SDG-Kennzahlen: Hier werden Nachhaltigkeits-Rangfolgen von Wertpapier-Indizes mit sechs Nachhaltigkeitskennzahlen gebildet, davon fünf SDG-Kennzahlen. Die Rangfolgen unterscheiden sich teilweise stark. Eine SDG-Kennzahl wird als besonders attraktiv eingeschätzt.
SDG-Forschungsdefizit als Anlass für diese Analyse
Bei der Suche nach den nachhaltigsten Investments kommt es entscheidend auf die genutzten Metriken an. Solche Kenzahlen kann man für die Selektion von Aktien, Anleihen oder Fonds aber auch andere Zwecke wie die Gestaltung von Vergütungssystemen von Unternehmen nutzen.
ESG-Ratings sind am verbreitetsten aber werden seit Jahren und oft zu Recht kritisiert. Ähnliches gilt für regulatorische Kennzahlen wie EU-Taxonomie-konforme Umsätze oder Fondskategorisierungen auf Basis der Offenlegungsverordnung (SFDR Art. 6, 8 oder 9). Aber es gibt auch andere Kennzahlen.
Diesen Beitrag basiert vor allem auf Veröffentlichungen und Diskussionen innerhalb der Nachhaltigkeitskommission der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA), deren Mitglied ich bin. Unsere Kommission hat schon Einiges zu dem Thema publiziert, zum Beispiel Leitfaden Impact Investing, 18 Dimensionen nachhaltiger Anlagepolitik, und Befragung zu Impact-Ratings.
Hier stehen sogenannte Impact-Kennzahlen im Vordergrund. Obwohl es schon seit einigen Jahren diverse Impact-Ratings gibt, sind Vergleiche solcher Ratings selten. Eine gute derartige Analyse findet man hier: ““In Partnership for the Goals”? The (Dis)Agreement of Sdg Ratings” von Tobias Bauckloh, Juris Dobrick, André Höck, Sebastian Utz, und Marcus Wagner.
SDG ist das internationale Kürzel für Nachhaltige Entwicklungsziele der Vereinten Nationen. In der Zusammenfassung der Studie wird „ein beträchtliches Maß an Uneinigkeit, das bei großen Unternehmen sowie bei Unternehmen aus dem Gesundheitswesen und dem Grundstoffsektor besonders hoch ist“ festgestellt.
Diese Studie fokussiert auf aggregierte SDG-Scores unterschiedlicher Anbieter. Was weiterhin fehlt ist ein Vergleich der unterschiedlichen Elemente solcher „Impact“- Scores wie SDG-Umsätze, SDG-Operations etc..
Hier vergleiche ich unterschiedlichen SDG-Scoring-Elemente des von mir genutzten Datenanbieters Clarity.ai für ausgewählte börsennotierte Wertpapiere.
Gute Erfahrungen mit SDG-Kennzahlen
Seit 2015 suche ich nach den nachhaltigsten ETFs. Mit meiner ersten ETF-Selektion auf Basis von ESG-Kriterien war ich nicht völlig zufrieden. Die besten ESG-ETFs enthielten aus meiner Sicht zu viele Aktien und Anleihen von Unternehmen, deren Produkte und Dienstleistungen ich nicht für besonders nachhaltig halte.
Die Suche nach den besten Einzelaktien nach ESG-Kriterien brachte ein etwas besseres aber immer noch unbefriedigendes Ergebnis in Bezug auf deren Produktanagebote und Services. Erst mit der zusätzlichen Anforderung einer hohen SDG-Vereinbarkeit erhielt ich eine Lite von Unternehmen, die auch nach meiner persönlichen Einschätzung nach nachhaltig waren.
