Warum ein institutioneller Investor 750 Millionen Euro in einen neuen nachhaltigen ETF investiert, der nur relativ geringe ESG Anforderungen erfüllt (siehe hier), anstatt ein strenges ESG Investmentmandat zu starten, erklärt sich wohl nur aus der Angst vor einen zu hohen Tracking Error zu traditionellen Benchmarks.
In den letzten Wochen sind wieder viele interessante ESG-News, d.h. zu Environmental, Social und Governance bzw. verantwortungsvollen Investments, und auch einige zu Robo-Advisors veröffentlicht worden. Hier sind meine aktuellen Favoriten:
ESG-News zu Performances
In „Does ESG investing produce better returns?” von The Motley Fool vom 22.5. wird auf zahlreiche Quellen verwiesen, die diese Frage überwiegend positiv beantworten.
Erst jetzt von mir entdeckt: Ron Robins (z.B. hier: Investing
for the soul) analysiert viele US-Publikationen zu verantwortungsvollen
Investments und macht Podcasts dazu. Fast immer interessant!
Nicolas Rabener von
Factor Research stellt unter dem Titel „ESG Investing: Too good to be true“ (14. Jan. 2019) fest, dass ESG Outperformance liefern kann. ESG zeigt dabei positive
Korrelation mit den Faktoren Low Volatility und Quality und negative mit Small
Cap und Value. Die Faktorabhängigkeit wird als strukturell und nicht zufällig
angesehen. Faktoranalysen sind wichtig, um Diversifikations-risiken zu erkennen
(siehe auch „Faktorallokation ist
konzeptionell und operationell schwierig, Faktoranalysen sind aber wichtig“ hier und https://prof-soehnholz.com/faktorinvestments-alles-andere-als-passiv/).
Auf alpha architect wird eine interessante Studie zum Thema
ESG versus Tracking Error Begrenzung zusammengefasst (siehe hier).
Ich bin der Ansicht, dass Tracking-Error
Restriktionen das größte Hindernis für nachhaltige Anlagen sind, siehe https://prof-soehnholz.com/verantwortungsvolle-als-einzige-offizielle-geldanlage-benchmarks/.
ESG-News zu Anleihen
Tim Büttner von Portfolio institutionell schreibt, dass gute ESG-Scores laut Verisk Maplecroft und BlueBay Asset auch für Staatsanleihen positiv sind (siehe hier).
Bloomberg Business Week stellt in “Bonds
to Save the Planet” (von Emily Chasan, 23.4.2019) fest, dass grüne Anleihen bisher meist wenig
gehandelt werden und teuer sind. Franklin Templeton meint im Private Banking
Magazin am 15.4.2019: „Grüne
Pure Plays“ dürften die bessere Wahl sein. Es heisst dort: „Aus Anlegersicht
lässt sich der Aufschlag für grüne Bonds nur schwer erklären“. Als Alternative
werden Anleihen von Unternehmen vorgeschlagen, die „Produkte für eine CO2-arme
Zukunft anbieten, aber ihre Anleihen nicht als grün bezeichnen“. Dem stimme ich
zu (siehe auch https://prof-soehnholz.com/taxonomie-verantwortungsvoller-geldanlagen-praxisorientierter-vorschlag/).
ESG-News zu Privatkunden: Deutsche mit Nachholbedarf
Morningstar (s. „The true faces of sustainable investing” hier)
stellt in einer technisch gut gemachten Untersuchung fest, dass das ESG
Interesse bei US Retailinvestoren mit 72% ziemlich hoch ist. Anders als
gedacht, gilt das aber nicht vorwiegend
für Frauen oder Jüngere. Morningstar empfiehlt: Berater sollen das Thema
ESG ansprechen, bevor es vom Anleger aktiv nachgefragt wird. Das empfehle ich
auch für Deutschland, siehe auch https://prof-soehnholz.com/esg-paradox-einfach-zu-verkaufen-und-trotzdem-nicht-angeboten/.
