Artikel 9 ETF Portfolios: Eichhörnchenbild als Symbol von Pixabay

Artikel 9 ETF-Portfolios bzw. PAB ETF-Portfolios sind attraktiv

2015 gab es bereits unterschiedliche nachhaltige Aktien- und Anleihe-ETFs. Ich habe die konzeptionell nachhaltigsten ETFs für das Portfolio ausgewählt. Das waren zu dem Zeitpunkt  Socially Responsible Investment (SRI) ETFs auf Basis von Indizes von MSCI. Die relativ große Anzahl von Ausschlüssen und die Strenge der ESG-Ratinganforderungen waren dabei ausschlaggebend für meine Indexauswahl und damit die ETF-Selektion.

Für die ETF-Auswahl habe ich klare Regeln definiert, die ich Ende 2016 um Selektionsregeln für individuelle Aktien ergänzt habe. Diese Regeln waren 2018 die Basis für die Entwicklung des Policies for Responsible Investment Scoring Concepts für die Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA PRISC, vgl. PRISC Tool Webanwendung | DVFA). Damit können neben Ausschlüssen und ESG-Ratings auch Impact-, Stimmrechtsausübungs- und Engagement-Aspekte von Portfolios berücksichtigt werden.

Meine zweite nachhaltige ETF-Portfoliogeneration: Ratingbasierte Selektion

2021 wurden bereits sehr viele nachhaltig genannte ETFs auf Basis unterschiedlichster Indizes angeboten. Damit wurde die konzeptionelle Analyse aller potenziell relevanten Indexkonzepte sehr aufwändig. Außerdem standen mir erstmals verlässliche und detaillierte Nachhaltigkeitsratings für ETFs zur Verfügung.

Die von mir genutzten ESG-Ratings ergeben sich aus den Ratings der einzelnen Bestandteile der ETFs, also der Aktien oder Anleihen. Diese Ratings hatte ich bereits erfolgreich für die Selektion einzelner Aktien genutzt.

Die von mir ausgewählten ETFs mussten zusätzlich zu den Anforderungen des Vorjahres mindestens zu den besten 50% der ETFs sowohl nach ökologischen als auch nach sozialen und Unternehmensführungsratings gehören (Governance). Damit sollte ausgeschlossen werden, dass z.B. besonders ökologische ETFs in Portfolio kommen, die nach Sozial- oder Governancekriterien unterdurchschnittlich abschnitten, was bei der Nutzung aggregierter ESG-Ratings vorkommen kann.

Überraschende Ergebnisse: Schlechter kann besser sein

Bemerkenswert ist, dass als relativ wenig nachhaltig gekennzeichnete ETFs, also zum Beispiel sogenannte ESG ETFs, teilweise bessere ESG-Ratings haben, als besonders nachhaltig benannte ETFs, also zum Beispiel SRI ETFs. Ein Beispiel war ein Value Factor ESG ETF für US-Aktien. Dieser hatte bessere ESG-Ratings als ein SRI ETF für US-Aktien, der mehr und härtere Ausschlusskriterien nutzt und grundsätzlich höhere ESG-Ratinganforderungen hat. Den Unterschied machten dabei vor allem die besseren Governanceratings beim ESG ETF aus.

Ein weiteres überraschendes Ergebnis war die Asien-ETF Allokation für ein institutionelles Mandat. Hier hatte ein gar nicht als nachhaltig ausgewiesener FTSE Developed Asia Pacific ex Japan bessere ESG-Mindestratings als ein MSCI Pacific ex Japan SRI PAB ETF (PAB: Paris Aligned Benchmark, ein Indikator für eine hohe Umweltqualität). Den Unterschied machten vor allem die besseren Sozialratings beim FTSE-basierten ETF.

Für ein Mandat haben wir die aus unserer Sicht nachhaltigsten ETFs explizit hinsichtlich kirchlicher Ausschlusskriterien geprüft. Wie erwartet, konnten bei einem nicht speziell als nachhaltig ausgewiesen ETF bestimmte Aktivitäten in den bei einem SRI ETF explizit ausgeschlossenen Bereichen wie fossiler Energieproduktion festgestellt werden. Dafür waren bei dem SRI ETF teilweise erheblich höhere Anteile von Aktien in vom Kunden als kritisch angesehenen Bereichen festzustellen, die beim SRI ETF nicht explizit ausgeschlossen waren, wie zum Beispiel bei Glücksspielaktivitäten. Insgesamt wurden beim SRI ETF sogar mehr Fondsanteile (% der Allokation) als aus Kirchensicht kritisch eingestuft als beim nicht als nachhaltig ausgewiesen ETF.

