Servicepauschale statt Honorar-Stundensatz

Honorarberatung ist eine Finanzberatung gegen Honorar, welches vom Anleger bezahlt wird. Diese Art von Beratung ist in Deutschland noch kaum vertreten. Hier ist Provisionsberatung vorherrschend: Der Kundenberater bekommt seine Beratungs-(bzw. Verkaufs)leistung indirekt durch eine Provision vom jeweiligen Produktanbieter bezahlt. In den Niederlanden und Großbritannien ist die Provisionsberatung inzwischen verboten. In Deutschland wurde ein Verbot diskutiert aber bisher nicht umgesetzt. Künftig müssen Produktanbieter jedoch nachweisen, dass die von ihnen gezahlte Provision zu Qualitätsverbesserungen in der Beratung führt. Es bleibt abzuwarten, welche Anforderungen an die Begründungen für Qualitätsverbesserungen gestellt werden. Bei scharfer Auslegung kann das ein „Provisionsverbot durch die Hintertür“ sein. Das erwartet aber kaum jemand in Deutschland.

Was mich bei der Diskussion am meisten wundert, ist, dass bei Honorarberatung fast nur über Kosten in Form von Beratungsstundensätzen gesprochen wird. Interessenvertreter der Honorarberater nennen mindestens EUR 150 pro Stunde, die für eine qualifizierte Beratung bezahlt werden sollte. Quirion von der Quirin-Bank zum Beispiel bietet telefonische Beratung für EUR 37,50 pro 15 Minuten an.

Kritiker der Honorarberatung führen an, dass alleine schon die Situationsanalyse des Kunden inklusive Beratungsprotokoll mehr als eine Stunde dauern kann. Künftig werden zudem höhere Anforderungen an die laufende Betreuung von Kunden gestellt. Kritiker bemängeln, dass sich Kleinanleger diese Beratung kaum leisten könnten und dann lieber Produkte ohne Beratung kaufen würden, was für diese Anleger nachteilig sein könnte. Diese Entwicklung könne man nach dem Provisionsverbot in Großbritannien sehen.
Kritiker behaupten, dass Kleinanleger beim traditionellen Provisionsmodell Beratung erhalten würden, die durch die Provisionen finanziert würden. Wenn man nachrechnet, wird die Diskussion schnell rationaler: Ein typischer deutscher Haushalt verfügt nur über etwa EUR 11.000 in Wertpapieren (Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamtes für 2012, ohne Versicherungsanlagen). Nehmen wir an, dass der durchschnittliche Provisionsberater 1% p.a. laufende Provision an einem Wertpapier verdient (was hoch angesetzt ist) und keinen Ausgabeaufschlag mehr durchsetzen kann (einige Banken scheinen diese aber noch zu vereinnahmen): Dann erhält dieser Berater EUR 110 p.a. für diesen Haushalt, sofern er ihn komplett betreut. Dafür wird der Provisionsberater kaum mehr als eine Stunde Betreuung bzw. Beratung im Jahr investieren wollen.

Alternativ kann sich der durchschnittliche deutsche Haushalt eine Beratungsstunde beim Honorarberater leisten. Die Hürden dafür sind aber hoch: Der Kunde muss sich einen solchen Berater suchen, ihm sein Finanzen im Detail erklären, und dann noch die Hürde überwinden, einen Vertrag zu unterschreiben nachdem er EUR 150 pro Stunde zahlt und nicht sicher ist, was er dafür bekommt. Den Provisionsberater kennt er vielleicht schon, der Berater kennt ihn und ein Produkt ist oft auch schnell identifiziert für den Kunden.
Warum mögen Provisionsberater keine Beratung gegen Stundensätze? Die neue Honorarberatungsregulierung erlaubt ihnen doch nur noch sich unabhängig zu nennen, wenn sie Honorarberatung anbieten. Das ist doch ein starker Anreiz, auf Honorarberatung umzustellen. Aber Berater haben nur eine begrenzte Anzahl von Stunden zu verkaufen. Viele ihrer Arbeitsstunden können nicht verkauft werden, weil sie der Administration oder Reisen dienen oder nicht zu den Zeiten des Kunden passen. Das Modell ist für sie also nicht skalierbar und damit oft finanziell nicht attraktiv genug.

