Faktorallokation ist konzeptionell und operationell schwierig, Faktoranalysen sind aber wichtig

Das Grundproblem einer faktorbasierten Allokation (Faktorallokation) ist dem der Assetklassen-Diversifikation sehr ähnlich: Es gibt keinen Konsens darüber, welche Assetklassen bzw. Faktoren die Basis der Allokation sein sollten. Ebenso wie unter einer Assetklasse kann Vieles als „Faktor“ verstanden werden. Grundsätzlich ist damit eine Variable gemeint, die einen systematischen Einfluß auf Renditen oder Risiken von Kapitalanlagen hat. Auf einer ETF-Veranstaltung habe ich vor einiger Zeit mit einem Experten von MSCI darüber diskutiert, ob es sehr wenige oder sehr viele potentielle Faktoren gibt. Die Antwort hängt davon ab, ob man nur solche Faktoren betrachtet, die angeblich eine Outperformance (auch im Sinne von Risikoreduktion) gegenüber klassischen Indizes generieren, oder ob man alle Faktoren in Betracht zieht, welche grundsätzlich Portfoliorenditen und –risiken beeinflussen können. Meist wird über Faktoren diskutiert, die höhere Renditen als die jeweiligen Benchmarks bringen sollen. Für Investoren sind aber auch solche Faktoren interessant, die Risiken senken können. Am wichtigsten ist aber zunächst die Faktoranalyse, also die Transparenz über Faktorabhängigkeiten von Portfolios. Erst wenn man diese Transparenz hat, kann man geeignete Maßnahmen zur Verbesserung von Portfolios ergreifen.

Der „älteste“ und meist verwendete Rendite-Faktor ist das sogenannte Beta bzw. der Marktfaktor (siehe CAPM Capital Asset Pricing Modell). Mit diesem Beta versucht man, den systematischen und damit oft den größten Teil der Rendite von Wertpapieren zu erklären. Der „unerklärte“ Rest der Rendite ist das famose „Alpha“. Aktive Fondsmanager streben nach Outperformance von Indizes bzw. positivem Alpha. Im Fama-French 3-Faktor Modell wurden Unternehmensgröße („Size“, mit der Annahmen dass kleiner besser ist als größer) und Wert („Value“, mit er Annahme dass das besser ist als das sogenannte „Growth“/Wachstum) als zusätzliche Faktoren eingeführt. Small und Value galten gegenüber Large und Growth als „positive“ Faktoren, mit denen es gelingen soll, Überrenditen zu erwirtschaften. Carhart fügte Momentum als vierten Faktor hinzu, der ebenfalls als positiver Faktor betrachtet wurde. In 2013 führen Fama und French mit Profitabilität und Investment weitere Faktoren ein (s. Fama/French: Average Returns, BM, Profitability and Growth, in Dimensional Quarterly Review 2013; dazu siehe auch Hu/Xue/Zhang. Digesting Anomalies: An Investing Approach, Working PaperOhio State University, 2012). Andere nennen als zusätzliche „positive“ Faktoren Qualität, Yield, Illiquidität und Low-Volatility (siehe Bender et al., Foundations of Factor Investing, MSCI 2013).

Inzwischen bezweifeln zahlreiche Wissenschaftler aber auch Praktiker, dass der Faktor Size heute (noch) positiv ist. In der Tat hat Small Cap lange Perioden von Underperformance gehabt. Einige ältere Studien sind angreifbar wegen des sogenannten „Survivorship Bias“ und andere Untersuchungen erklären einen Großteil vergangener Outperformance mit Illiquiditätsprämien oder Rebalancing-Effekten.

