Nachhaltigkeits-Taxonomie ist in Arbeit
Der erste Punkt wird gerade von der EU mit der „Taxonomie-Initiative” (“the Commission proposal to establish a unified EU classification system (‚taxonomy‘) of sustainable economic activities”, siehe hier) angegangen. Auch verschiedene Marktteilnehmer, denen die EU Inititative zu langsam ist oder zu stark auf den ökologischen Faktor fokussiert, arbeiten an dem Thema (siehe DVFA).
Die Performance nachhaltiger Investments ist gut
Zum zweiten und dritten Punkt gibt es inzwischen tausende von Studien und auch Studien über Studien (Metastudien). Die meines Wissens bisher umfassendste Untersuchung (siehe hier) ergibt keine grundsätzlichen Nachteile für verantwortungsvolle Anlagen sondern sogar eher Vorteile.
Bisher keine ernsthafte Tracking Error Diskussion
Der vierte Punkt wird kaum thematisiert. Er erscheint mir aber besonders wichtig (siehe mein Beitrag hier). Außerdem können Politiker und Regulierer ihn nutzen, um ihre Ziele einfach zu erreichen.
Verantwortungsvolle Benchmarks: Erster Schritt getan
Die Europäische Kommission hat sich explizit zum Ziel gesetzt, privates Kapital in nachhaltigere Investments umzuleiten. Dafür ist im März 2019 eine neue Benchmarkverordnung verabschiedet worden. Damit werden auch neue nachhaltige Benchmarks eingeführt (siehe hier und auch hier).
In der Begründung dazu heißt es: “The new regulation sets out how financial market participants and financial advisors must integrate environmental, social or governance (ESG) risks and opportunities in their processes, as part of their duty to act in the best interest of clients. It also sets uniform rules on how those financial market participants should inform investors about their compliance with the integration of ESG risks and opportunities.”
Traditionelle Benchmarks sind sehr wichtig, haben aber erhebliche Nachteile
Institutionelle Anleger aber auch viele professionelle Portfolio- bzw. Fondsmanager weichen sehr ungerne von den durch institutionelle Consultants und/oder Gremien vorgegeben Benchmarks ab. So werden globale Aktienanlagen oft an globalen Aktienindizes gemessen. Vereinfacht zusammengefasst haben besonders hoch bewerte Aktien und oft auch Länder oder Branchen hohe Anteile an diesen Benchmarks.
Das galt für den Japan-Anteil vor der Japan-Krise, den Technologieanteil vor der sogenannten Dot-Com Krise etc. . Dabei sind solche Benchmarks durchaus subjektiv, wie man zum Beispiel an der aktuellen Diskussion über den China-Anteil sehen kann.
Trotzdem wollen sehr viele professionelle Anleger und Großinvestoren oft nur möglichst geringfügig von solchen Benchmarks abweichen. Sie scheinen mehr Angst davor zu haben, schlechter als ihre sogenannte Peergruppe zu sein, als Chancen in Abweichungen zu sehen (siehe z.B. „Anbieter sind auch nur Menschen“ hier).
Bisherige nachhaltige Benchmarks mit negativen Tracking Error Restriktionen
Inzwischen gibt es auch sogenannte nachhaltige Benchmarks oder Indizes (siehe z.B. hier). Viele dieser Indizes lassen selbst aber nur geringe Abweichungen von traditionellen Benchmarks zu.
Das zeigt sich zum Beispiel an der „Best-In-Class“ Diskussion. Um nicht zu sehr von klassischen Indizes abzuweichen, in denen z.B. Ölunternehmen oft hohe Anteile haben, kommen Ölunternehmen mit relativ guten nachhaltigen Beurteilungen im Vergleich zu anderen Ölunternehmen in den jeweiligen „nachhaltigen“ bzw. „verantwortungsvollen“ Index.
Streng nachhaltige Anleger verfolgen einen „Best-in-Universe“ Ansatz
Sie würden auch nicht akzeptieren, dass ihre Portfoliobestandteile Umsätze mit sogenannten Ausschlußsegmenten wie Atomenergie, Alkohol, Tabak etc. machen. Die heute populären sogenannten nachhaltigen Indizes nutzen aber nur wenige 100% Ausschlüsse. Begründung ist meist, dass man nicht zu stark von klassischen Benchmarks abweichen möchte.
Auch die Gewichtung von Bestandteilen in nachhaltigen Indizes ist nicht streng verantwortungsvoll. So werden oft Aktien mit relativ schlechten Nachhaltigkeitsratings untergewichtet. Aber warum werden sie nicht ganz ausgeschlossen?
Streng nachhaltige Benchmarks sind sehr einfach zu konstruieren
Dabei ist es einfach, streng nachhaltige Indizes zu konstruieren (siehe z.B. hier). So muss man nur die Aktien oder Anleihen von Unternehmen selektieren, die nach den relevanten Kriterien wie Umwelt, Soziales und Unternehmensführung zu den Besten gehören. Diese werden dann gleichgewichtet und z.B. jährlich rebalanziert.