Weil keiner der von mir genutzten Datenanbieter adäquate Kennzahlen dazu anbot, musste ich anfangs eigene branchenbasierten SDG-Vereinbarkeitsschätzung nutzen. Die von meinem Datenanbieter später angebotenen SDG-Scores habe ich nicht genutzt, weil sie mir zu viele Überschneidungen mit den bereits von mir verwendeten ESG-Scores enthielten und für mich nur schwer nachvollziehbar waren. Erst als mein Datenanbieter SDG-Umsatzvereinbarkeiten angebot, habe ich diese zusätzlich zu ESG-Scores verwendet.
Inzwischen bieten Nachhaltigkeitsdatenanbieter oft mehrere Impactmetriken an.
SDG-Kennzahlen-Analyse eines Anbieters
Das gilt auch für meinen Datenanbieter. Ich kaufe aber nicht alle Daten und nutze auch nicht alle Metriken, auf die ich Zugriff habe, für meine Aktienselektion. Regulatorische Daten wie EU-Taxonomiequoten, Principal Adverse Indicators (PAI) und SFDR-Kennzahlen werden überwacht und berichtet, aber für Wertpapierselektionen gibt es meines Erachtens bessere Daten.
Für Selektionen nutze ich vor allem sogenannte Exposure-Daten, ESG-Scores, die Kontroversen umfassen und SDG-Umsätze. Fürs Reporting nutze ich bei Kundeninteresse zusätzliche Daten wie CO2-bezogene Informationen.
Solche Daten habe ich auch für einige eigene Veröffentlichungen genutzt, zuletzt für den Beitrag Maximale Portfolio-Nachhaltigkeit: Was geht?. Die aus meiner Sicht wichtigste Nachhaltigkeitsmetrik ist demnach aktivitätsbasierter SDG-Netto-Umsatz. Dabei bin ich allerdings nur auf Brutto- und Netto- und Entity- und aktivitätsbasierte Umsätze eingegangen, aber nicht auf alternative SDG-Metriken.
So stellt mein Anbieter auch Daten zu SDG-Vereinbarkeiten von Operations und Produkten und Dienstleistungen zur Verfügung sowie zu United Nations Global Compact (UNGC) und OECD-Verstößen sowie aggregierte SDG-Scores, die alle diese Kennzahlen umfassen. Diese Kennzahlen vergleiche ich im Folgenden für ausgewählte Indizes bzw. ETFs.
SDG-Daten-Analyse ergibt stark unterschiedliche Nachhaltigkeitsrangfolgen
Die von mir beurteilten ETFs bzw. die Ihnen zugrunde liegenden Indizes umfassen vor allem die Marktsegmente Globale Aktien, nämlich All-Caps, Mid-Caps, Small-Caps, SDG-Aktien, SRI (Socially Responsible Investments), CTB (Climate Transition Benchmark), und PAB (Paris Aligned Benchmark). Hinzu kommen globale ETFs für Gesundheitsaktien, erneuerbare Energie-Aktien und Green Bonds, weil das Segmente mit den höchsten Impactquoten sein dürften.

Wie schon in meinen vorherigen Analysen zeigt sich, dass sich die Best-in-Class ESG-Scores dieser aggregierten Index-ETFs nur wenig voneinander unterscheiden, denn sie variieren nur zwischen 69 (Clean Energy) und 74 (Grüne Anleihen). Die Skala geht von 0 bis 100 und hohe Scores bedeuten geringere ESG-Risiken und damit mehr Nachhaltigkeit.
Bei den aggregierten SDG-Scores (letzte Spalte) sind die Unterschiede viel größer. Sie reichen von 16 (Small-Caps) bis 71 (Clean Energy). Das bedeutet, dass der nach ESG-Scores am wenigsten nachhaltige Clean-Energy ETF der nach SDG-Scores nachhaltigste ETF in diesem Vergleich ist.
Bei der SDG-Operations-Vereinbarkeit wird für den ESG-Score-Besten (Green Bonds ETF) mit 2 der mit Abstand schlechteste Score ausgewiesen. Hier liegt der Gesundheits-ETF mit 50 vorne. Die Unterscheide zwischen ESG- und SDG-Operations-Scores sind besonders interessant, weil die einzelnen Kriterien, die für SDG-Operations-Score-Berechnungen genutzt werden, sich relativ stark mit denen der ESG-Scores überschneiden.
