Es gibt meines Erachtens drei Arten von ESG-Ratern: Die mit umfangreichen individuellen Fragebögen, die Unternehmen beantworten müssen, diejenigen, die wie MSCI und Refinitiv nur auf öffentliche Informationen setzen und Unternehmen so zu umfassenderen Veröffentlichungen veranlassen wollen und diejenigen, die auf tagesaktuelle maschinell ausgewertet Daten setzen wie Arabesque.
ESG Indexzukunft habe ich diesen Blogbeitragstitel auch aufgrund der „spektakulären“ diesbezüglichen Einschätzung von MSCI genannt (s.u.). Mögliche negative Auswirkungen des Coronavirus oder der aktuelle Börsenverlusten sind in diesem Beitrag, in dem wieder mehrere gerade veröffentlichte Researchbeiträge kommentiert werden, noch nicht berücksichtigt. Die Verluste an den Börsen könnten aber etwas Positives bewirken, wenn Anleger beim Wiedereinstieg in die Märkte konsequent auf verantwortungsvolle Investments setzen würden.
In eigener Sache gibt es seit letzter Woche zu berichten, dass Diversifikator jetzt Mitglied bei CRIC ist, dem Verein zur Förderung von Ethik und Nachhaltigkeit bei der Geldanlage. CRIC hat mich mit interessanten Veranstaltungen mit tiefgehenden und kritischen Diskussionsmöglichkeiten überzeugt.
ESG und Materialität
Dynamic Materiality™: Measuring what
Matters von Thomas
Kuh et al. vom 17. Januar: Materialität wird oft in Verbindung mit ESG-Daten
genannt und bedeutet, dass eine Information aus finanzieller Anlegersicht
wichtig ist. Mit dem Begriff der Dynamischen Materialität weisen die Autoren
darauf hin, dass sich solche Einschätzungen über die Zeit ändern können. Mein
Kommentar: Das ist gut nachvollziehbar, aber für wirklich
verantwortungsvolle Investoren, für die nicht nur Rendite zählt, ist eine
solche finanzielle Materialität zwar interessant, aber nicht entscheidend.
Wichter sind soziale und ökologische „Materialitäten“.
Dazu passend: Sustainable
investing: fast forwarding ist evolution von KPMG und Create Research vom
Februar 2020: Interessanter Fokus auf Hedgefonds und Lehren früher
institutioneller “Adopter”. “Sustainability
is set to morph into the new gold standard, as our societies seek to overcome
the side effects of the turbocharged capitalism of the past 40 years. … There
is an increasing realization that finance must give something back to society
as well as making profit. Early results are encouraging (S. 52).“
Positive ESG Indexzukunft, denn ESG kostet keine Rendite
Financial
Performance of Sustainable Investing: The State of the Field and Case Studies
of Endowments, Intentional Endowments Network, Februar 2020.
S. 2: “A growing body of evidence from academics and practitioners shows that
sustainable investing strategies, in general, perform as well or better than
traditional approaches.” Mein Kommentar:
Die Literaturanalyse ist nicht neu, die Stiftungsfallbeispiele aber schon.
How does investing in ESG companies effect Returns von Patrick Wang und Madison Sargis von Morningstar Quantitative Research vom 19. Februar 2020. Ergebnis: “We have no evidence that investors need to sacrifice returns when they invest in good ESG companies globally compared with bad ESG stocks” (S. 1). Mein Kommentar: Das Studienergebnis entspricht den Erwartungen. Aber es ist enttäuschend, dass nur aggregierte ESG-Scores analysiert werden.
Investor
Sentiment and the Expected Returns of Socially and Environmentally Responsible
Firms von Vitor G. Azevedo, Christoph Kaserer und Lucila M.
S. Campos vom 13. Januar
2020 (Hinweis durch den Kommentar am 24.2.2020 bei Klement on Investing). In
der Zusammenfassung steht: “We find that in the long-term, the CSR and CER
premia have a neutral relation to financial performance” (S. 30). “In the
short-term, we find that CSR and CER premia are time-varying and, more importantly,
it has a strong relation to investor sentiment” (S. 31; Erklärung: CSR = Corporate
Social Responsibility, CER = Corporate Environmental Responsibility und sustainability
premium = the return difference of high-intensity minus low-intensity CSR/CER
firms).
ESG
and the cost of capital von Ashish Lodh von MSCI vom 25. Februar
zeigt, was manche bestreiten: “Companies with high ESG scores, on average,
experienced lower costs of capital compared to companies with poor ESG scores
in both developed and emerging markets during a four-year study period. The
cost of equity and debt followed the same relationship.”
