Kritik an verantwortungsvollen Kapitalanlagen sollte kein Greenbashing sein. Outperformancesuggestion und Greenwashing sind kritischer. Regulierung ist nötig.
Harsche Kritik an verantwortungsvollen Investments nenne ich Greenbashing. Greenwashing ist die Vermarktung von „normalen“ Investments als besonders verantwortungsvoll. Beides schadet der Geldanlagebranche.
Anlass für diesen Beitrag ist eine Rede des von mir sehr geschätzten Herrn Flossbach von dem sehr erfolgreichen Vermögensverwalter Flossbach von Storch. Diese Rede wurde Ende Januar auf dem Fondsprofessionell-Kongress in Mannheim gehalten. Sie wurde von den zahlreich erschienen Vermögensverwaltern und Anlageberatern mit überwiegender Zustimmung aufgenommen. Inzwischen hat auch die FDP eine ähnliche Analyse bzw. Kommentare wie Herr Flossbach veröffentlicht. Ich stimme einigen Aspekten der Kritik zu, halte andere aber für falsch.
Für
Langfristanleger ist ökonomische Nachhaltigkeit am wichtigsten
Dieser These von Herrn Flossbach stimme ich zu. Bei der
Geldanlage geht es in erster Linie um eine gute langfristige Rendite. Herr
Flossbach ist sich dabei ziemlich sicher, wie ökonomische Nachhaltigkeit
bestimmt werden kann. Andere Vermögensverwalter scheinen ökonomische
Nachhaltigkeit aber anders zu definieren oder für nicht so wichtig zu halten.
Oder wie sonst ist es zu erklären, dass professionelle Geldanlageportfolios/Fonds
im Durchschnitt regelmäßig schlechter abschneiden als passive Benchmarks?
Andererseits zeigen zahlreiche Studien,
dass sozial und ökologisch nachhaltige Geldanlageportfolios nicht schlechter
sind als traditionelle Portfolios. Wenn das so ist, spricht aus ökonomischer Anlegersicht
alles für eine Anlage in solche nachhaltigen Portfolios (siehe z.B. hier).
In seinem Vortrag hat sich Herr Flossbach skeptisch zu
solchen Studien geäußert und sinngemäß gesagt, dass Professoren messen, was man
nicht messen kann. Ich habe zahlreiche dieser Studien gelesen und keine
systematischen Verzerrungen gefunden. Ich habe auch viele Studien gelesen, die
angebliche nicht-nachhaltige Outperformancefaktoren gefunden haben. Viele
dieser Studien sind konzeptionell kritisch oder in der Praxis nicht erfolgreich
replizierbar. Allerdings sind gute evidenzbasierte
Analysen sehr anspruchsvoll (siehe auch hier).
Greenwashing
ist ein Problem und schadet der Branche
In seinem Vortrag hat Herr Flossbach kritisiert, dass
zahlreiche Anbieter ihre Geldanlageprodukte als nachhaltig anpreisen, obwohl
sie kaum nachhaltig seien. Das ist wirklich ein Problem, weil Anlegern etwas
suggeriert wird, was nicht geliefert wird (siehe auch hier).
Besonders kritisch finde ich, wenn Vertreter der
Geldanlagebranche oder auch sogenannte Nachhaltigkeitsexperten sich damit
brüsten, dass schon sehr viel Geld nachhaltig angelegt sei. Sie sollten lieber
prüfen, ob das wirklich ernsthaft der Fall ist. Manchmal scheint schon der
explizite Ausschluss von Streubomben, die sowieso nie im Portfolio waren, zu
genügen, um ein Portfolio als nachhaltig anzupreisen bzw. zu kategorisieren.
Wenn die Branche solche Selbstklassifikationen kritiklos übernimmt, wird
Greenwashing unterstützt statt verhindert.
Eigeninitiative
der Vermögensverwaltungsbranche ist nötig
Anstatt sich zu beschweren, dass es keine anerkannten
Standards für verantwortungsvolle Geldanlagen gibt, könnte die Branche sich
eigene Standards geben. Das wird auch versucht, war aber bisher noch nicht sehr
erfolgreich. Das ist auch nicht einfach. So nutzen privatwirtschaftliche
Ratingagenturen teilweise über einhundert Einzelkriterien pro Unternehmen für
die Beurteilung der ökologischen, sozialen und Unternehmensführungsqualität
(ESG für Environment, Social, Governance). Welche Kriterien genutzt werden und
wie sie zusammengeführt werden, wird nicht einfach zu standardisieren sein, ist
aber auch gar nicht nötig. So reichen meines Erachtens einfache Vorgaben an die
Ratingsysteme, um eine Mindestqualität sicherzustellen (siehe DVFA
Ansatz und meine erste Kritik
an Flossbach Kritik).
Wenn die Geldanlagebranche nicht schnell eine überzeugende
Selbstregulierung hinbekommt, sollte es meiner Meinung nach zu einer öffentlichen
Regulierung kommen.
