Glorreiche 7 Best-in-Universe ESG-Ratings

Glorreiche 7: Sind sie unsozial?

Glorreiche 7 werden die Megaunternehmen Alphabet, Amazon, Apple, Meta, Microsoft, Nvidia und Tesla genannt. Sie haben im Jahr 2022 und bis Juli 2023 besonders gute Aktienkursentwicklungen gehabt (vgl. Marktanalyse: Was ist los mit den Glorreichen Sieben? | Morningstar). Ich habe bewusst keinen dieser Werte in meinen direkten Aktienportfolios und auch nur sehr wenig Allokation dazu in meinen SDG ETF-Portfolios.

Glorreiche 7: Kein expliziter Ausschluss

Dabei schließe ich die „Glorreichen 7“ nicht explizit aus meinen Geldanlageportfolios aus. Sie sind aufgrund ihrer hohen Aktienindexallokationsanteile in meinen traditionellen passiven Allokationsportfolios enthalten. Auch in den ESG ETF-Portfolios sind die meisten der Glorreichen 7 zu finden, weil sie in den von mir genutzten ESG-ETFs enthalten sind. In meinen selbst zusammengestellten direkten Aktienportfolios findet sich jedoch keine der „Glorreichen 7“ Aktien.

Das liegt daran, dass meine ESG-Anforderungen erheblich strenger sind als die der meisten nachhaltigen ETFs. Nachhaltigkeit wird oft anhand von ESG-Ratings gemessen. Dabei werden Umwelt- Sozial- und Unternehmensführungsrisiken zu einer Kennzahl zusammengefasst. Nachhaltige ETFs nutzen meistens aggregierte Best-in-Class ESG-Ratings.

Best-in-Class heißt, dass die Ratings innerhalb der jeweiligen „Klassen“, meist Branchen, untereinander verglichen werden. So kann ein Autohersteller wie Tesla im Vergleich zu anderen Autoherstellern relativ geringe ESG-Risiken haben. Im Vergleich zu Herstellern von Personenzügen oder Fahrrädern kann das jedoch ganz anders aussehen. Wenn Ratings aller Unternehmen branchenunabhängig miteinander verglichen werden, nennt man das Best-in-Universe Ansatz.

ETF-Anbieter nutzen oft Mindestanforderungen an solche Ratings für ihre Wertpapierauswahl und/oder deren Gewichtung. Das geschieht zum Beispiel, indem nur Wertpapiere solcher Unternehmen zugelassen sind, die zur besseren Hälfte der jeweilig ESG-gerateten gehören.

Glorreiche 7: Relativ große Abweichungen bei Sozial- und Umweltratings

Die „Glorreichen 7“ scheinen auf den ersten Blick ziemlich nachhaltig zu sein. Sie erreichen Anfang November 2023 nach Best-in-Class Ansatz jeweils mindestens 55 von maximal 100 Punkten meines Ratinganbieters Clarity.ai. Apple liegt sogar über 70 und auch Microsoft schneidet sehr gut ab. Bei der Nutzung eines vergleichbaren aggregierten Best-in-Universe Ratings sinkt das durchschnittliche Rating zwar, aber alle sieben Werte liegen noch über 50.

Für meine Portfolios sind aber jeweils E, S und G-Mindestratings von 50 erforderlich, denn ich möchte kein Unternehmen im Portfolio haben, das überdurchschnittlich hohe ökologische, soziale oder Unternehmensführungsrisiken hat.

Bei Nutzung der separierten Best-in-Class Ratings meines Anbieters dürften Alphabet, Amazon, Meta und Tesla nicht ins Portfolio aufgenommen werden, weil die Sozialratings jeweils unter 50 liegen. Nur Apple, Microsoft und NVIDIA haben E, S und G Best-in-Class Ratings von jeweils mindestens 50.

Best-in-Universe sind viel anspruchsvoller als Best-in-Class Ratings

Das sieht bei der Nutzung von Best-in-Universe Ratings anders aus. NVIDIA zum Beispiel hat ein durchschnittliches ökologisches Rating im Vergleich zu anderen Halbleiterherstellern. Aber im Vergleich zu allen börsennotierten Unternehmen (BiU-Ansatz) liegt NVIDIA erheblich unter meiner Mindestanforderung von 50. Ähnliches gilt für Apple und Microsoft mit Best-in-Universe-Sozialratings unterhalb der 50.

Bei der Nutzung von Best-in-Universe Ratings liegen Alphabet, Meta und Tesla sogar unterhalb von 40. Ökologische und Unternehmensführungsrisiken werden dagegen bis auf das Umweltrating von NVIDIA auch nach Best-in-Universe Ansatz mit über 50 bewertet.

