Versicherungsinvestments in Infrastruktur sind kein Autobahnraub

Der renommierte deutsche Wirtschaftsjournalist Norbert Häring spricht sich in seinem Blog www.norberthaering.de dagegen aus, dass die Finanzierung des Baus, der Renovierung und des Betriebs deutscher Autobahnen privaten Investoren überlassen wird und bezeichnet das als „Autobahnraub“. Hauptargument: Der Staat kann sich zur Zeit sehr günstig verschulden und somit Geld zum Nulltarif leihen. Wenn Infrastrukturinvestments so attraktiv sind, dass sich private Geldgeber dafür finden, dann sollte lieber der Staat weiter Schulden aufnehmen, um diese attraktiven Renditen selbst zu erreichen. Müsste der Staat dann aber mit dem gleichen Argumente nicht auch Immobilien auf Kredit kaufen oder Aktien?

Fakt ist, dass der deutsche Staat bereits sehr hoch verschuldet ist. Die Schuldenbremse kann derzeit nur eingehalten werden, weil die Kreditzinsen so niedrig sind. Einerseits werden die Staatsschulden aber künftig eher noch höher, da die staatlichen Ausgaben für die Altersvorsorge weiter steigen werden: Die Menschen leben heute zum Glück recht lange und die sinkende Zahl von Rentenbeitragszahlern im Vergleich zu Rentenempfängern wird die Staatshaushalte aufgrund der demografischen Entwicklung ebenfalls weiter belasten. Die private Altersvorsorge wird also wichtiger.

Um diese sicher zu stellen, müssen deutsche Versicherungen über attraktive Kapitalanlagen verfügen. In den vergangenen Jahren sind Versicherungen mit ihren Anlagen, die zu einem hohen Teil aus deutschen Staatsanleihen, Länderanleihen und kommunalen Pfandbriefen bestehen, recht gut gefahren. Bei den aktuell niedrigen, teilweise sogar negativen Verzinsungen, gerät die Kapitalanlage von Versicherungen und damit die private Altersvorsorge aber unter Druck.

Die Versicherungen müssen aber auch künftig zu einem erheblichen Teil in solche niedrig-rentierlichen Anlagen investieren. Dazu werden sie durch staatliche Vorgaben (Stichwort „Solvency-Regeln“) praktisch gezwungen. So müssen z.B. Infrastrukturinvestments von Versicherungen mit sehr viel Eigenkapital unterlegt werden, was die Kosten solcher Investments aus Versicherungssicht enorm erhöht. Wenn diese Regeln nicht gelten würden, würde es für den Staat wahrscheinlich sehr viel teurer, sich zu verschulden. Heute verzichten also die Versicherungen und damit die private Altersvorsorge aufgrund staatlicher Vorgaben auf Kapitalerträge in riesigem Umfang.

Anlagen in gute Infrastruktur sind – ähnlich wie Anlagen in gute Immobilien oder gute nicht-börsennotierte Unternehmen (Private Equity) – grundsätzlich attraktiv für Versicherungen. Solche Anlagen sind allerdings oft auch illiquide. Bei illiquiden Anlagen ist besonders auf die Risiken zu achten. Insbesondere politische und Währungsrisiken sind bei illiquiden Anlagen wichtiger als bei liquiden Anlagen, die man bei „Gefahr“ schnell verkaufen kann. Infrastruktur, Immobilien und auch Private Equity in Deutschland haben für deutsche Anleger keine Währungsrisiken und sollten recht geringe politische Risiken im Vergleich zu solchen langfristigen illiquiden Anlagen in vielen anderen Ländern haben. Für Anleger aus anderen Währungsräumen sind die Währungsrisiken für Anlagen in Deutschland aber nennenswert. Im Euro-Raum gibt es aber auf absehbare Zeit nicht sehr viele potentielle private Großinvestoren für illiquide Assets. Bürger und Politiker sollten deshalb froh sein, wenn deutsche Versicherungen ihre illiquiden Investments in Deutschland tätigen wollen.

Richtig ist: Der Staat muss monopolartige Strukturen – wie sie in vielen Infrastruktursegmenten vorkommen – weiter überwachen, z.B. die Preise für die Nutzung und auch die Qualität der Infrastruktur. Der Staat sollte auch nicht für die Fehler privater Autobahnbauer bzw. Betreiber haften. Und private Investoren müssen die Ausfallrisiken ihrer Investments übernehmen. Für die Übernahme von Risiken müssen diese privaten Parteien aber auch adäquate Renditen erzielen können.

Wenn der Staat schon so billig an Geld kommt und das investieren möchte, dann sollte er sich auf Investitionen konzentrieren, die private Investoren nicht interessieren, aber die für die Gesellschaft wichtig sind. Dafür wird z.B. der soziale Wohnungsbau genannt. Dieses Beispiel ist möglicherweise aber auch nicht viel besser als das der Autobahnfinanzierung. Vielleicht ist es für alle Parteien besser, wenn der Staat bedürftigen Bürgen Wohnzuschüsse gibt statt selbst direkt in den Immobilienmarkt eingreift. Aber das ist ein separates Thema.

Last but not least: Wenn Bürgern private Autobahnen zu teuer werden, können sie immerhin noch auf einige alternative Straßen oder Verkehrsmittel ausweichen. Steuerzahler können zusätzlichen Staatsschulden aber nicht legal entkommen.