Meines Erachtens ist die einfache Frage „aktiv versus passiv“ nicht hilfreich. Die Diskussion sollte sich viel mehr auf Gestaltung des Ausgangsportfolios und die Art und Weise seiner Veränderung fokussieren bzw. „diskretionäre“ versus „regelbasierte“ Ansätze vergleichen.
Im Handelsblatt vom 8.8.2014 schreibt Frank Wiebe zum Thema „Aktiv oder passiv: Wann Fondsmanager ihr Geld wert sind und wann nicht“: „Jedes Startportfolio eines Investors ist stark von den individuellen Annahmen bzw. Restriktionen, die er oder sie sich oft selbst auferlegt, abhängig. Welche Anlageklassen sollen vertreten sein? Welche Regionen sollen abgedeckt werden? Welche Währungen sind akzeptabel und welche sollen abgesichert werden? Und das sind nur einige Beispiele für Fragen, die beantwortet werden müssen. Es gibt keine mir bekannte Methode, wie man „passiv“ zu einem Ausgangsportfolio kommt.“
Ausgangsportfolios basieren oft auf vielen Vorentscheidungen, denn für die Portfoliokonstruktion wird oft eine sogenannte Markowitz-Optimierung oder davon abgeleitete Varianten verwendet, die auf Rendite-, Risiko- und Korrelationsprognosen angewiesen sind. Je mehr Anlagesegmente ins Portfolio aufgenommen werden und je mehr Perioden geplant werden, desto mehr Prognosen sind nötig. Solche Portfolios reagieren oft sehr sensibel auf kleine Annahmeänderungen. Daher gibt es – je nach Annahme – ganz unterschiedliche „optimale“ Portfolios. Dieses Vorgehen würde ich nicht passiv nennen.
Wenn das Startportfolio nie wieder geändert wird, ist es ab dem Zeitpunkt passiv. Das ist der sogenannte Buy-and-Hold Ansatz. Dieser dürfte aber in der Realität äußerst selten vorkommen. Die wichtigste Frage ist daher, wie Änderungen im Zeitablauf erfolgen. Investoren, die sich für ETFs entscheiden, müssen zunächst aktive Indexentscheidungen treffen: Ein Weltaktienindex mit vielen Titeln aus zahlreichen Ländern oder eine Kombination mehrerer Länderindizes, z.B. nach Wirtschaftskraft gewichtet, ergeben ganz unterschiedliche Portfolios. Und ETFs, die klassische Indizes nachbilden, setzen Indexregeln um sind damit weniger passiv oder „aktiver“ als Buy-and Hold Portfolios. Sogenannte Smart-Beta Portfolios ändern sich meist noch häufiger. Smart-Beta Regeln sind allerdings meist unveränderbar. Aber Regeländerungen sollten möglich sein, zum Beispiel um aktuelle wissenschaftliche Analysen und neue praktische Erfahrungen berücksichtigen zu können. Man kann so „diskretionäre“, „passiv-regelbasierte“ und „aktiv regelbasierte“ Ansätze unterscheiden.
Wenn man die Entwicklungen in anderen Ländern betrachtet, werden vor allem benchmarknahe „diskretionäre“ Fonds durch „passiv-regelbasierte“ ETFs „bedroht“. Dagegen sehe ich vor allem für benchmarkferne „aktiv regelbasierte“ Fonds große Wachstumspotentiale.