Wohnteilen Grafik zum positiven Schneeballeffekt

Wohnteilen: Viel Wohnraum-Impact mit wenig Aufwand

Wohnteilen: Mit Fokus auf Full-Service für 2er SeniorInnen WGs kann sehr ökologisch mit wenig Geld viel und t.w. seniorengerechter Wohnraum geschaffen werden. Das Konzept kann einfach auf andere Zielgruppen erweitert werden, auch als Werkswohnungsalternative. Mit unserem Beitrag präsentieren wir Ideen, die von anderen umgesetzt werden können wie Startups oder Großunternehmen, Kommunen, Stiftungen und Nicht-Regierungsorganisationen.

Das Konzept

Die Wohnteilen-Idee

Es gibt einen großen Mangel an bezahlbarem Wohnraum und gleichzeitig leben ziemlich viele Personen alleine in relativ großen Wohnungen oder Häusern. Wenn man diese „Singles“ dazu bringen würde, andere Personen bei sich aufzunehmen, könnte man sehr kostengünstig und ökologisch zusätzlichen Wohnraum schaffen.

Die Idee ist nicht neu. „Wohnen gegen Hilfe“ beispielsweise solle an Universitätsstandorten Wohnraum für Studierende bei Senioren schaffen. Außerdem bemühen sich einige Wohnungsgesellschaften und Städte, SeniorInnen zum Umzug in kleinere Wohnungen zu finden sind. Aber bisher hat es offenbar noch niemand geschafft, solche Projekte in einem größeren Maßstab bzw. dauerhaft erfolgreich umzusetzen.

Das ist auch uns auch noch nicht gelungen. Gemeinsam mit einem ehemaligen Kollegen von der Boston Consulting Group versuche ich seit 2017, Geldgeber für ein solches Projekt zu finden. Zunehmende Wohnungsknappheit, Inflation und vor allem Brennstoff- und Stromkostenerhöhungen sowie teure Modernisierungs- und Sanierungspflichten machen unser Wohnteilen genanntes Projekt jetzt aber attraktiver.

Großes Potenzial durch einen positiven Schneeball-Effekt

Die Grundidee ist einfach: Im Idealfall bringt Wohnteilen zwei Singles zum zusammenwohnen und die freiwerdende Wohnung wird von 2 weiteren Singles belegt. So werden zwei weitere Wohnungen vermietbar, die wiederum von 4 Singles bewohnt werden können. Scherzhaft nennen wir das 1+1=4 und bezeichnen es als positiven Schneeball- oder Multiplikationseffekt.

Interessenten müssen aber weder Singles sein noch eigenen Wohnraum mitbringen, denn das Projekt soll für möglichst viele Teilnehmer interessant sein. Das heißt, dass auch größere Wohngemeinschaften gebildet werden können und auch Mieter und nicht nur Eigentümer von Wohnraum zu unserer Zielgruppe gehören.

Unser regional umsetzbares aber grundsätzlich überregional angelegtes Konzept erfordert im Idealfall eine Anschubfinanzierung von mindestens einer Million Euro für Programmierungen einer Online-Matchingplattform und für ein kleines Full-Service Team, das auch persönliche Beratung leisten kann. Wohnteilen ist nicht auf Gewinn ausgelegt und soll als gemeinnützige GmbH gegründet werden, die sich im Idealfall nach wenigen Jahren selbst finanzieren kann. Auch eine gewinnorientierte Variante ist denkbar. Leider ist es uns bisher noch nicht gelungen, Sponsoren bzw. Anschubfinanzierer dafür zu finden.

SeniorInnen als primäre Zielgruppe

Recherchen und Diskussionen der Idee mit Experten und Laien führte zu Konkretisierungen, So kann man annehmen, dass oft vor allem ältere Damen, die ihren Mann verloren haben, nicht nur auf relativ vielen Quadratmetern wohnen, sondern vielleicht auch offen für MitbewohnerInnen sind, um Miet- oder Betriebskosten zu teilen, Einsamkeit zu reduzieren oder sich gegenseitig zu unterstützen, z.B. beim Ausführen von Hunden.

