonders „guten“ Faktoren angeboten oder neuerdings auf Multi-Faktor Portfolios gesetzt. Allerdings sind Faktorperformances relativ stark von den analysierten Zeitperioden abhängig. Small Cap hat zum Beispiel ebenso wie Value lange Jahre nicht sehr gut performt. Und ob Multi-Faktor Portfolios besser als Multi-Asset Portfolios sind, ist noch zu zeigen (s. auch https://prof-soehnholz.com/faktor-etfs-gut-fuer-anbieter-schlecht-fuer-anleger-ein-plaedoyer-fuer-gleichgewichtete-benchmarks-und-faktordiversifikation/).
Allerdings gibt keine anerkannte Multi-Asset Benchmark, an der man sich orientieren kann. Es gibt aber einen anderen Maßstab, den man nutzen kann.
So soll das sogenannte Weltmarktportfolio von meiner Firma Diversifikator das aktuelle Weltanlagekapital über alle Anlageklassen abbilden. Dazu ist nur erforderlich zu wissen oder zu schätzen, wie alle Anleger aggregiert ihr Kapital angelegt haben. Das Portfolio wird im Idealfall, nämlich wenn das Portfolio die Kapitalisierung gut abbildet, auch nicht mehr umgeschichtet. Das ist der Fall, weil das Portfolio sich automatisch mit den Anlagen weiterentwickelt. Wenn Anleger Kapital aus Aktien abziehen und in Alternatives anlegen, sinken ceteris paribus die Aktienkurse und die Preise für Alternatives steigen und darüber ändern sich entsprechend auch die Allokationen im Weltmarktportfolio.
Diversifikator spricht daher auch vom most-passive Portfolio. Dadurch ist das Portfolio auch als Multi-Asset Benchmark geeignet. Bisher gibt es meines Wissens keine vergleichbare öffentliche Benchmark.
Individualisierungen werden über Cashbeimischungen erreicht. Anleger, die keine Anleihen mögen oder durchgehend „verantwortlich“ anlegen wollen, können entsprechende Variationen des Weltmarktportfolios kaufen.
Robo-Advisors wollen sich ausserdem durch günstige Kosten von anderen Anbietern abheben. Ein ideales Robo-Portfolio sollte daher mit kostengünstigen Indexfonds umsetzbar sein. Robo-Advisors wollen meist auch Kunden mit geringen Anlagebeträgen bedienen. Vor allem für Sparpläne sind geringe Handelskosten besonders wichtig.
Fazit: Wenn man einen Robo-Advisor für Anleger mit attraktivem Vermögen oder Einkommen konzipiert, sollte man den Anforderungen erfahrener Anlegern entsprechen. Wenn man ein Hybrid-Modell verfolgt, bei dem Berater durch Robo-Advice unterstützt werden, sollte man Portfolios anbieten, die kritischen Analysen erfahrener Berater standhalten, damit diese die Robo-Unterstützung auch nutzen. Neben überzeugenden Anlagekonzepten sollten Robo-Advisors genug Transparenz und günstige Konditionen bieten. Andernfalls laufen sie Gefahr, künftig von (sozialen) Medien und Verbraucherschützern kritisiert zu werden.
In der folgenden Tabelle werden verschiedene Portfolio-Optionen für Robo-Advisors grob miteinander verglichen:
Portfoliobasis | Regel-basiert | Erklärbarkeit | Transparenz | Underlying- und Handels-kosten | Variationen/Differen-zierungen möglich? |
Beste echte Vergangenheits-performance (aktive Fonds) | Nein | Ja: Bester Fonds (welche Periode/Kennzahl?) | Nein | Aktive Fonds | Ja (je nach Anlagesegment) |
Beste Rückrechnung (Evidence Based wie Smart Beta) | Ja | Nein: Multi-Asset (welche Periode/Kennzahl?) | Ja | Einzeltitel oder ETFs aber Tradingkosten | Nein (Evidence sollte eindeutig sein) |
Prognosebasierte Optimierung | Ja | Nein: Viele Annahmen, komplexe Modelle, t.w. viele Simulationen | Nein | ETFs aber Tradingkosten | Nein (nur ein „optimales“ Ergebnis) |
100% MSCI Welt | Ja | Ja: Beste Anlageklasse | Ja | Gering | Nein |
Fixe Allokationen (70/30, 50/50 etc.) | Ja | Mittel: Anleihen risikoarm? Mix erklärbar? | Ja | Gering | Nein (ausser Risikoklasse) |
Weltmarktportfolio (s. Diversifikator) | Ja | Ja: Most passive, aber Messung und illiquide Anlagen schwierig | Ja | Gering | Ja (Themenbasiert s. http://www.diversifikator.com) |