Meine dritte nachhaltige ETF-Portfoliogeneration: Artikel 9 ETF-Portfolios

Produkte nach Artikel 9 der Offenlegungsverordnung (SFDR) sollten nachhaltige Investitionen als Hauptziel haben, während Produkte nach Artikel 8 nur – neben anderen – auch ökologische oder soziale Eigenschaften berücksichtigen sollten. Ich bin überzeugt, dass künftig vorzugsweise Artikel 9 Fonds angeboten werden, wenn Anleger konsequent nachhaltig anlegen wollen (vgl. Artikel 9 als neuer Nachhaltigkeitsstandard? – Der Stiftungsblog für die Stiftungspraxis (stiftungsmarktplatz.eu)). Deshalb habe ich geprüft, ob meine nachhaltigen ETF-Portfolios auf Artikel 9 umgestellt werden können und was sich damit ändern würde. Dabei sollten aber die Mindestanforderungen an die ESG-Ratings erhalten bleiben.

Die Recherche ergab, dass es zu meinem diesjährigen ETF-Selektionsstichtag (Ende Oktober 2022) für fast alle für mich relevanten Anlagesegmente ETFs nach Artikel 9 gab. Mir fehlten nur Artikel 9 ETFs für Infrastrukturaktien und Anleihen von multilateralen Entwicklungsbanken. Allerdings lag mir die Absichtserklärung eines Anbieters vor, einen ETF für Anleihen multinationaler Entwicklungsbanken von Artikel 8 auf Artikel 9 zu ändern.

Überwiegend PAB ETFs

Die nachhaltigsten Artikel 9 Aktien-ETFs sind dabei in der Regel „Paris Aligned“ (PAB) ETFs. Das bedeutet, dass die ETFs auf das 1,5 ° C-Ziel des Pariser Abkommens ausgerichtet sind. ETFs auf Basis von Climate Transition Benchmarks (CTB) können zwar ebenfalls nach Artikel 9 klassifiziert werden, sind aber nicht so streng. Sie haben mit 30% geringere CO2-Reduktionsziele als die PAB Indizes, die 50% Reduktion gegenüber den Basisindizes anstreben.

Artikel 9 Anleihe-ETFs werden typischerweise aus sogenannten grünen Anleihen zusammengestellt, mit denen vor allem ökologische Projekte finanziert werden sollen. Grundsätzlich kommen auch Social Bond ETFs und Sustainable Bond ETFs in Frage, von denen es aber bisher erst wenige gibt.

ETF-Selektion auf Basis von Best-in-Universe-Ratings

Meine Mindestanforderungen von 50% für E, S und G-ratings müssen auch von den Artikel 9 ETFs weiterhin erfüllt werden. Mein Ratinganbieter stellte dieses Jahr erstmals E, S und G Ratings auf Best-in-Universe-Basis (BiU) und nicht auf der üblichen Best-in-Class (BiC) Kategorisierung zur Verfügung. Das bedeutet, dass selbst die ökologischsten Aktien- und Anleihen einer Branche (die sehr gute BiC E-Ratings haben) nur dann gute (BiU) E-Ratings bekommen, wenn sie im Vergleich zu allen Aktien und Anleihen als mit geringen ökologischen Risiken behaftet eingeschätzt werden.

Bis auf das Segment Staatsanleihen bzw. Anleihen von multinationalen Entwicklungsbanken konnte ich für alle Anlagesegmente außer Infrastruktur Artikel 9 ETFs finden die auch meine ESG und sonstigen Anforderungen wie physische Replikation erfüllten. Auf das mit ca. 6% im Multi-Asset-Portfolio allokierten Infrastruktur habe ich deshalb bei der Portfoliobildung ganz verzichtet. Und für Staatsanleihen bzw. Anleihen von multilateralen Entwicklungsbanken habe ich für 2023 auf die Erfüllung der Mindestratinganforderungen verzichtet, um dieses wichtige Segment abdecken zu können. So konnte ich zum Stichtag 31.10.2022 alle meine sieben nachhaltigen ETF-Portfolios zu 100% nach mit Artikel 9 ETFs zusammenstellen.

Themenfokussierte Artikel 9 ETF-Portfolios und ETF-Portfolio Überblick

Bereits seit April 2021 biete ich ein Portfolio komplett aus Artikel 9 Themen-ETFs an (vgl. Drittes SDG ETF-Portfolio: Konform mit Art. 9 SFDR – Responsible Investment Research Blog (prof-soehnholz.com)). Das Portfolio umfasste zunächst 7 statt der 16 ETFs aus meinem SDG ETF-Portfolio, das ich Ende 2019 gestartet hatte. Für die SDG-Portfolios werden nur ETFs ausgewählt, die möglichst gut mit den nachhaltigen Entwicklungszielen der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals SDG) vereinbar sind. Auch die SDG-Portfolios müssen meine oben genannten ETF-Anforderungen an ESG-Ratings etc. erfüllen. Ende Oktober 2022 waren neun SDG-Segmente mit Artikel 9 ETFs umsetzbar, zum Beispiel zu den Themen Energie, Ernährung, Gesundheit, Immobilien und Wasser.