Hier sind zunächst die Fakten:

  1. Wohnungsknappheit liegt nicht primär am Bevölkerungsanstieg, sondern eher daran, dass die Wohnflächen pro Person in den letzten Jahren sehr stark gestiegen sind (vgl. Chaumet, M. und z.B.  Verbietet das Bauen | Der Blog gegen die Bauwut (verbietet-das-bauen.de)
  2. Je älter wir werden, desto mehr Wohnfläche nutzen wir ( (Ergebnisse der neuen Berechnungs- und Prognosemethode von Martin Chaumet, die neben Haushaltsgrößen auch das Alter von Personen und typische Haushaltszusammensetzungen berücksichtigt, u.a. S. 19/20)
  3. 5,9 Millionen, ein Drittel der über 64-Jährigen, leben in Ein-Personen-Haushalten (Körber-Stiftung und Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung)
  4. Die Wohnkosten sind auch für Eigentümer mit abgezahlten Wohnungen/Häusern ziemlich hoch (s. z.B. Bolz/Beckmann)
  5. Es besteht ein hoher Bedarf nach alters- bzw. seniorengerechten Umbauten (s. z.B. Bolz/Beckmann)
  6. Das Altersarmutsrisiko ist mit 40% sehr hoch (vgl. Bertelsmann S. 71 und Bovelet S. 18/19)
  7. Die Einsamkeit ist bei älteren Personen hoch und gesundheitsschädlich (vgl. Holt-Lundstad et. al. oder Kompetenznetz Einsamkeit (KNE) s. www.kompetenznetz-einsamkeit.de).

Im Rahmen unserer Befragungen zum Projekt Wohnteilen wurde klar: Viele ältere Personen wollen nicht aus ihren eigentlich zu großen Wohnungen ausziehen, weil sie oft woanders kaum billiger wohnen können aber vor allem, weil sie keine Veränderungen wünschen und auch den Aufwand von Umzügen scheuen. Und natürlich soll niemand zum Auszug gezwungen werden.

Auch dazu gibt es Zahlen:

  • Vor allem der Umzug in ein Altersheim wird von 40% der 50 bis 70Jährigen abgelehnt. Über 40% aus dieser Altersgruppe sind aber offen für Wohngemeinschaften bzw. Mehrgenerationenhäuser. Das sind „in den kommenden 5 bis 20 Jahren … etwa 10 Millionen Menschen …, die nicht ins Altersheim wollen und auf jeden Fall andere Lebensformen bevorzugen würden.“ (Otten, S. 172, 175/176, 245)

Bei Befragungen stellt man immer wieder fest, dass eine der Umzugsvoraussetzungen eigene abgeschlossene Wohnungen sind. Aber es gibt auch Anhänger von geteilten Wohnungen:

  • 12% der 65 bis 85jährigen bzw. 18% derjenigen mit höherer Schulbildung würde am liebstem in einer WG mit anderen Alten leben (Generali, S. 309/310). Bei 17,5 Millionen sind das ca. 2,1 Mio. Personen. Zum Vergleich: Derzeit befinden sich etwa 700.000 Personen in 8.500 Pflegeeinrichtungen (Eigene Berechnungen nach Statista-Daten, vgl. für die USA Aging | Joint Center for Housing Studies (harvard.edu)).

Wohnteilen-Unterschiede zu gemeinschaftlichen Wohnkonzepten und „Wohnen gegen Hilfe“

Eine Internetrecherche ergab kein umfassendes Lösungsangebot, das bisher nachhaltig erfolgreich war. Gemeinschaftliche Wohnprojekte (vgl. FORUM Gemeinschaftliches Wohnen e.V., Bundesvereinigung | Home (fgw-ev.de) boomen zwar, aber sie unterscheiden sich stark von unserem Ansatz. Bei solchen Projekten bauen sich meist größere Gruppen von oft nicht mehr ganz jungen Interessenten gemeinsam einen Bestandsbau nach ihren Bedürfnissen um oder bauen ein neues Mehrparteienhaus für sich. Gemeinschaftlichen Wohnprojekte sind typischerweise komplex, langwierig und teuer.

Wohnteilen ist auf Kooperationen von typischerweise nur zwei Personen ausgerichtet und fokussiert auf Bestandsbauten (vgl. in den USA z.B. www.seniorhomeshares.com bzw. www.silvernest.com). Beim Zusammenzug von nur zwei Personen sind zwar oft Umbauten nötig, diese können aber typischerweise schnell erfolgen. Damit ist ein Wohnprojekt für die InteressentInnen viel einfacher, schneller und kostengünstiger umsetzbar.

