Anlageberater, Vermögensverwalter und auch Robo-Advisor werden schon jetzt stark reguliert. Ob die Regulierung aber zielführend ist, kann hinterfragt werden. So sind die künftig geltende Telefonaufzeichnungspflicht und vielfältige regelmäßige Risikoabfragen und Geeignetheitsprüfungen der Anleger große Herausforderungen für Finanzdienstleister. Und eine noch weitergehende Regulierung ist zu erwarten. Manche weitergehenden bzw. noch nicht beschlossenen Regulierungen können aus Anlegersicht aber sehr sinnvoll sein.
Im IOSCO (International Organization of Securities Commissions) Final Report „Automated Advice Tools Survey Report“ vom Dezember 2016 (hier: IOSCO-Report) werden einige Themen adressiert, die heute in der Regulierungsdiskussion in Deutschland noch keine Rolle spielen. Andere aus Anlegersicht wichtige offene Themen werden in dem Report aber gar nicht erwähnt.
Erstens wird im IOSCO-Record auf „Knowledge Gaps“ von Anlegern hingewiesen. Aber Anlageberatung – ob automatisiert oder persönlich – kann nie in der Lage sein, alle potentiellen „Knowledge Gaps“ von Anlegern zu füllen. Allerdings ist eine umfassende Aufklärung nur mit Hilfe von Online-Dokumentationen effizient möglich. Es wäre hilfreich, wenn die Aufsicht eine Liste von unbedingt zu adressierenden möglichen Themen bzw. Wissenslücken erstellen würde.
Zweitens wird im IOSCO-Report kritisiert, dass Kapitalanlagemodelle nicht voll transparent für Anleger sind. Es gibt drei wichtige Modellkomponenten: Asset Allokation, Wertpapierselektion und Risikomanagement. Asset-Allokationen erfordern in der Regel Prognosen für Renditen, Risiken und Korrelationen von Anlagen für mehrere Perioden bzw. Simulationen und/oder Szenariorechnungen. Aber selbst wenn alle Prognosen und die Modelle im Detail offen gelegt würden, könnten auch professionelle Anleger sie kaum nachvollziehen.
Ähnliches gilt für Risikomanagementmodelle und auch für die Auswahl einzelner Wertpapiere. Traditionelle Berater bzw. Portfoliomanager legen solche Modelle in der Regel auch nicht offen. Welche Transparenzanforderungen wird die Aufsicht künftig haben? Vorschlag: Es könnte gefordert werden, die hinter diesen Tools stehenden Investmentphilosophien bzw. Anlageprinzipien sowie die wichtigsten Selektionsegeln der jeweiligen Portfolios möglichst transparent zu machen.
Im IOSCO-Report wird auch erwähnt, dass von einigen internationalen Robo-Advisors Entscheidungsbäume statt Optimierer für die Kapitalanlage genutzt werden. Entscheidungsbäume können wesentlich transparenter als Optimierer sein. Sollte die Aufsicht solche Modelle künftig sogar präferieren, weil sie transparenter sind? Das spricht für bisher in Deutschland noch kaum anzutreffende Nutzung von Entscheidungsbäumen zur Portfoliozusammenstellung, also für Asset Allokation und Wertpapier-Selektion sowie ggf. Risikomanagement. Und auch solche Entscheidungsbäume sind besser online darstellbar als offline.
Ein wichtiger Punkt, der jedoch nicht vom IOSCO-Report adressiert wird: Fast alle (Robo-)Berater bzw. Portfoliomanager bieten sogenannte defensive Portfolios an. In solchen Portfolios spielen Anleihen die Rolle risikoarmer Anlagen. Sehr viele Anlageprofis erwarten kurzfristig aber auch auf längere Sicht erhebliche Zinsanstiege. Das könnte zu nennenswerten Verlusten von Anleiheportfolios führen. Sollten solche Portfolios nicht mehr als defensiv bzw. risikoarm bezeichnet werden dürfen bzw. in welcher Form sollten traditionelle und neue automatisierte Anbieter auf solche Risiken hinweisen? Statt einer schwierigen Regelung von Begriffen könnte die Aufsicht verlangen, dass Vergangenheitsentwicklungen bzw. -daten als Basis für Portfoliobildungen nur genutzt werden dürfen, wenn man von ähnlichen Entwicklungen in der Zukunft ausgeht. Anbieter müssen dann zeigen, warum sie so gute Anleiheentwicklungen wie in der Vergangenheit annehmen, wenn sie Anleihen für defensive Portfolios nutzen wollen. Dass muss aber natürlich auch für traditionelle Anbieter gelten.
Der weitere wichtiger Punkt, der im IOSCO-Report nicht adressiert wird, ist das Thema Vergütungsmodelle. Vom Anleger zu bezahlende Kosten je nach Zeitaufwand der Beratung („Honorarberatung“) werden bisher nur von wenigen Anlegern akzeptiert. Anleger scheinen lieber eine prozentuale Gebühr auf ihre Vermögensanlagen zu zahlen, so wie es von den meisten Robo-Advisors auch genutzt wird. Was spricht dagegen, dieses Modell auch als Honorarberatung zu bezeichnen, sofern sonst auch alle weiteren Anforderungen an Honorarberater eingehalten werden? Das würde nicht nur den Robo-Advisors helfen sondern allen Beratern, die gerne direkt von Kunden bezahlt werden wollen anstatt von Anbietern. Damit könnte die Honorarberatung in Deutschland für Anbieter und Kunden attraktiv werden.
Die am weitesten gehenden Forderungen wären:
– Viel mehr „Education“ für Anleger
– Viel mehr Transparenz durch Portfolioanbieter, vor allem in Bezug auf Allokationen, Wertpapierselektion und Risikomanagement
– Verbot der unbegründeten Nutzung von „Vergangenheitsentwicklungen/-daten“
– Vom Anleger bezahlte volumensabhängige Gebühren als gleichwertig zu sonstigen „Honoraren“ zu akzeptieren