Gegensätzlicher kann es kaum sein: Vereinfacht bieten Family Offices persönliche und komplexe Services und Kapitalanlagen für Reiche und Robo-Advisors bieten online standardisierte Portfolios für Kleinanleger an. Das sieht nicht so aus, als wäre eine Zusammenarbeit interessant. Wenn man das Thema detaillierter analysiert, ändert sich das Bild jedoch.
Sogenannte Family Offices verwalten Familienvermögen. Professionelle Vermögensverwaltungen mit mehreren Angestellten lohnen sich erst ab mehreren hundert Million Euro Anlagevermögen. Aber auch Familien mit geringeren Vermögen lassen sich gerne von Profis beraten, die ihre speziellen Probleme kennen und lösen können. Viele Familienvermögen werden in und mit Unternehmen erwirtschaftet. Unternehmerische Fragen aber auch Erbschafts- und Steuerthemen und Stiftungsthemen bzw. Schenkungen müssen daher adäquat berücksichtigt werden. Außerdem investieren Family Offices oft in komplexe Segmente wie Unternehmensbeteiligungen, Immobilien oder auch Hedge Fonds. Family Offices brauchen also hochqualifizierte Mitarbeiter, und die sind nicht billig. Daher haben selbst Family Offices großer Familien oft nicht sehr viele Mitarbeiter. Banken und andere Anbieter bieten Family Office Services für mehrere Familienvermögen in Form von sogenannten Multi-Family Offices an. Auch Multi-Family Offices renommierter Anbieter sind allerdings nicht immer konfliktfrei, wie vergangene Diskussionen um Sal. Oppenheim zeigen.
Es gibt durchaus gute Gründe für Family Offices, Robo-Advisors zu nutzen. Auch Family Offices sind an günstigen Geldanlagen interessiert. In der Vergangenheit wurden dafür oft Spezialfonds für Familien aufgelegt. Selbst als sogenannte Umbrella-Konstruktionen mit separaten Teilvermögen für unterschiedliche Familienangehörige oder Investmentvorhaben haben diese Fonds einige Nachteile: Hoher Gründungsaufwand, relativ hohe laufende Kosten und vor allem hohe Mindestanlagen für Familienmitglieder, die anders als der Rest der Familie anlegen wollen. Viele der vermögenden Familien bestehen aus zahlreichen Mitgliedern mehrerer Generationen mit eigenen Vermögen außerhalb der Family Office Verwaltung und mit eigenen Zielen. Daher sind oft sehr flexible Geldanlagemöglichkeiten gefordert.
Die Performances der Kapitalanlagen von Family Offices sind für Externe nicht transparent. Es ist aber anzunehmen, dass sie auch nicht besser abschneiden als gute aktive Fondsmanager. Und selbst gute aktive Fondsmanager schlagen ihre Benchmarks dauerhaft nur sehr selten. Auch der Versuch, die besten fremden externen Geldmanager zu finden, ist aufwändig und schwierig. Vielleicht sollten sich Family Officer also auf illiquide Anlagen fokussieren und liquide Anlagen über Indexfonds umsetzen. Oder sollten sich Family Officer sogar ganz auf Erbschafts- , Steuer- und philanthropische Themen fokussieren, bei denen sie wahrscheinlich mehr Wert für ihre Klienten schaffen können, als wenn sie sich selbst um die Geldanlage kümmern?
Für die liquiden Anlagen bieten sich individuelle Kombinationen von kostengünstigen ETFs zu eigenständigen Portfolios an. Allen – auch den jungen – Mitgliedern von oft geografisch weit verzweigten Familien gute persönliche Beratung zukommen zu lassen, ist gar nicht so einfach. Das wird insbesondere dann schwierig, wenn die Familienmitglieder Services ausserhalb von üblichen Geschäftszeiten haben möchten oder wenn sie auch auf Reisen oder aus dem Urlaub, der nicht immer nur in Deutschland gemacht wird, Zugang zu ihren Anlagen haben wollen. Außerdem sind inzwischen Familienmitglieder aller Altersgruppen gewohnt, viel online machen zu können.
Kostengünstige Angebote mit permanentem Onlinezugriff sind aber genau die Stärke von Robo-Advisors. Was spricht also dagegen, wenn das Family Office Portfolios auch über Robo-Advisors einkauft bzw. seinen Familienmitgliedern anbietet? Als erstes muss sicherlich die Vertraulichkeit geklärt werden. Family Offices sind meist sehr öffentlichkeitsscheu und wollen die Privatsphäre ihrer Mitglieder bestmöglich schützen. Der ideale Robo-Advisor sollte also sicherstellen, dass die Daten der Anleger möglichst vertraulich behandelt werden.
Natürlich sollten die Robo-Portfolios auch attraktiv sein. Der typische Robo-Advisor bietet heute nur einige „Markowitz-optimierte“ Portfolios an, die meist nur wenige Anlagesegmente enthalten. Ausnahme ist z.B. das Bad Homburger Unternehmen Liqid, an dem das Multi-Family Office HQ Trust beteiligt ist. Liquid bietet auch Zugang zu alternativen Anlagen an. Andere Robo-Produkte, die besonders interessant für Family Office Mitglieder sein könnten, sind „verantwortliche“ Produkte. So bietet der von mir gegründete „Semi-Robo“ Diversifikator ESG-ETF Portfolios an, die es sonst bisher nicht in dieser Form gibt. Auch das „Alternatives“ Portfolio von Diversifikator mit Immobilien-, Infrastruktur, Forst-, sonstigen Rohstoff- und Private Equity Aktien aus der ganzen Welt könnte für „kleine“ Familienmitglieder attraktiv sein. In der nächsten Stufe sind dann möglicherweise individualisierte online ETF-Portfolios gefragt, die es in den USA schon gibt. Mit Robo-Advisors können Familienmitglieder so spielerisch und erzieherisch an Geldanlagen herangeführt werden.
Sind Robo-Advisors für Family Offices also doch kein Quatsch? Jedenfalls bin ich mit meiner Meinung nicht ganz alleine, wie eine Online-Suche mit den Stichworten „Robo“ und „Family Office“ ergibt.
Interessenkonflikt: Ich biete auf www.diversifikator.com u.a. ESG-Musterportfolios für anspruchsvolle Anleger und Berater, darunter auch Family Offices, mit einem Small-Data-Ansatz an.