Greenbashing, weil aktive Manager Angst haben?
Man kann auch kritisieren, dass Anlegern seit Jahrzehnten
Geldanlagen mit Outperformanceanspruch angeboten werden, die im Schnitt
schlechter als passive Benchmarks abgeschnitten haben. Dafür werden oft
weiterhin hohe Gebühren von Anlegern verlangt. Trotzdem wächst die
Assetmanagementbranche weiter stark und verdient viel Geld (siehe z.B. hier).
Dass aktive Manager Angst um ihre gut bezahlten Jobs haben,
ist nachvollziehbar. Sogenannte aktive Manager, die eine Outperformance
gegenüber passiven Benchmarks suggerieren (also fast alle), sollten sich mit
Kritik an zusätzlicher Regulierung aber zurückhalten. Vielleicht haben aktive
Portfoliomanager nämlich aus einem anderen Grund Angst, nämlich generell vor
der Prüfung von Marketingaussagen. Wenn die Aufsichtsbehörden nicht nur prüfen
würden, ob Marketingunterlagen in Bezug auf Nachhaltigskeitsaspekte strengen
Evidenzprüfungen standhalten, würden sie wohl feststellen, dass nur wenige
Performancewerbungen für traditionelle Ansätze solche Prüfungen bestehen würden
(siehe hier).
Eigentlich sollten aktive Manager wissen, ob ihre
Marketingaussagen strengen Prüfungen standhalten können. Wenn man böswillig
wäre, würde man vielleicht sogar behaupten, dass solche Outperformancesuggestionen
wider besseres Wissen erfolgen. Noch schlimmer wäre es wohl, wenn die Manager
selbst an ihre Aussagen glauben würden. Oder anders gefragt: Was ist schlimmer:
Sie wissen, was sie tun, oder sie wissen es nicht?
MIFID II als erster Schritt in die richtige Richtung
Die zunehmende Regulierung der Geldanlagebranche hat sicher
mehr Bürokratie gebracht. Sie hat aber auch dazu geführt, dass Kosten von
Geldanlagen transparenter werden. Durch stärkere Berücksichtigung von
Anlegerinformationen kann der Anlegerschutz verbessert werden. Allerdings hat
die Regulierung auch dazu geführt, dass inzwischen weniger Interessenten
persönliche Beratung oder auch die Mitsteuerung von Vermögensanlagen angeboten
wird. Automatisierte Beratung und standardisierte Vermögensverwaltung nehmen
dagegen (langsam) zu.
Regulierung
und Bürokratie sollten sich auf wichtige Aspekte beschränken
Bürokratie sollte geringgehalten werden, um keine unnötige
Zeit- und Kostenbelastung für Anleger und Anbieter zu sein.
Ähnlich wie bei ETFs war es auch bei nachhaltigen Anlagen
bisher so, dass diese Privatkunden selten aktiv angeboten wurden. Teilweise
wurde auf Nachfrage sogar von ihnen abgeraten (siehe hier).
Das ist sogar nachvollziehbar. Mit ETFs können Anbieter weniger Geld als mit
anderen Anlagen verdienen. Und nachhaltige Anlagen sind wohl erklärungsbedürftiger
als vergleichbare traditionelle Anlagen, was zu höheren Beratungskosten der
Anbieter führen kann.
Andererseits bieten Anbieter zunehmend exotischer Produkte
mit angeblicher Outperformance an. Auch das muss Anlegern erklärt werden.
Darüber jammert bisher kein Anbieter.
Nachhaltige Geldanlage schränkt Anleger nicht unnötig ein
Nachhaltige Investmentansätze schränken das Universum von
Geldanlagemöglichkeiten auch nicht zu sehr ein. Wenn ein Fondsmanager z.B. nur
auf niedrig bewertete deutsche Value Small Caps setzt, schränkt er sich selbst
stark ein. Alternativ kann man auf nach strengen ESG Kriterien selektierte
deutsche Aktien setzen (siehe z.B. hier)
und hat vielleicht trotzdem ein größeres Anlageuniversum zur Verfügung.
Ob der eine oder der andere Investmentansatz künftig bessere
Anlageergebnisse bringt, wird sich erst im Nachhinein zeigen. In der
Vergangenheit haben jedenfalls sogenannte aktive Manager eher schlechtere
Renditen eingebracht als passive Benchmarks, während verantwortungsvolle
Geldanlagen oft vergleichbare Renditen wie passive Benchmarks erreicht haben.
Deshalb fände ich es gut, wenn Anleger künftig gefragt
werden, ob sie nachhaltige oder traditionelle Anlegen wollen.
EU fokussiert
mit ihrer Taxonomie-Initiative zu stark auf Klimaaspekte
Auch ich sehe einige Aspekte der angedachten möglichen
Regulierung als kritisch. Ich halte nichts davon, nachhaltige Investments durch
niedrigere Eigenkapitalanforderungen zu fördern und damit Anlagen riskanter als
traditionelle Anlagen zu machen bzw. Eigenkapitalanforderungen generell
aufzuweichen.
