Viele deutsche Banken sind noch zurückhaltend mit dem Einsatz von Robo-Advisors (siehe hier). Das scheint daran zu liegen, dass viele Angst vor der Gefährdung ihres Bestandsgeschäftes („Kannibalisierung“) haben. Außerdem sehen sie ihre Margen im Neugeschäft als gefährdet an. Banken verdienen derzeit noch sehr gut am Verkauf von Investmentfonds, für die sie Vertriebsprovisionen erhalten.
Unabhängige Robo-Advisors dagegen bieten überwiegend niedrigmargige Vermögensverwaltungen auf Basis von kostengünstigen Indexfonds (ETFs) an.
Keine Kannibalisierung: Aktive Fonds werden online verkauft
Manche Volksbanken verfolgen ein anderes Modell und bieten über ihren White-Label Robo-Advisor Meininvest überwiegend relativ teure Investmentfonds zu für sie attraktiven Gebühren an (siehe z.B. hier).
Kaum Kannibilisierung: Eigenes aktives Management wird online verkauft
Die Sparkassen mit Bevestor, Hauck & Aufhäuser zunächst mit Easyfolio flex und später mit Zeedin, die Deutsche Bank mit Robin und auch die Warburg Bank mit ihrem Navigator und die Fürstlich Castell’sche Bank gehen einen ähnlichen Weg. Sie nutzen zwar oft überwiegend günstige ETFs, verkaufen aber vor allem ihr „aktives“ Investmentmanagement-Knowhow. Dafür verlangen sie relativ hohe Gebühren.
Die ING (Diba) geht anders vor und bietet über den unabhängigen Anbieter Scalable „aktives“ Risikomanagement an, das bisher so nicht von ihr angeboten wurde. Dafür werden Gebühren verlangt, die etwas oberhalb der Gebühren anderer unabhängiger Robo-Advisors liegen.
Ausnahme: Günstige passive Angebote
Banken, die wie Quirion von der Qurinbank klassische Robo-Services, also vor allem günstige ETF-Portfolios anbieten, sind bisher eher selten. Für die Quirinbank ist das Kannibalisierungsrisiko allerdings gering, da Quirin Honorarberatung und keine Provisionsberatung anbietet.
Vielleicht erklären diese für Kunden relativ teuren und nicht wirklich neuen Angebote, warum bankabhängige Robo-Advisors in Deutschland bisher noch nicht besonders erfolgreich mit der Neuakquise von Vermögen waren. Positiv ausgedrückt hat bisher noch keine nennenswerte Kannibalisierung von Bestandsumsätzen stattgefunden.
Robo-Ziel: Verwaltungskosten sparen
Günstige Angebote für Endkunden stehen bei den meisten Banken also bisher offenbar selten im Vordergrund.
Einige Banken haben aber erkannt, dass sie durch die Nutzung von Robo-Advisors Verwaltungskosten sparen können. Schließlich übernehmen Anleger selbst und Depotbanken bei Robo-Advisors Aufgaben, für die sonst teure Berater bzw. Vermögensverwalter eingesetzt werden müssen. Um nennenswert Kosten einsparen zu können, sind aber hohe Umsätze über Robo-Advisors nötig.
Anti-Kannibalisierung: Neuartige Portfolios online anbieten
Aber es gibt noch weitere Ansätze. So könnten Banken Portfolios online anbieten, die sie offline nicht im Angebot haben. Ich denke dabei vor allem an verantwortungsvolle (ESG) Investments. Diese sind erklärungsbedürftig und es ist sehr aufwändig, den Bankvertrieb umfassend darauf zu schulen.
Problematisch ist vor allem, dass Anleger gerade in Bezug auf verantwortungsvolle Investments sehr unterschiedliche Vorkenntnisse und Vorstellungen haben. Das macht eine persönliche Beratung besonders zeitaufwändig und teuer. Online kann man dagegen viele Informationen effizient bereitstellen, idealerweise sogar ergänzt um Selbstlernprogramme.
Es ist gar nicht so schwer, verantwortungsvolle Portfolios zu verkaufen (siehe hier).
Obwohl es schon sehr viele Fonds- und ETFs gibt, können ausser verantwortungsvollen noch weitere attraktive Portfolios gefunden werden, die man online anbieten kann ohne das Bestandsgeschäft zu kannibalisieren.
Meine Firma Diversifikator hat sich auf neuartige Portfolios spezialisiert. Die Weltmarktportfolios mit ihrer passiven Asset Allocation sind besonders gut für den Onlineverkauf geeignet. Sie stehen zwar inhaltlich im direkten Wettbewerb mit aktiv gemanagten Multi-Asset Fonds. Aber sie können nicht nur durch die andere Investmentphilosophie sondern auch als fondsgebundene Vermögensverwaltung statt als Dach- oder Einzelfonds durchaus von diesen differenziert werden.
Alternatives-Robo
Noch einfacher dürfte es sein, die Immobilienaktien bzw. Infrastrukturaktienportfolios online ohne Kannibalisierungsrisiko anzubieten. Solche Fonds bieten bisher nur sehr wenige Banken bzw. Vermögensverwalter aktiv an, dabei stehen sie für komplette Anlageklassen. Ähnliches gilt für das Alternatives-ETF Portfolio: Dessen Inhalte werden Anleger bisher kaum über traditionelle Vertriebskanäle angeboten. Auch diese Portfolios kann man z.B. durch Kombinationen mit Tagesgeld auf mehrere Risikoklassen anpassen, um so ein breites Online-Angebot zu ermöglichen.
Wenn es gelingt, Anlegern neue Produkte mit „Selbstberatung“ zu verkaufen (siehe z.B. hier), können online Angebote sehr attraktiv werden, da nur eine geringe Kannibalisierung des Bestandsgeschäftes zu erwarten ist.
Ziel: Bestandskunden halten
Außerdem sollten Banken bedenken, dass gerade jüngere Anleger heute verantwortungsvolle bzw. interessante Geldanlageangebote erwarten. Vielleicht kann man bald Kundenabwanderung nur verhindern, wenn man aktiv solche Angebote macht.
Ich bin gespant, wann die erste Bank bzw. der erste große Vermögensverwalter sich an das Thema traut. Dabei helfe ich gerne!