In “Knowledge, Fear and Beliefs:
Understanding Household Demand for Green Investments” vom 22.3.2019 stellen Anders
Anderson und David T. Robertson für schwedische Anleger fest: „Overestimation of environmental knowledge
crowds out actual knowledge when explaining fears of climate change and
reported recycling behavior, and is also strongly associated with beliefs that
environmentally sustainable firms generate higher returns and with the
willingness to pay higher fees for sustainable mutual funds.” Das sind
gute Nachrichten für diejenigen, die (zu) teure “grüne“ Fonds anbieten. Aber:
„verantwortungsvolle“ Investments müssen nicht teuer sein, siehe z.B. https://prof-soehnholz.com/verantwortungsvolle-investments-im-vergleich-sri-etfs-sind-besser-als-esg-etfs/.
In “Do
sustainable investors behave better?” vom „Evidence Based Investor“ Robin
Powell vom 2.5.2019 wird auf eine Studie von Derek Horstmeyer und ein darauf
basierendes Interview verwiesen die zeigen, dass nachhaltig orientierte Anleger bessere Renditen erzielen als
traditionelle Anleger, weil sie widerstandsfähiger gegenüber einigen
typischen Anlegerfehlern sind. Nur Indexanleger sind noch etwas besser, während
institutionelle Anleger sogar schlechter dastehen. Das spricht klar für passive
verantwortungsvolle Anlagen (siehe z.B. https://prof-soehnholz.com/neues-buch-passive-verantwortungsvolle-und-online-kapitalanlagen/).
„Laut einer Studie des CFA Institutes und UN Principles of Responsible Investment (UN PRI) sind deutsche Investoren europaweit die größten Skeptiker, wenn es um ESG-Investments geht“ (Sebastian Kramer von Citywire siehe hier). Ähnlich: „Nachhaltige Geldanlagen interessieren Deutsche Anleger kaum“ schreibt Frank Stocker von der Welt am Sonntag unter Berufung auf eine Studie von Natixis und einen Vergleich mit der Nachfrage in anderen Ländern (siehe hier). Das ist erstaunlich, weil Deutsche doch sonst als Ökopioniere gelten.
ESG-News: Institutionelle Anleger nutzen ESG ETFs bereits sehr intensiv
In einer sehr breiten Studie europäischer institutioneller
Anleger stellt Greenwich Advisors fest: „Many European institutional investors
are implementing ESG in their portfolios with ETFs. Forty-Four percent of study participant overall
and half the investment managers are using ETFs as a primary vehicle to address
ESG – that’s up from just one third in 2017 (“In turbulent times, institutions
turn to ETFs, Greenwich Associates, Quartal 1, 2019, S. 14). Angesichts
der großen konzeptionellen Probleme von ESG-ETFs (siehe z.B. hier)
ist das erstaunlich.
Der ESG Anteil soll in den nächsten Jahren noch erheblich
ausgebaut werden und es besteht auch bei institutionellen Anlegern ein starker
Informations- und Unterstützungsbedarf in Bezug auf ESG (In turbulent times S.
15).
Warum ein institutioneller Investor 750 Millionen Euro in einen
neuen nachhaltigen ETF investiert, der nur relativ geringe ESG Anforderungen
erfüllt (siehe hier), anstatt
ein strenges ESG Investmentmandat zu
starten, erklärt sich wohl nur aus der Angst vor einen zu hohen Tracking Error
zu traditionellen Benchmarks. Ich bleibe bei meiner Meinung: Orientierung an
traditionellen Benchmarks ist der wohl größte Feind verantwortungsvoller
Investments.
In Bezug auf Voting/Engagement
gibt es wohl Verbesserungsbedarf: „Investoren auf Hauptversammlungen: Große
Klappe, nichts dahinter“ lautet ein Kommentar von Hauke Reimer in der
Wirtschaftswoche am 18.5. (siehe hier). Er
schreibt: „Großanlegern kritisieren Vorstände, manchmal stimmen sie sogar gegen
sie ab. Alles nur Show: Selbstbereicherung und Größenwahn von Managern stoppen
sie so nicht.“
Iris+ des Global Impact Investing Networks (GIIN) ist ein interessantes
kostenloses neues Impact Tool (siehe
hier).
