Adressieren deutsche Robo-Advisors die falschen Zielkunden?

Es gibt mehrere potentielle Zielkunden von Robo-Advisors: Erstens Kunden, denen wegen ihrer geringen Anlagevolumina keine persönliche Beratung durch traditionelle Berater angeboten wird. Im Idealfall bieten Robo-Advisors diesen Kunden grundsätzlich eine individualisierte Beratung an. Manche sprechen dabei von digitaler Demokratisierung bzw. der Schliessung des „Advice Gap“ durch Robo-Advisors (s. Prof. Tilmes von der European Business School in Cash Online vom 15.9.2016).

Zweitens die tendenziell etwas einkommensstärkeren Zielkunden, denen zwar ein persönlicher Service durch traditionelle Berater offen seht, die aber keine persönliche Beratung haben wollen, sondern die sich lieber selbst beraten. Das sind überwiegend relativ junge Leute. Diese beiden Gruppen sind offenbar die beiden Hauptzielgruppen deutscher Robo-Advisors.

Die dritte potentielle Zielgruppe sind Bestandskunden traditioneller Berater, sei es von Bankberaten oder unabhängigen Beratern bzw. Vermögensverwaltern. Diese dritte Gruppe ist in Bezug auf ihre Anlagevolumina viel attraktiver als die erste Gruppe und wahrscheinlich auch attraktiver als die zweite Gruppe. Denn Beratungskunden sind bereits älter und oft auch schon vermögend. Diese Beratungskunden sind zwar häufig grundsätzlich beraterkritisch, sie sind aber meist ziemlich zufrieden mit ihren persönlichen Beratern.

Das heisst aber nicht, dass Robo-Advisors keine Chance auf Geschäft mit vermögenden Kunden haben. Laut einer aktuellen Studie (E*TRade Financial Befragung Q 3 2016 Streetwise Report von über 900 amerikanischen Teilnehmern) sind in den USA sogar fast 60% der über 55jährigen und 80% der über 35jährigen relativ erfahrenen und handelsaktiven Selbstentscheider dafür offen, Robo-Advisor Support zu nutzen. Über 40% der Befragten dieser beiden Altersgruppen bevorzugen hybride Lösungen, die persönliche Beratung mit Online Unterstützung kombinieren.

In einem anderen aktuellen Report heisst es sogar:„Almost all observers believe that some form of hybrid model will predominate going forward“ (Finextra/EPAM, „The future of advisory, exploring the impact of robo on wealth management“ vom September 2016 Einleitung und S. 27).

Die bekanntesten bzw. größten Anbieter solcher hybrider Lösungen in den USA sind Future Advisor, SigFig, Betterment Institutional, Charles Schwab und Vanguard.

Ob traditionelle Berater Robo-Advice als eine Wachstumschance sehen, ist unklar. In den USA sind die Erfahrungen von Beratern mit Robo-Unterstützung sehr positiv (siehe Beitrag vom 24.8.2016 auf dieser Seite „Vermögensverwalter können mit „Robo-Support“ sehr stark wachsen“). In Europa sieht das noch anders aus. In Großbritannien sehen sich nach einer nicht repräsentativen Befragung sogar 90% aller Berater allerdings durch Robo Advice bedroht (s. Finextra/EPAM S. 8: mit Verweis auf eine Studie von Panacea Adviser vom 15.7.2016).

Einige Aufgaben können von Robo-Advisors zumindest heute noch nicht gut gelöst werden. Professor Tilmes von der European Business School führt z.B. auf: „komplexe und eher hochmargige Beratungsleistungen im Bereich der ganzheitlichen Finanzplanung (Financial Planning), der Vermögensnachfolgeplanung (Estate Planning), der Ruhestandsplanung, der Stiftungsplanung, des Private Real Estate Managements oder der Testamentsvollstreckung (s. Prof. Tilmes in Cash Online vom 15.9.2016).

Professor Tilmes sagt auch: „Im Optimalfall können digitale Lösungen …. dazu genutzt werden, den Kunden besser und intensiver zu beraten und zu betreuen und ihn gleichzeitig …. zu einem noch aktiveren Teil der Dienstleistungserstellung werden zu lassen. Dies wäre dann das Beste aus zwei Welten und hätte gegenüber dem ein oder anderen Fintech-Angebot, bei dem der Kunde am Ende doch die Unterstützung und Hilfestellung eines Beraters vermisst, einen entscheidenden und schwer zu kopierenden Wettbewerbsvorteil voraus.“ (s. Prof. Tilmes in Cash Online vom 15.9.2016).

Robo-Advisors, die explizit darauf ausgerichtet sind mit Beratern zu kooperieren, gibt es in Deutschland aber bis auf Diversifikator meines Wissens noch nicht.

Interessenkonflikt- bzw. Werbehinweis: Ich bin Gründer und Geschäftsführer der Diversifikator GmbH (s. www. diversifikator.com).