Im Gegenteil: Ganz saubere Indizes wie Cleantech-Indizes werden sogar ausgeschlossen (S. 37/38), die EU-Klimaindizes nutzen keine klimarelevanten Ausschlüsse (S. 51ff), CO2-intensive Sektoren müssen sogar in den Indizes enthalten sein (S. 49) und der Finanzsektor wird als „low-carbon“ klassifiziert, auch wenn er „dreckige“ Anbieter finanziert bzw. versichert (S. 50).
Regulierung kann gut sein
Ich bin durchaus für Regulierung, wenn der Markt versagt. Das
gilt zum Beispiel für die sehr begrüßenswerte Forderung nach vollständiger Kostentransparenz
(siehe z.B. https://prof-soehnholz.com/harsche-banken-aber-auch-robo-advisor-kritik-der-eu/).
Bis 2018 wurden deutschen Privatanleger nur wenige
„verantwortungsvolle“ Geldanlageprodukte angeboten. Das ändert sich aber gerade
(siehe z.B. https://prof-soehnholz.com/esg-ueberall-aktuelle-esg-news-esg-research-robo-news-und-mehr/).
Ich erwarte aber erhebliche Anbieterwiderstände, weil bisher
nur ein sehr geringer Anteil von Geldanlagen konsequent verantwortungsvoll ist
(siehe z.B. https://prof-soehnholz.com/esg-paradox-einfach-zu-verkaufen-und-trotzdem-nicht-angeboten/).
Deshalb finde ich es nicht schlecht, dass Privatanleger
künftig wahrscheinlich explizit gefragt werden müssen, ob sie nachhaltig bzw.
verantwortungsvoll anlegen wollen. Dafür ist jetzt alles vorbereitet (siehe TEG
interim report on climate benchmarks and benchmarks‘ ESG dislosures vom
18.6.2019, S. 32). Trotzdem können Berater Anlegern ja durchaus sagen, dass
verantwortungsvolle Anlagen zu Rendite- oder Risikonachteilen haben, z.B. durch
höhere Kosten oder geringere Diversifikation, auch wenn Renditen oder Risiken
eher besser sind (siehe hier).
Die geplante Klima- und ESG-Benchmarkregulierung der EU geht aber meines Erachtens in die falsche Richtung.
Zwei neue offizielle Klimaindizes
Auf Seite 8 werden die Ziele des EU Kommissionsplans zur
Finanzierung nachhaltigen Wachstum in Bezug auf Benchmarking genannt: Erstens
die Schaffung zweier Klimabenchmarks und zweitens die Schaffung von
ESG-Transparenz aller Investmentbenchmarks.
Der Report führt vier Ziele der Benchmarks auf (TEG Interim
Report s.o. S. 8). Zwei davon werden von den meisten traditionellen Benchmarks
auch erfüllt: Basis für passive Investmentstrategien und Hilfsmittel für
strategische Asset Alloaktionen. Die anderen zwei Ziele sind „Performance
Benchmarks for Greenhouse-Gas Emission Related Strategies“ und „Engagement Tools“
zu schaffen.
Die Expertengruppe schlägt dafür zwei neue offizielle
Benchmarks vor. Eine der Benchmarks ist „strenger“ als die andere, z.B. in
Bezug auf die Carbon Intensity Reduction im Vergleich zum inverstierbaren
Universum: Die EU Climate Transition Benchmark (EU CTB) erfordert 30%, die EU
Paris Aligned Benchmark (EU PAB) 50% Reduktion.
Willkürliche Gestaltung der EU Klimaindizes
In dem 67Seiten-Dokument wird detailliert beschrieben,
welche Anforderungen diese Indizes erfüllen müssen. Einige der Vorgaben hören
sich für mich willkürlich an: Warum werden die sogenannten Scope 3 Emissionen
(also die von nicht-Energie-Lieferanten und solche in Bezug auf Transport,
Handel etc.) nicht sofort, sondern erst nach zwei bis vier Jahren
berücksichtigt? Und warum wird eine 7% p.a. „Selbstdekarbonisierung“ der
Benchmarks genutzt und nicht eine höhere?
Positiv an der Indexrichtlinie ist dagegen, dass ihre detaillierten
Vorgaben zur Standardisierung der CO2 Messung beitragen kann (S. 39ff, z.B. S.
42 zu Mehrfachzählungen).
EU Klimaindizes sind überflüssig
Mein Hauptkritikpunkt ist, dass die Klimaindizes überflüssig
sind. Schon heute kann zumindest für börsengelistete Investments relativ
einfach festgestellt werden, wie CO2-intensiv ein Investmentportfolio ist. Es
gibt zahlreiche Dienstleister, die das berechnen können. Gerade Großanleger
können also problemlos feststellen, ob Sie bei 70% oder 50% im Vergleich zum
Investmentuniversum sind. Sie können auch heute schon den Auftrag an ihre Asset
Manager geben, ihre Portfolios entsprechend aufzustellen.
Für Privatkunden ist das noch nicht so einfach. Das wird
sich aber wahrscheinlich auch ohne die EU Indexregulierung ändern, wenn das „Fridays
for Future“ Interesse anhält.
EU Klimaindizes: Offizielles Greenwashing durch die EU?
Anleger, die Geld in ein EU Klimaindex-Produkt anlegen,
sollten davon ausgehen können, CO2-neutrale Investments zu tätigen. Das ist bei
den beiden Indizes aber keineswegs der Fall.