ESG-News: Mit verantwortungsvollen Angeboten kann man gut verdienen
“Ethical banks perform three times better
than systemic ones”, heisst es am 6.2.2019 in einer
Mitteilung der Global Alliance on Banking on Values für die Jahre von 2007 bis
2017. Interessant, liebe traditionelle Anbieter, oder nicht? In dem
detaillierten Report wird auf die unterschiedlichen Geschäftsstrukturen beider
Bankengruppen eingegangen. Allerdings kann die höhere Profitabilität auch daran
liegen, dass die Angebote „ethischer“ Banken nicht besonders günstig sind. In
dem über einhundertseitigen Report mit vielen interessanten Informationen wird
außerdem auf die weiterhin bestehenden systematischen Risiken traditioneller
Bankgeschäfte hingewiesen.
ESG-News: Zunehmende ESG-Regulierung
Zentralbanken und Aufsichtsbehörden, darunter auch die
deutschen, die sich 2017 zu dem „Network for Greening the Financial System“ zusammengeschlossen
haben, haben am 17.4. ihren ersten „comprehensive report“ mit dem Titel „Call for action: Climate
Change as a source of financial risk veröffentlicht. Dort heißt es auf Seite 1: „A transition to a
green and low carbon economy … is crucial for our own survival”. Außerdem
“Climate change falls within the mandate of central banks and supervisors”. In
dem Report werden einige konkrete Vorschläge gemacht. Da kommt einiges auf uns
zu! Es ist sicher besser, proaktiv tätig zu werden.
Die BaFin hat es begriffen, siehe Bundesanstalt für Finanzdienstleitungsaufsicht: Bafin-Perspektiven Ausgabe 2/2019 vom Mai 2019 zum Thema „Nachhaltigkeit“. Raimund Röseler, Exekutivdirektor Bankenaufsicht, führt auf S. 20 eine eigene Tabelle mit dramatischen Auswirkungen von Klimarisiken auf.: Meine Interpretation des Interviews mit Elisabeth Rögele, Exekutivdirektorin der Wertpapieraufsicht (S. 34-37) ist, dass die verpflichtende Frage an Privatanleger, ob sie „verantwortungsvoll“ anlegen wollen oder nicht, kommen wird. Und Sabine Stremlau von den Hannoverschen Kassen zeigt (S. 59), dass noch nicht alle institutionellen Anleger begriffen haben, wie wichtig eine nachhaltige Kapitalanlage ist. Zahlreiche weitere Kommentare dazu findet man im Blog Investabel von Ralf Breuer (siehe hier)
Der Druck nimmt zu: Am 25.4. meldet Bloomberg „Goldman, Bank of England Targeted in London Climate Protest“. Die Aktivisten sagen: “We are demonstrating …. because there are people and businesses who are trading on ecological destruction, investing in fossil fuel, mining, palm oil companies and others.” Weiter heißt es bei Bloomberg: “The two-week protest has disrupted public transport and snarled roads and bridges in London, with targets including Heathrow Airport and Parliament Square. Police have made hundreds of arrests.”
Klima-Aktivisten gehen jetzt zumindest in Großbritannien auch
schon gegen Altersvorsorger vor (siehe hier), nachdem
sie zuvor schon die Londoner Börse blockiert hatten (siehe hier).
Interessant
zum Thema Reporting: Unter “Norwegian sovereign fund rejects
outcomes reporting for SDGs” vom 2.5.2019 schreibt Rachel Fixen in Instititutional
Pensions Europe online: Die Manager des größten Staatsfonds der Welt sagen “Responsible
investors who do not have in their mandate to achieve specific social or
environmental goals, or to contribute to policy goals, should not be expected
to report on such potential impact under the PRI Reporting Framework.” Außerdem
meinen sie: “To attribute ownership of an outcome, an investor would ideally
need to be able to demonstrate additionality, ie that any positive impact would
not have happened without their investment.” Dem stimme ich zu.