Aber Verbraucherschützer mögen keine Provisionsberatung: Sie befürchten, dass dabei Produkte mit höheren laufenden Provisionen verkauft werden, weil Provisionsberater mehr an diesen verdienen. Teure Produkte kosten aber Rendite und sind daher nicht unbedingt die besten Produkte für Anleger. Bei Ausgabeaufschlägen bzw. Einmal-/Vorabprovisionen haben Verbraucherschützer zudem die Sorge, dass Kunden unnötig zum Wechsel von Produkten verleitet werden, denn jeder Produktwechsel bringt neue Einmal-/Vorabprovisionen. Als Produktanbieter oder Provisionsberater kann man ganz gut argumentieren, dass die Beratung bzw. der Aufwand vor der Kundeninvestition erfolgt und daher Einmalgebühren berechtigt sind. Aber Produktwechsel sind oft mit hohen bzw. unnötigen Transaktionskosten verbunden. Ein Verbot von Einmal/Vorabprovisionen ist daher einfacher zu begründen als ein Verbot von laufenden Provisionen, die zumindest nicht zu unnötigen Produktwechseln verleiten.

Neben Provisionsberatung und stundenbezogener Honorarberatung gibt es aber ein drittes Modell, welches bisher kaum diskutiert wurde: Die vom Kunden bezahlte Servicepauschale, eine zweite Ausprägung der Honorarberatung. Aus Sicht von Honorarberatern ist das interessant: Statt eines Stundenhonorars vom Kunden bekommen sie eine Pauschale, die z.B. von den betreuten Anlagevolumina abhängig sein kann, also z.B. 1% p.a auf die beratenen Anlagen. Die Berater werden also vom Kunden bezahlt und nicht mehr vom Produktanbieter, haben aber grundsätzlich die gleichen Einnahmemöglichkeiten wie im Provisionsberatungsmodell. Das kann dazu führen, dass sie z.B. künftig mehr günstige ETFs (Exchange Traded Fonds) für ihre Kunden selektieren statt teuer Fonds, da sie nicht mehr von Anbieterprovisionen abhängig sind. Mögliche Fehlanreize gibt es allerdings auch in diesem Modell: So verdient der Berater mehr, wenn die betreuten Kapitalanlagen steigen. Der Berater hat so einen Anreiz, geldmarktähnliche Fonds statt Giro/Festgeld oder Sparanlagen zu empfehlen, für die er im Zweifel keine Provisionen bekommt. Er hat auch einen Anreiz, gehebelte Investments zu empfehlen, auf die Provisionen auch auf das gehebelte Volumen anfallen können.

Solche Fehlanreize sind aber zu managen. Gute Berater sind an der langfristigen Zufriedenheit ihrer Kunden interessiert. Es sollte auch im Sinne von Verbraucherschützern sein, dass gute Berater auf ein Honorarberatungsmodell umstellen. Das wird Beratern mit einem Servicepauschalen-Modell sehr viel einfacher fallen als mit einem stundensatzbasierten Honorarmodell.

Technisch ist das Servicepauschalenmodell recht einfach umzusetzen: Honorarberater benötigen immer einen Vertrag mit ihren Kunden, in dem das vermögensbasierte Honorar vertraglich zugesichert wird. Das Honorar kann dann direkt von Depotbanken an die Berater abgeführt werden. Das wird zwar nicht dazu führen, dass die typischen Kunden mit einem Depot von 11.000 EUR plötzlich mehr beraten werden als vorher. Aber die Beratungsintensität sollte auch nicht sinken, wie es bei stundenbasierten Honorarmodellen der Fall sein kann, auch weil Kunden in dem stundenbasierten Modell immer wieder die Zustimmung für weitere Beratungsstunden- bzw. Zahlungen geben müssen, sofern sie nicht pauschale Beratungsstunden vereinbart haben. Insgesamt sollte der Kunde von einem Servicepauschalenmodell profitieren, weil er jetzt günstigere Wertpapiere (ohne Provisionen) ins Depot bekommt und dadurch eine bessere Rendite erreichen kann als bisher. Bei einer besseren Rendite steigt auch die Zufriedenheit des Anlegers und das sollte auch für den Berater positiv sein.

Ein solches Servicegebührenmodell macht den Umstieg von klassischen Provisionsberatern auf „Honorarberatung“ wesentlich leichter und führt dazu, dass der Anleger seinen Berater einfacher behalten kann. Vielleicht führt das sogar zum – von Verbraucherschützern lange gewünschten – Aufschwung für die Honorarberatung zu Lasten der Provisionsberatung.

Es gibt aktuell allerdings eine Hürde für die Honorarberatung, sei es stundenbasiert oder Servicepauschalen-basiert: So gibt es einen steuerlichen Nachteil gegenüber der Provisionsberatung. Provisionen sind derzeit umsatzsteuerbefreit, wenn sie vom Produktanbieter an den Berater gezahlt werden. Wenn der Kunde eine Servicepauschale oder Stundenhonorar an den Berater zahlt, fällt dagegen Umsatzsteuer an. Das macht diese Art der Bezahlung um 19% teurer als die anbieterbezahlte Provisionen. Hierfür sollte eine befriedigende Lösung gefunden werden.