Im Gegenteil: Ganz saubere Indizes wie Cleantech-Indizes
werden sogar ausgeschlossen (S. 37/38), die EU-Klimaindizes nutzen keine klimarelevanten
Ausschlüsse (S. 51ff), CO2-intensive Sektoren müssen sogar in den Indizes
enthalten sein (S. 49) und der Finanzsektor wird als „low-carbon“
klassifiziert, auch wenn er „dreckige“ Anbieter finanziert bzw. versichert (S.
50).
Das sieht nach Greenwashing mit EU Stempel aus, also ganz
falsch.
Und für das vierte Ziel der EU-Klimaindizes „Engagement“ braucht
man auch keine EU Indizes. In dem 67Seiten Dokument wird nicht erklärt, wie
Engagement durch die Nutzung der EU Indizes gefördert wird. Meines Erachtens gibt
es genug privatwirtschaftliche Engagement-Möglichkeiten, zumindest für Assetmanager
und institutionelle Anleger.
Die ESG Indexregulierungsvorschläge sind auch nicht gut
Ich finde es richtig, die Nutzung verantwortungsvolle
Indizes zu fördern (s. https://prof-soehnholz.com/verantwortungsvolle-als-einzige-offizielle-geldanlage-benchmarks/).
Es gibt zwar schon zahlreiche ESG- und SRI-Indizes, die allerdings meist wenig
strikt sind (s. https://prof-soehnholz.com/verantwortungsvolle-investments-im-vergleich-sri-etfs-sind-besser-als-esg-etfs/).
Es kann nicht schaden, wenn die EU die Transparenz für solche Indizes erhöhen
will (siehe z.B. https://prof-soehnholz.com/haben-fondsanbieter-angst-vor-reportingtransparenz/).
Die Expertengruppe ist sich durchaus bewusst, dass die
Einhaltung ihrer teilweise ziemlich detaillierten Index-Vorgaben zu höheren
Kosten von ESG-Indizes führen kann (S. 14). Das liegt auch an der quartalsweisen
Aktualisierungspflicht (S. 27). Ich finde es deshalb grundsätzlich gut, dass
alle Indizes, also auch „traditionelle“, künftig die ESG-Reportingpflichten
erfüllen sollen. Allerdings darf für Indexanbieter auch Non-Disclosure gewählt
werden (S. 28). Das wird sich aber vermutlich nachteilig auf die
Vermarktungschancen für die Non-Disclosure Indizes bzw. die darauf beruhenden
Produkte auswirken.
Gut finde ich auch, dass E, S und G Scores künftig,
zumindest auf Indexebene, separat ausgewiesen werden sollen. So kann eine gute „aggregierte“
Unternehmensführung nicht mehr ganz so einfach ein schlechtes soziales oder
ökologisches Profil kompensieren.
EU Klimaindizes und ESG-Indizes: Irreführung von Anlegern?
Allerdings müssen keine E, S oder G Mindestscores für die Indexbestandteile
ausgewiesen werden. So ist es immer noch möglich, dass einzelne
Indexbestandteile keine oder sehr schlechte E, S oder G Ratings haben. Von
Privatanlegern kann nicht erwarten kann, dass sie das verstehen.
Ich kann auch nicht nachvollziehen, warum dann einzelne
Elemente, die typischerweise in E, S und G Scores enthalten sind, zusätzlich separat
berichtet werden müssen (Details für Aktien siehe Seite 19/20). Damit meine ich z.B. „average degrees
of board independence and diversity” (G), “number of companies with social
violations” (S), “high emitting sector exposure” und mehrere andere Kriterien aus
dem Bereich Environment.
Außerdem sind bei den ESG- wie schon bei den Klimaindizes keinerlei
Ausschlüsse vorgesehen. Nur die Anteile der Unternehmen aus den Bereichen
Kontroverse Waffen und Tabak müssen separat ausgewiesen werden. Dass zum
Beispiel Öl- und Kohleproduzenten oder Alkoholhersteller ohne Restriktion in
„verantwortungsvollen“ Indizes enthalten sein dürfen, ist Privatanlegern wohl auch
nur sehr schwer zu erklären.
Regulierungsvorschläge für EU Klimaindizes und ESG erschweren gute Anlageberatung
Mit dieser komplexen Regulierung wird eine gute Anlageberatung
eher schwerer als leichter. Die Vereinheitlichung der CO2-Fussabdruck
Berechnung und Mindeststandards für E, S und G-Scores sind zwar gut. Die
komplexen Detailregeln mit den vielen Ausnahmen erschweren aber die Anlegerberatung
in Bezug auf nachhaltige Anlagen. Das kann dazu führen, dass das Potential
nachhaltiger Geldanlagen gehemmt wird. Das ist kontraproduktiv.
Besser als die EU Klimaindizes: Meine 4 Vorschläge
- Ersatzloser Verzicht auf eigene EU Klimaindizes
- Überarbeitung der Anforderungen in Bezug auf ESG und CO2 Reporting: Es sollte reichen, wenn E, S und G auch von traditionellen Indizes separat ausgewiesen und Mindestscores transparent gemacht werden. Dazu sollte informationshalber noch ein durch die EU definierter CO-Fußabdruck berechnet werden. Dafür sollten Scope 3 Emissionen aber sofort und eindeutig berücksichtigt werden. Alle anderen vorgeschlagenen Reportings sollten entfallen.
- Die EU kann zusätzlich eine Liste von eindeutig definierten Ausschlußsegmenten erstellen, auf die sich Indizes beziehen können. Es sollten aber nur 100%-Ausschlüsse genannt werden dürfen.
- Die Anforderungen unter 2 und 3 können auf alle (liquiden) Geldanlageportfolios ausgeweitet werden, sollten also nicht nur für Indizes gelten.