Traditionelle und Greenwashing-Anbieter sollten wirklich Angst vor Transparenz haben.
Professor Dr. Thomas Mayer vom Flossbach von Storch Research Institute hat heute einen Beitrag mit dem Titel „Die Nachhaltigkeits-Falle“ in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung veröffentlicht (Seite 29), in dem er m.E. gegen ESG-Reportingtransparenz argumentiert.
Reportingtransparenz statt Zwang
Herr Mayer konstruiert folgenden Fall: Zwei gleiche Unternehmen: Eines davon mit weniger Umweltinvestitionen und dadurch mehr CO2-Ausstoß und mehr Gewinn, sei deshalb angeblich attraktiver für Anleger. Er schreibt, Anleger können nur durch „Zwang“ wie Kapitalexportkontrollen zur nachhaltigen Anlage gebracht werden. Statt Reportingtransparenz oder „Zwang“ empfiehlt er Kosten für CO2-Ausstoß.
Ich habe nichts gegen Kosten für den CO2 Ausstoß. Es ist aber
sicher viel einfacher, Unternehmen zu einem transparenten Reporting zu bringen
als weltweit den CO2-Ausstoß einheitlich zu regeln. Darauf sollte hingearbeitet
aber nicht gewartet werden.
Schlechte EU ESG Experten?
Transparenz, wie sie die EU will, kann helfen (siehe z.B. hier https://prof-soehnholz.com/taxonomie-verantwortungsvoller-geldanlagen-praxisorientierter-vorschlag/). Anleger können dann das umweltfreundlichere Unternehmen wählen. Viele Statistiken zeigen, dass umweltfreundlichere Unternehmen typischerweise keine geringen Renditen bringen als andere (siehe z.B. hier).
Nach vielen Umfragen sind Anleger aber selbst bei potenziell
geringeren Finanzrenditen bereit, in umweltfreundlichere Unternehmen zu
investieren. Wenn das so kommt, werden umweltverschmutzende Unternehmen sauberer
werden müssen, um mehr Anlegergeld zu bekommen.
Mayer schreibt: Der „dumme Investor“ braucht nur die Vorgaben
der Experten „erfüllen und sich um die Folgen nicht kümmern“. „Der intelligente
Investor kann sich über die Kriterien „G“ und „S“ höchstwahrscheinlich ein
besseres Urteil bilden, als eine aus Industrievertretern und Interessengruppen
zusammengesetzte Expertengruppe“.
Mehr Reportingtransparenz kann kaum schaden
Ich verstehe nicht, wie man gegen mehr Transparenz für Anleger
sein kann, zumal das die Unternehmen kaum mehr kosten wird. Schon heute müssen
sie viel reporten. Künftig soll es nur mehr Standardisierung und Interpretationshilfen
geben. Das könnte die Reportingkosten sogar senken.
Natürlich ist es schwierig, objektives Reporting zu erstellen.
Aber nicht-perfektes Reporting heißt noch lange nicht, dass es irreführend ist.
Irreführen geht anders: Seitdem grüne Geldanlagen modisch sind, brüsten sich viele Anbieter mit „nachhaltigen“ Angeboten. Wenn man sich diese genauer ansieht, stellt man schnell fest, dass sie meist sehr wenige harte Ausschlußkriterien nutzen und oft nur relativ geringe ökologische und soziale Anforderungen an Unternehmen stellen. Jede zusätzliche Transparenz dazu ist wichtig. Es wird heute viel zu viel Greenwashing betrieben (siehe z.B. https://prof-soehnholz.com/weder-greenwashing-noch-greenbashing-kritik-an-flossbach-kritik/).
„Dumme“ Anleger, die sich nach Environment, Social und
Governance Ratings richten, halte ich für schlauer, also solche, die solche
Ratings gar nicht beachten. Solche Ratings zu nutzen heißt ja noch lange nicht,
dass daraus formale Investitionsbeschränkungen abgeleitet werden.
Reportingtransparenz gegen Benchmarkhugging
Meines Erachtens gibt es ein viel größeres Problem: Heute erhalten viel nachhaltige Unternehmen weniger Geldanlagen als nicht-nachhaltige Unternehmen, wenn sie nicht in gängigen Finanzindizes vertreten sind (siehe z.B. https://prof-soehnholz.com/verantwortungsvolle-als-einzige-offizielle-geldanlage-benchmarks/). Die Angst der Abweichung von traditionellen Benchmarks ist bei institutionellen Anlegern und professionellen Geldanlageanbietern oft groß. Sie beschränken sich selbst, ohne dazu gezwungen zu werden.
Traditionelle und Greenwashing-Anbieter sollten wirklich Angst vor Transparenz haben.