ESG
investing in corporate bonds: Mind the gap von Mohamed
ben Slimane et al. von Amundi Asset Management vom Dezember 2019. Im Abstract
steht: “In particular, we observe that ESG has had a more positive impact on
EUR IG bonds in recent years than on the USD IG and HY investment universes.
Nevertheless, we observe a common trend that ESG is increasingly integrated
into the pricing of corporate bonds and is a concern when building an investment
portfolio.” Und auf Seite 36: “We also notice that ESG has a positive impact on
the cost of debt and this relationship has become stronger in recent years.”
Positive ESG
Indexzukunft am Beispiel von ETFs
Nachhaltige ETFs – Indexkonzepte und
Anlageperformances heisst der (kostenpflichtige) Report von
Absolut Analyse, über den ich bereits berichtet hatte. Diesen Punkt aus dem
Absolut Report 6/2019 (S. 64) finde ich besonders interessant: „Je strenger die
ESG-Kriterien angewandt wurden, desto höher fiel tendenziell die Überrendite
aus“. Mein Kommentar: Die guten Renditen der sehr strengen
ESG-Portfolios von Diversifikator unterstützen diese These, siehe https://prof-soehnholz.com/tolle-2019er-esg-performance/).
Performance of S&P 500 ESG
Indices: The impact of weighting methodologies and ESG ratings
von Benjamin Hübel, Hendrik Scholz und Nicolas Webersenke vom 30. September
2019 (nur Abstract verfügbar). Die Autoren schreiben: “Our key finding is that
the weighting methodologies of sustainable indices can be a main return driver”
und beziehen sich speziell auf Gleichgewichtung. Mein Kommentar: Das ist ein sehr valider Punkt und
entspricht meinen Erfahrungen, siehe auch hier.
Voting, ESG-Ratings und ESG Indexzukunft
Quant’s Look on ESG Investing
Strategies
von Radovan Vojtko und
Matus Padysak vom 13. Dezember 2019 hatte ich schon erwähnt, diesen Punkt hatte
ich jedoch bisher unkommentiert gelassen: Die Quantpedia-Autoren stellen zu ESG
Ratingdifferenzen z.B. auf S. 6 fest: “the divergence is most pronounced for
KLD data. However, this is the data set on which most of the
academic research is based.” Trotz der aufgeführten Daten- und Studienprobleme
schliessen die Autoren mit: „we believe that we presented some possible usages
of ESG scores from the quantitative point of view. Either for a
profit-enhancing properties or simply for producing more socially responsible
strategies” (S. 10). Mein
Kommentar: Eine noch
nicht veröffentliche Analyse von Henrik Pontzen und Gunnar Friede von der Sustainable
Investing Commission der DVFA kommt in Bezug auf einen anderen vielgenutzen ESG-Datenanbieter
zu ähnlichen Ergebnissen.
Credit Suisse Research Institute Summary Edition Credit Suisse Global Investment Returns Yearbook 2020 vom Februar 2020 gibt einen Überblick über aktuelles ESG Research. Zu Ausschlüssen heißt es auf Seite 11: “performance is almost as often improved as diminished, and the long-run impact of exclusion is modest.” Mein Kommentar: Anders als in dem Dokument zusammengefasst, sprechen mehr und auch viele gut gemachte der aufgezählten Studien eher für ESG-Out- als für Underperformance. Die Divergenz von Ratings sehe ich vor allem durch „Outlier“ wie KLD beeinflusst und auf E, S und G Ebene insgesamt relativ gering bzw. durch unterschiedliche Ratingansätze erklärbar und deshalb nicht so kritisch. Am kritischsten schätze ich den angeblichen positiven Einfluss von Voting/Engagement ein. Dieser beschränkt sich auch nach dem CSFB-Dokument bisher nur auf sehr wenige und sehr langwierige Fälle (siehe auch https://prof-soehnholz.com/divestmentkritik-populaere-aber-falsche-kritik-an-verantwortungsvollen-geldanlagen/).