Regulatoren könnten künftig vorschreiben, dass nur noch streng nachhaltige Indizes
als offizielle Benchmarks genutzt werden dürfen. Das würde nicht bedeuten, dass auch komplett so investiert werden muss.
Umgekehrte Beweispflicht
Nachhaltige Indizes als Pflicht-Benchmarks hätten durchaus Vorteile für traditionelle Anleger.
So klagen Marktteilnehmer heute darüber, dass die neuen Anforderungen der EU zu einem aufwändigen Reporting in Bezug auf die Nachhaltigkeit ihrer Kapitalanlagen führen. Wenn Anleger aber anerkannten streng nachhaltigen Indizes folgen würden, müssten sie nur noch auf diese Tatsache verweisen. Dann müssten nur noch erhebliche Abweichungen von dieses Indizes erklärt werden (siehe auch hier). Im englischen würde man dafür den Ausdruck „comply or explain“ benutzen.
Professionelle Kapitalanlage-Anbieter müssten nachhaltige Pflichtbenchmarks eigentlich unterstützen
Professionelle Kapitalanlageanbieter klagen oft darüber, dass nachhaltige Investments ihr Investmentuniversum einschränken. Sie fürchten Renditeeinbußen und Risikosteigerungen. Das heißt, dass sie erwarten, dass nachhaltige Benchmarks einfacher outzuperformen sind als traditionelle Benchmarks.
Deshalb müssten traditionelle Anbieter sehr froh sein, wenn ihnen einfach zu schlagende Benchmarks vorgeschrieben würden.
Portfoliobildung sollte streng nachhaltig starten
Es ist richtig, dass Anbieter im besten Interesse ihrer Anleger nicht ausschließlich auf Nachhaltigkeit achten müssen. Aber warum starten sie dann ihre Portfoliobildung nicht mit streng nachhaltigen Portfolios und ergänzen diese um aus ihrer Rendite- und Risikosicht „attraktivere“ Positionen?
Heute werden bestehende Portfolios, die nicht mit Hilfe von Verantwortungskriterien zusammengestellt wurden, nachträglich nachhaltiger gemacht. Keiner zwingt Anbieter zu diesem Vorgehen.
Das Argument, nur so gute Rendite bzw. geringe Risiken für Anleger zu erreichen, ist sehr zweifelhaft. Es ist inzwischen ziemlich anerkannt, dass aktive Manager passive traditionelle Benchmarks nicht verlässlich schlagen können. Das gilt auch für passive nachhaltige Benchmarks (siehe z.B. oben erwähnte Metastudie).
Nur MSCI als Verlierer?
Traditionelle Indexanbieter werden meinen Vorschlag wohl nicht so lustig finden. Ich kenne nämlich noch keine offiziellen Indizes, die streng nachhaltig sind. Aber die können ja schnell entwickelt werden. Und natürlich sollen Indexanbieter mit diesen Indizes auch weiterhin Geld verdienen dürfen. Aber die Einnahmen aus traditionellen Indizes werden so sicher sinken. Das dürfte vor allem den Indexdominator MSCI treffen.
Viele Assetmanager wären darüber wohl nicht traurig, da MSCI seine dominierende Stellung in den letzten Jahren genutzt hat, um ordentlich Geld zu verdienen.
Mit der Forderung, nur nachhaltige als Pflicht-Benchmarks zu nutzen, kann wohl auch die dominierende Stellung von MSCI begrenzt werden.
Pflicht-Benchmarks sind kein unzulässiger Markteingriff
Da die Anlagefreiheit nicht beschränkt würde, sehe ich in der Vorgabe zur Nutzung nachhaltiger Benchmarks keinen direkten Markteingriff. Es wäre aber gut, wenn die Anforderungen an solche Indizes standardisiert würden.
Eine solche Normierung ist relativ einfach. So könnten Listen anerkannter Ausschlüsse eingeführt werden. Zusätzlich sollten separate E, S und G Ratings genutzt werden, an die ebenfalls einige Anforderungen gestellt werden sollten, ohne das einzelne Index- oder Ratinganbieter bevorzugt würden. Auch unternehmensinterne Ratings können zugelassen werden, wenn sie die Mindestanforderungen erfüllen (siehe z.B. Vorschläge hier).
ESG-Benchmarks: Call to Action für Politiker
An die Arbeit, liebe Politiker: Setzt Euch dafür ein, dass nur nachhaltige Indizes als offizielle Benchmarks genutzt werden dürfen.
Wenn Anleger auch künftig so nah an ihren Benchmarks kleben wie heute, werden Geldanlagen so sehr schnell sehr viel nachhaltiger.
Diese Maßnahme ist zudem sehr kostengünstig umsetzbar.
So können (fast) alle gewinnen: Die Umwelt (Ecology), die Mitarbeiter und das soziale Umfeld von Unternehmen (Social), die Anleger (Governance) und vielleicht sogar Portfolioanbieter.