Damit kann ich jetzt sehr gut diversifizierte globale Misch- (ESG ETF-Portfolio), Aktien- (ESG ETF-Portfolio ex Bonds), Anleihe- (ESG ETF-Portfolio Bonds) und Themenportfolios (SDG ETF-Portfolios) anbieten. Das Aktien- und das Themen-ETF-Portfolio gibt es als zusätzliche Varianten mit der von mir seit Jahren angebotenen trendbasierten Risikosteuerung. Aktuell biete ich so standardmäßig 7 Artikel 9 ETF-Portfolios an. Diese können relativ einfach weiter individualisiert werden.

Verbesserungsmöglichkeiten für nachhaltige ETFs  

Selbst die nach meinen strengen Kriterien zusammengestellten Artikel 9 ETF-Portfolios haben jedoch Nachteile. So sind die meisten nach Artikel 9 klassifizierten diversifizierten ETFs – anders als einige Themen-ETFs – auf die beiden bisher detailliert definierten Umweltkategorien der EU Taxonomie, vor allem auf CO2-Reduktion, ausgerichtet. Damit werden andere Umweltkategorien wie zum Beispiel Methanemissionen oder Biodiversität und vor allem Sozialkategorien kaum berücksichtigt.

Hinzu kommt, dass bei vielen branchenübergreifenden ETFs der Fokus auf Investments in sich verbessernden Wertpapieremittenten (siehe CTB und PAB-Benchmarks) liegt und nicht unbedingt auf bereits guten. Damit könnte ein traditioneller Energieversorger, der bisher wenig zur CO2-Reduktion beigetragen, der aber große Reduktionspläne hat, den Vorzug gegenüber einen erneuerbaren Energieversorger erhalten.

Wenn man sich die Bestandteile etlicher der verfügbaren diversifizierten Aktien- und Anleihe-ETFs ansieht, kann man dementsprechend feststellen, dass sich darunter auch Wertpapiere befinden, die nicht besonders nachhaltig erscheinen. Bei den Themen-ETFs ist das nicht so offensichtlich, weil sie oft konzentrierter sind und weil ihre Bestandteile oft nicht sehr bekannt sind.

Weitere ETF-Nachteile sind ebenfalls konzeptioneller Art. So nutzen alle mir bekannten nachhaltigen ETFs Indizes mit aggregierten statt separierten ESG-Ratings. Das bedeutet, dass zum Beispiel gute Governanceratings schlechte ökologische Ratings kompensieren können. Außerdem werden Best-in-Class statt Best-in-Universe Ratings verwendet. Das heißt, dass Anbieter zunächst definieren, welche „Classes“, also zum Beispiel Autohersteller oder Fluggesellschaften, sie im Index haben wollen. Daraus können dann die Gesellschaften mit den besten relativen ESG-Ratings in den Index aufgenommen werden. Bei einem Best-in-Universe-Ansatz dürften dagegen nur die Wertpapiere mit den absolut besten ESG-Ratings ins Portfolio kommen.

Hinzu kommt, dass nachhaltige Indizes bzw. ETFs nur eine relativ geringe Zahl von Ausschlüssen nutzen. Außerdem werden dabei oft bestimmte Aktivitäten mit auszuschließenden Aktivitäten toleriert, zum Beispiel bis zu 5% vom Umsatz.

Rückschlag für Artikel 9 ETF-Portfolios im November 2022

Im November wurden einige der ETFs, die ich ursprünglich für meine Portfolios selektiert hatte, von Artikel 9 auf Artikel 8 der SFDR heruntergestuft. Solche Herunterstufungen gibt es zwar schon seit einigen Monaten, aber meistens wurden dabei nur aus meiner Sicht offensichtliche Fehleinstufungen korrigiert. Im November 2022 wurde aber auch für einige ETFs, die relativ strengen Paris-Aligned Benchmarks folgen, Herabstufungen angekündigt.

Weil das auch die für meine Portfolios wichtigen Anbieter Amundi und BNP so machten, kann ich nun entweder Kompromisse bei meinen sonstigen Nachhaltigkeitsanforderungen machen, oder auf die Werbung mit Artikel 9 verzichten. Für meine Onlineportfolios (vgl. www.soehnholzesg.com) habe ich mich für Letzteres entschieden.

Für regionale und thematische Aktienallokationen finde ich dabei immer noch genügend gute Artikel 9 ETFs. Ich ändere meine Selektion deshalb nicht. Die bisher nach Artikel 9 klassifizierten ETFs, die auch meine zusätzlichen Nachhaltigkeitsanforderungen erfüllen, sind meiner Meinung nach weiterhin die nachhaltigsten, die für etliche Anlagesegmente verfügbar sind. Alternativ kann ich aber auch PAB ETF-Portfolios anbieten.

Performance 2022 OK

Die meisten meiner besonders nachhaltigen ETF-Portfolios haben im schwierigen Jahr 2022 akzeptable Renditen gehabt. Die detaillierte Analyse werde ich wie immer zu Jahresanfang veröffentlichen. Interessenten könne sich tagesaktuell selbst ein Bild davon machen (vgl. Soehnholz ESG).