Gegenüber “Das Investment“ sagt Guido Küsters, einer der Organisatoren des 2019er Finanzplaner-Forums (siehe „Was die Teilnehmer hören wollen – und was sie hören sollten“ vom 30.4.): „Der Sinn und Nutzen des Themas ESG-Kriterien/Nachhaltigkeit war den Teilnehmern gar nicht richtig klar“. …“spätestens mit dem Vortrag von Dr. Waigel zur Regulierung aus Brüssel ist jedem klargeworden, was bald auf die Branche zukommt – ein Thema, das uns bis ins Mark treffen kann.“
ESG-News: Nachhaltige Robo-Angebote
Einen Überblick über die wenigen aktuellen nachhaltigen Angebote deutscher Robo-Advisors gibt Susanne Bergius in „Mit wenigen Clicks zur Vermögensverwaltung?“ (s. S. 7-9 des Handelsblatt Business Briefing Nachhaltige Investments vom 10.5.2019) Sie erwähnt z.B. Klimafonds.de (ETF Basis), Visualvest und Vividam (nutzen aktive Fonds) sowie (Pax-)Investify (aktive Fonds und ETFs).
Neu: Joachim Fröhlich von der Evangelischen Bank hat gerade einen „nachhaltigen Robo-Advisor angekündigt (siehe Sebastian Kramer in Citywire hier).
Non-ESG-News: Andere Robospezifische News
Nicht nur für Anhänger von Quant Strategien lesenswert: „The seven
reasons most econometric investments fail“ von Marcos López de Prado (siehe hier). Ob sein
Machine Learning Ansatz allerdings besser ist, habe ich nicht geprüft.
Wieder einmal zeigt eine Studie, dass niedrige Kosten eine wesentliche Voraussetzung für gute Performance
sind (Bernd Bauer bzw. Petersmann Institut vom 7.5.2019, siehe hier).
Alex Bryan von Morningstar stellt fest für US Aktienfonds
fest, dass Portfoliokonzentration wenig
Einfluss auf Renditen hat. Allerdings sind „high conviction“ oft teurer als
andere Fonds (siehe hier).
Die konzentrierten ESG-Portfolios von Diversifikator sind allerdings günstig.
Oliver S. vom Robo-Advisor Portal stellt für sich selbst ca. 12 Stunden Zeitersparnis pro Jahr durch
Robo-Advisors gegenüber Selbstberatung fest (siehe hier).
Für meine Firma Diversifikator kann ich diese Rechnung für die direkten
Aktienportfolios nicht nutzen, denn die Informationen über ESG Scores der
Aktien sind nicht öffentlich verfügbar, daher kann man die Aktienportfolios
nicht ohne die Informationen von Diversifikator umsetzen. Bei den
ETF-Portfolios ist das anders.
„Wie Deutschlands
Banken ihre Robo Advisor absaufen lassen“ (siehe hier)
dokumentieren Heinz-Roger Dohms und Christian Kirchner am 7.5.. Der Widerstand
innerhalb der Banken gegenüber solch meist kundenfreundlichen Lösungen scheint
weiter hoch zu sein. Außerdem sind viele Angebote weder besonders günstig noch
haben sie attraktive Portfolioangebote. Vielleicht sollten es die Banken doch
mal mit einem neuartigen ESG-
oder Alternatives-Robo oder einer Modellportfolioplattform
versuchen?
Dazu passend: „Kein
Bock auf Digital Onboarding“ heisst es bei finews.ch (siehe hier)
unter Verweis auf eine Studie von Andrion (siehe hier).
In ihrer Studie “Algorithm
Aversion in Financial Investing” stellen Maximilian Germann und Christoph
Merkle allerdings keine grundsätzliche Aversion gegenüber
Geldanlage-Algorithmen fest.
Efi Pylarinou weist auf Daily Fintech auf den riesigen Pool von „unadvised assets“ hin, den Robo
Advisors noch nicht reduziert haben (siehe hier).
Und es kommen weiter neue
Robo-Advisors an den Markt, die aber laut Stiftung Wartentest relativ teuer
sind (siehe hier).
Andererseits: Nach Traderepublic bietet nun auch etoro besonders günstige Handelsmöglichkeiten für Aktien
und ETFs an (siehe hier).