ESG-Ratings setzen sich aus Dutzenden von Einzelkriterien zusammen und variieren deshalb oft von Anbieter zu Anbieter. Die Ratings meines Anbieters sind aber gut nachvollziehbar. So wird bei Alphabet unter anderem eine fehlende „Freedom of Association“-Politik und der niedrige gewerkschaftliche Organisationsgrad kritisiert, bei Amazon werden Bezahlung und Arbeitsbelastung aufgeführt, bei Apple Vorkommnisse (Incidents) in Zusammenhang mit Produktwerbung, bei Meta die geringe Anzahl von Frauen an den Mitarbeitenden und Managementpositionen, bei Microsoft Themen des Kundendatenschutzes, bei Tesla Produktqualitäts- und Sicherheitsthemen und bei NVIDIA eine geringe Wasserrecyclingquote.

Fehlende Vergleiche von Best-in-Universe Ratings

Das ist durchaus auch für Anleger relevant, die nicht besonders an Nachhaltigkeit interessiert sind. Denn mit ESG-Ratings werden Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungsrisiken gemessen. Und an niedrigen derartigen Risiken sollten auch traditionelle Geldanleger interessiert sein.

Für meine direkten Aktienportfolios ist meine selbst gesetzte Regel klar: Weil keine der „Glorreichen 7“ nach Best-in-Universe Ansatz bei Umwelt-, Sozial- und Governanceratings zugleich über 50 liegt, darf ich keine davon in meine Portfolios aufnehmen.

Bisher habe ich noch keine systematischen Vergleiche von Best-in-Class und Best-in-Universe Ratings gesehen. Meine Analysen nur auf Basis der Glorreichen 7 und nur mit Daten von Anfang November 2023 zeigen Folgendes: Bei den aggregierten ESG-Ratings liegen die Best-in-Universe Ratings im Schnitt um etwa 7 Prozentpunkte unter den Best-in-Class Werten. Bei den Governanceratings gibt es kaum Unterschiede zwischen den beiden Ansätzen. Die Best-in-Universe-Umweltratings der 7 Aktien fallen sogar um 5 Prozentpunkte besser aus, während die Best-in-Universe-Sozialratings sogar 16 Prozentpunkte schlechter sind als die Best-in-Class Sozialratings. Unterschiede für andere Unternehmen sind sogar teilweise noch stärker, wie eine vergleichbare Analyse der 30 Small- und Midcaps meines Fonds ergab.

Warum andere vor allem Best-in-Class Ratings nutzen

Geldanlageanbieter nutzen in der Regel einen Best-in-Class Ansatz. Das liegt daran, dass sie meist über mehrere Branchen gestreute Portfolios anbieten wollen. Mit dem Best-in-Class Ansatz können sie das einfach erreichen. Bei einem konsequenten Best-in-Universe Ansatz so wie ich ihn nutze, müssten viele Marktsegmente aufgrund ihrer hohen ESG-Risiken ganz entfallen.

Generell gilt: Konzentrierte (Best-in-Universe) Ansätze können nachhaltiger sein als stark diversifizierte Portfolios. Grund: Wenn man so wie ich mit den nachhaltigsten Aktien startet, reduziert zusätzliche Diversifikation die durchschnittliche Nachhaltigkeit. Der Grenznutzen weiterer Diversifikation für Risikoreduktion ist aber sehr gering und abnehmend (vgl. dazu 30 stocks, if responsible, are all I need – Responsible Investment Research Blog (prof-soehnholz.com)).

Privatanleger haben typischerweise keinen Zugang zu Best-in-Universe Ratings. Ich weiß jedenfalls nicht, in welcher frei zugänglichen Datenbank man Investmentfonds finden kann, die einen Best-in-Universe Ansatz oder separate E, S und G Mindestratings nutzen.

Glorreiche 7: Geringe Allokation in meinen SDG ETF-Portfolios

Für meine SDG ETF-Portfolios schließe ich die Glorreichen 7 ebenfalls nicht explizit aus. Aber ich versuche, nur eine geringe Allokation zu den Glorreichen 7 haben. Das mache ich jedoch eher aus Diversifikations- als aus Nachhaltigkeitsgründen. Kerninvestments enthalten typischerweise bereits hohe Alloaktionen zu den Glorreichen 7. Und meine SDG-ETF Portfolios sind als Ergänzung bzw. Satelliteninvestments für Kerninvestments gedacht.

Deshalb versuche ich, Überschneidungen der SDG ETFs mit typischen Kerninvestments und auch untereinander möglichst gering zu halten. Das ist gar nicht so einfach, weil viele SDG-aligned bzw. Themen-ETFs teilweise mehrere der Glorreichen 7 enthalten. Allerdings suche ich vor allem ETFs mit möglichst vielen sogenannten SDG-aligned Pure Plays. Und fokussierte Unternehmen sind meist eher klein. Deshalb nutze ich nur ETFs mit Fokus auf kleine und mittlere Marktkapitalisierungen. Darum enthalten diese meist keine der Glorreichen 7. Und so ist es mir auch in diesem Jahr gelungen, ETFs zu den Themen Dekarbonisierung, Energie, Ernährung, Gesundheit, Immobilien, Pharmazie, Smarte Städte und Wasser zu finden, die untereinander kaum Überschneidungen aufweisen.