Bei den UNGC- und OECD-Verstößen geht die Bandbreite von relativ schlechten 16% für SRI-Aktien bis zu 0% für Small-Caps, Mid-Caps, Green Bonds und Erneuerbare Energie ETFs. Auch das ist zumindest für Small- und Mid-Caps überraschend und könnte an einer geringeren Datenverfügbarkeit liegen.
Bei den SDG-vereinbaren Produkten und Dienstleistungen steht der Clean Energy ETF mit 81 an der Spitze und der All County Aktienindex liegt mit 10 noch unter den Small- und Mid-Cap ETFs. Damit weicht die Reihenfolge geringfügig von der Rangfolge der SDG Netto-Umsätze ab, bei der ebenfalls Clean Energy mit 68 oben steht aber Small-Caps mit 5 am Ende nach Mid-Caps mit 6 und All Country mit 11.
Fazit: Ich habe klare SDG-Kennzahlen-Präferenzen
Hier werden Nachhaltigkeitsrangfolgen für ausgewählte Indizes bzw. ETFs anhand diverser Nachhaltigkeitskennzahlen eines Datenanbieters gebildet. Bei Diskussionen nachhaltiger Investments geht es oft um ESG-Scores. ESG-Scores können sich erheblich zwischen Anbietern unterscheiden. Das gilt aber auch für andere Nachhaltigkeits-Kennzahlen wie aggregierte SDG-Scores. Hier stehen diverse SDG-(Unter-)Scores im Vordergrund.
Der hier genutzte Anbieter bildet aggregierte SDG-Scores aus SDG-Umsätzen, SDG-Operations-Scores, Kennzahlen für die SDG-Vereinbarkeit von Produkten und Dienstleistungen und UNGC und OECD-Verletzungen.
Die gleichzeitige Nutzung von ESG- und aggregierten SDG-Scores erscheint konzeptionell kritisch: SDG-kritische Operations und -Umsätze sowie Produkte und Services werden typischerweise ebenso auch von ESG-Scores umfasst wie schwerwiegende Kontroversen.
Die SDG-Umsätze leiten sich konzeptionell aus SDG-vereinbaren Produkten und Services ab. Wie der Rangfolgevergleich zeigt, scheint die separate Erfassung von SDG Produkt- und Services-Scores deshalb kaum Zusatznutzen zu bringen. Der Vorteil von SDG-Umsätzen: Durch die Analyse von veröffentlichen Segmentumsätzen von Unternehmen sind SDG-Umsätze typischerweise auch für Laien einfach nachvollziehbar, wenn die segmentspezifischen Klassifizierungsregeln des Nachhaltigkeitsdatenanbieters bekannt sind. Das ist für die anderen hier genannten Kennzahlen nicht der Fall.
Ich bleibe deshalb bis auf Weiteres bei dem Fokus ESG-Scores und vor allem (aktivitätsbasierten) SDG-Nettoumsätzen für meine Wertpapierselektionen.
Exkurs: SDG-Kennzahlen für Politiker?
Traditionelle Aktienindizes (All-Cap, Mid-Cap und Small-Cap) weisen nur etwa 10% SDG-vereinbare Umsätze aus. Und selbst die angeblich nachhaltigsten diversifizierten SRI/CTB/PAB-Indizes haben nur eine SDG-Umsatz-Vereinbarkeit von 14 bis 22%. Das bedeutet, dass etwa 80 bis 90% aller Umsätze von Unternehmen bestenfalls SDG-neutral sind. Unspezifisches Wirtschaftswachstum, welches von sehr vielen Politikern bzw. Regierungen angestrebt wird, ist also nicht unbedingt positiv. Die relativ einfache und transparenten Kennzahl SDG-vereinbare Umsätze könnte deshalb auch eine gute Basis für politische Entscheidungen sein.