Außerdem fokussiert die Taxonomieinitiative sehr stark auf
Klimaaspekte. Diese sind zwar sehr wichtig, aber andere ökologische und soziale
Aspekte dürfen keinesfalls vernachlässigt werden. Das hat die EU allerdings
auch vor, lässt sich damit aber vielleicht zu viel Zeit.
ESG Regulierung der EU ist noch offen
Bisher ist meines Wissens nicht vorgesehen, dass
Vermögensverwalter ESG Ratings nutzen müssen und schon gar nicht, welche. Dabei
halte ich es gar nicht mal für schlecht, wenn man verlangen würde, dass
Portfoliomanager die ESG-Qualität ihre Portfoliobestandteile kennen und
gegenüber Anlegern transparent machen sollten. Sie sollten aber trotzdem
entscheiden können, welche Ratings sie nutzen und auch, ob sie diese ignorieren
wollen, weil sie andere Wertpapierselektionskriterien für wichtiger für Anleger
halten.
„Eine Allianz aus Lobbyisten, Aktivisten und Politikern
wolle Anleger in ihrem Sinne erziehen und der Fondsbranche vorschreiben,
„wie wir investieren sollen““, sagt Herr Flossbach (siehe hier).
Ich kenne aber keine ernsthaften derartigen Bestrebungen. Eine solche Zuspitzung
der Diskussion ist meines Erachtens nicht hilfreich.
Mindestratings sollten nicht vorgeschrieben werden
Mindestratings oder die Nutzung bestimmter Ratingagenturen
sollte nicht vorgeschrieben werden. Dieser Fehler aus der Zeit vor der
Finanzkrise 2008 sollte nicht wiederholt werden. Denn das hat unterstützt, dass
institutionelle Anleger aus regulatorischen Gründen fast nur Anleihen mit
bestimmten angeblich guten Ratings kaufen durften und die Anreize sehr hoch
waren, Ratings zu beschönigen.
Ob Angebote strenger oder weniger streng nachhaltig sind,
kann man unabhängig von unterschiedlichen Ratingansätzen bzw. Anbietern
beurteilen. Insbesondere sollten auch interne Ratings zugelassen werden, wenn
sie bestimmte Mindestanforderungen erfüllen (siehe DVFA
Klassifikation). Damit wird auch das angebliche Risiko der Abhängigkeit von
externen Ratingagenturen reduziert.
Die Nutzung solcher Ratings ist aber kritisch zu sehen, wenn
damit gute Nachhaltigkeitsqualität suggeriert wird. Ich kenne kein Unternehmen,
das bei allen Nachhaltigkeitsaspekten perfekt ist. Anleger müssen immer
Kompromisse machen, auch in Bezug auf Nachhaltigkeit.
Lieber
Gesinnungsethik als Greenbashing
Flossbach von Storch hat mit der Unterzeichnung der UN
Principles for Responsible Investments erste Schritte in Richtung Nachhaltigkeit
unternommen. Herr Flossbach möchte nachhaltige Investments aber „aus der
gesinnungsethischen Ecke befreien“ (siehe hier).
Laut Wikipedia ist Gesinnungsethik „ein Typ moralischer Theorien, der Handlungen nach der Handlungsabsicht und der Realisierung eigener Werte und Prinzipien bewertet, und zwar ungeachtet der nach erfolgter Handlung eingetretenen Handlungsfolgen. Auch Gesinnungsethiker müssen jedoch vor ihren Handlungen die erwarteten Handlungsfolgen gründlich und angemessen beurteilen und in ihr Urteil über eine moralisch richtige Handlung einbeziehen.“
In diesem Sinne muss Gesinnungsethik nicht schlecht für
Geldanleger sein.
Wer im Glashaus sitzt …
In der Ankündigung zu dem Vortrag von Herrn Flossbach hiess
es: „Nachhaltigkeit lässt sich aber nicht mit simplen Checklisten beurteilen
oder politisch vorgeben. Fehlanreize und die Saat der nächsten Finanzkrise
wären die Folge – gut gemeint ist regelmäßig schlecht gemacht.“ Dieses
„Greenbashing“ ist völlig überzogen und genauso falsch wie Greenwashing.
Sogenannte nachhaltige Geldanlagen lassen sich trefflich
kritisieren. Aber traditionelle Geldanlagen auch. Sie sind relativ teuer, wie
auch die guten Margen großer traditioneller Vermögensverwalter zeigen, schlagen
passive Benchmarks aber nur selten. Da investieren ich lieber gesinnungsethisch
in nicht-perfekte nachhaltige Anlagen, die genauso gut performen wie traditionelle
Geldanlagen.
Greenwashing sollte durch (Selbst-)Regulierung verhindert
werden. Greenbashing ist aber auch zu verurteilen.