Die bisher genannten Faktoren beziehen sich fast ausschließlich auf Aktien. Andere systematische Risikofaktoren bzw. Risiken, die als wichtige Faktoren für Asset-Allokationen genannt werden, sind volkswirtschaftlicher Natur wie Konjunktur-, Zins- und Währungsrisiken aber auch demografische Risiken. Außerdem gibt es politische Risiken wie Kriege und rechtliche Risiken wie Regulierung bis hin zu Enteignungen. Und es gibt Natur(katastrophen-)risiken, marktsegmentspezifische Risiken wie Immobilienrisiken, Gegenpartei-Risiken, Kapitalstrukturrisiken (inkl. Liability-Risiken, also Risiken, die aus Zahlungsverpflichtungen resultieren), Liquiditäts- und operative und sicher noch einige andere Risiken. Man kann versuchen, diese Faktoren zu allokieren, z.B. in dem man Investments sucht, mit denen man an bestimmten Zinsänderungen oder Wechselkursentwicklung partizipieren kann. Oder man kann sein Portfolio gegen bestimmte diese Risiken absichern bzw. hedgen.

Allokationen über Assetklassen bzw. Faktoren gehen von möglichst großer Unabhängigkeit der Klassen bzw. Faktoren voneinander aus, um bestmögliche Diversifikationseffekte zu erreichen. In Bezug auf Faktoren gibt es zum Beispiel interessante Diskussionen, ob Investment und Profitabilität den von zahlreichen Faktoranhängern genannten Volatilitätsfaktor ersetzen können (s. Hue/Xue/Zhang 2012). Hinzu kommt eine weitere Schwierigkeit bei der Umsetzung in Portfolios: Wenn man keine klare Richtung annimmt wie „Low Volatility sollte man immer Long sein“, braucht man Indikatoren, die künftige positive oder negative Entwicklungen der Indikatoren anzeigen. Es ist nicht einfach, gute solche (Timing-)Indikatoren für die zahlreichen Faktoren zu finden.

Die Nutzung von Faktoren zur Portfolio-Analyse, die sogenannte Faktoranalyse, ist weniger umstritten als die Faktor-Allokation. Klassisch diversifiziert man seine Anlagen über die Anlageklassen Aktien, Anleihen, Rohstoffe etc.. Ross hat mit der Arbitrage Pricing Theory wohl die Grundlagen für die zunächst lineare Faktoranalyse gelegt. Gute Hedgefondsanalysten arbeiten schon seit Jahren mit Faktoranalysen, die auch auf nichtlinearen Zusammenhängen beruhen können. Mit einer faktorbasierten Analyse kann man einfach feststellen, dass z.B. auch Anleihen – gerade Unternehmensanleihen – und Rohstoffe von ähnlichen Faktoren abhängen können wie Aktien. Auch in der sogenannten Königsklasse der Investments, den Hedgefonds, stellt man oft zahlreiche (nicht-lineare) systematische „Alternative Betas“ fest und nur wenig Rest-Alpha.

Da es, abgesehen von einigen aktienspezifischen, bisher nur wenige effiziente faktorspezifische Investmentprodukte gibt, bietet sich ein anderes Vorgehen an, nämlich die Kombination von klassischer Assetklassen-Diversifikation mit Faktoranalysen. Faktoranalysen kann man dabei vor allem für die Abgrenzung und Gewichtung von Assetklassen nutzen mit dem Ziel, sogenannte Klumpenrisiken bzw. zu hohe Risikokonzentrationen zu reduzieren.

Fazit: Ebenso wie in Bezug auf Assetklassen ist es nicht einfach, klar voneinander abgrenzbare Faktoren zu finden, und noch weniger solche, die dauerhaft outperformen. Auch dauerhafte Underperformance von Faktoren ist interessant, wenn man die Möglichkeit hat, Short zu gehen bzw. bei Verlusten der Anlageklasse bzw. des Faktor zu „gewinnen“. Aber selbst wenn man attraktive Faktoren für die Diversifikation eines Portfolios findet, kann man diese nicht einfach „kaufen“. Einige – meist aktienbasierte – Smart Beta Produkte können zwar für „Renditefaktoreninvestments“ genutzt werden, aber für viele der oben genannten Faktoren gibt es aber (noch) keine Investmentprodukte. Assetklassen-spezifische Produkte gibt es jedoch in großem Umfang z.B. in Form von kostengünstigen ETFs, so dass eine Assetklassendiversifikation mit Unterstützung von Faktoranalysen effizient umsetzbar ist.