MSCI Says ESG Indexes Will Be Bigger Than Traditional Gauges von Ishika Mookerjee und Abhishek Vishnoi am 13./14. Februar auf Bloomberg online. “MSCI Inc. expects its ESG indexes to eventually get more following than its traditional benchmark offerings”. Auch interessant: “MSCI is now diversifying sources for sustainability-related information to go beyond company disclosures to proxies such as government fines, product reports and news coverage. About 45% of the input that goes into the ratings is not coming from company disclosures”. Mein Kommentar: Es gibt meines Erachtens drei Arten von ESG-Ratern: Die mit umfangreichen individuellen Fragebögen, die Unternehmen beantworten müssen, diejenigen, die wie MSCI und Refinitiv nur auf öffentliche Informationen setzen und Unternehmen so zu umfassenderen Veröffentlichungen veranlassen wollen und diejenigen, die auf tagesaktuelle maschinell ausgewertet Daten setzen wie Arabesque. Mit der Ausweitung der Ratingbasis von MSCI könnten die Abweichungen der MSCI ESG-Ratings zu anderen ESG-Ratings reduziert werden. Maschinelles Lernen ist grundsätzlich gut. Ich bin aber unsicher, wie verlässlich die Ergebnisse sind und inwieweit sie noch von natürlicher Intelligenz geprüft werden müssen.
ESG Indexzukunft: Greenwashing und Impactinvestments
„Tue gutes
und werde ein Schuft“ schreibt Maja Brankovic am 23. Februar in der Frankfurter
allgemeinen Sonntagszeitung auf Seite 18. Dort steht unter Verweis auf eine
aktuelle Publikation auf Basis einer Studie von Engel/Czech u.a.: „Die Menschen lieben es, ein
klein Wenig Gutes zu tun. Weil es sie im Anschluss von weiteren moralischen
Verhalten befreit“. Und in Bezug auf eine Biobaumwollzertifizierung sagt Frau
Czech, Siegel wie dieses seien beim nachhaltigen Konsum das größte Problem. Sie
plädiert für „ganzheitliche“ Siegel, die z.B. auch Sozialaspekte umfassen. Mein
Kommentar: Übertragen auf die Geldanlage erscheint Greenwashing so noch kritischer:
Geldanleger könnten sich mit Ausschlüssen von Streubomben oder spezialisierten „Ökologisch
orientierten“ Investments zufrieden geben und nicht mehr auf ganzheitliche und
auch soziale Effekte ihrer Investments achten.
Social preferences of investors and
sustainable investing von Harshini Shanker vom Dezember
2019: Basierend auf den durchaus umstrittenen Nachhaltigkeitsratings von
Morningstar heisst es auf S. 21: „I document a large fraction of conventional
funds that systematically prioritize sustainable investments even without an
explicit social mandate. I also document a large fraction of SR funds whose
portfolios are no more sustainable than that of the average fund. I find that
these poor globe ratings are highly persistent over time, ruling out that
ratings accidental and indicating greenwashing.” Ausserdem steht auf Seite 22:
“Both conventional and SR investors fail to punish poor social performance to
the same extent that they reward strong social performance.” Mein Kommentar: Das untermauert meine Bedenken in
Bezug auf die Schädlichkeit von Greenwashing.
The future is impact. A survey and
insights on the state of impact investing in the Nordics von NN Investment Partners und
Kirstein ist interessant, weil nordische Institutionelle zu den Pionieren und
“Fans” von Impactinvestments gehören. Mein Kommentar: Green Bond Investments,
besonders von nicht-nachhaltigen Emittenten, sehe ich wesentlich kritischer als
die Studienteilnehmer. Die Studie macht deutlich, dass es noch viel Raum für
gute Impactangebote gibt (s. auch https://prof-soehnholz.com/impactesg-innovatives-mischfondsprojekt-der-von-der-heydt-bank.
Passive Asset
Allokation und ETFs
Buy-and-hold
and constant-mix may be better allocation strategies than you think
von Thomas J. O’Brien vom Februar 2020. Im abstract steht: “Given
mean-reverting equity and uncertain interest rates, investors sacrifice little
in expected utility by replacing the optimal reallocation strategy with a
simpler allocation strategy of either buy-and-hold or constant-mix.” Erklärung: Constant Mix wird regelmäßig
z-B. auf 50/50 Aktien/Anleihen rebalanziert, Buy-and-hold nicht. Mein
Kommentar: Das ist auch meine Erfahrung, siehe https://prof-soehnholz.com/passive-asset-allokationen-sind-besser-als-aktive/.
Welcher ETF hat die beste Tracking
Difference? Von Benjamin
Schulz am 12. Februar bei extraETF weist zurecht darauf hin, dass sich die
Tracking Differenz von ETFs gegenüber Indizes relativ häufig ändern kann.