Unser Projekt ist zudem nicht nur auf einen Standort ausgerichtet wie beispielhafte Projekte in Magdeburg und Potsdam (vgl. Körber-Stiftung und Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung S. 13 und 16), sondern überregional umsetzbar. So können sich Interessen auch zu Wohngemeinschaften in anderen Orten zusammenfinden, beispielsweise wenn SeniorInnen in die Nähe anderer Familienmitglieder ziehen möchten.

Dabei können selbst Zweizimmerwohnungen grundsätzlich für Wohnteilen genutzt werden. In dem Fall werden Bad und Küche wie in einer typischen Studierenden-WG gemeinschaftlich genutzt. Ideal sind jedoch größere Häuser/Wohnungen mit mindestens drei Zimmern, vor allem solche mit zwei Bädern, die es relativ häufig gibt. Viele dieser Wohnungen bzw. Häuser sind, zumindest bei moderaten Qualitätsansprüchen, relativ kostengünstig in mehrere Wohnbereiche mit separaten Bädern teilbar. Teuer wird es meist nur, wenn gleichzeitig seniorengerechte Umbauten erfolgen sollen. Wohnteilen will solche Kosten aber durch Kooperationen mit „akkreditierten“Baufirmen begrenzen. Außerdem gibt es zahlreiche Fördergelder für solche Umbauten, die Wohnteilen empfehlen bzw. organisieren kann.

Unterschiede von SeniorInnen- und Studierenden-WGs

Zunächst haben wir uns gefragt, ob bestehende Wohngemeinschafts-Vermittlungen für unser Projekt genutzt werden können. SeniorInnen können ja dort schon heute freien Wohnraum annoncieren oder suchen. Die geringe Nutzung solcher Plattformen durch SeniorInnen liegt unserer Meinung nach nicht daran, dass diese  nicht mit dem Internet arbeiten wollen. Viele SeniorInnen scheinen inzwischen ziemlich internet-affin zu sein oder können Unterstützung durch Familienmitglieder oder sogar gemeinnützige oder öffentliche Services erhalten. Aber WG-Plattformen sind normalerweise auf Studierende ausgerichtet (Wohnbuddy aus Wien ist eine relativ neue Ausnahme).

Die geringe Nutzung liegt möglicherweise eher daran, dass SeniorInnen nicht unbedingt mit Studierenden zusammenziehen wollen und deshalb kaum Mitwohnangebote auf solchen Plattformen anbieten. Außerdem sind SeniorInnen WGs grundsätzlich auf längere Zeit angelegt als Studierenden WGs. Zudem sind SeniorInnen tagsüber typischerweise wesentlich länger vor Ort in den Wohnungen anwesend als Studierende.

Des Weiteren gehen wir davon aus, dass SeniorInnen lieber nur mit einer weiteren Person zusammenziehen als in größeren Gruppen, was bei Studierenden anders zu sein scheint. Für SeniorInnen ist es deshalb besonders wichtig, mit wem sie zusammenziehen. Und die Mitbewohnerauswahl ist über typische Studierenden-WG Plattformen allenfalls sehr beschränkt möglich.

Umsetzungsmöglichkeiten

Angebot als Engpass und lokaler Fokus wichtig

Unsere Ausgangshypothese war, dass das Angebot von Mitwohnmöglichkeiten der Engpass sein würde und nicht die Nachfrage. Außerdem sind wir davon ausgegangen, dass SeniorInnen meistens in der Nähe ihres bisherigen Wohnortes bzw. Quartiers bleiben wollen. Beide Argumente sprechen dafür, ein Pilotprojekt in einer großen Stadt mit begrenztem Wohnungsangebot zu starten.

Auch an den geringen Erfolgen von lokalen „Wohnen gegen Hilfe“ Projekten, bei denen Studierende zu SeniorInnen ziehen, kann man die These ableiten, dass SeniorInnen lieber mit gleichaltrigen als mit Studierenden zusammenziehen wollen.

Eine unserer Thesen ist, dass Zielwohnungen idealerweise seniorengerecht sein sollten. Aber es gibt nur sehr wenige seniorengerechte Wohnungen in Deutschland. Hinzu kommt, dass viele dieser Wohnungen im Erdgeschoß liegen, weil ein stufenloser Zugang eine der Voraussetzungen für solche Wohnungen ist. Und Erdgeschoßwohnungen werden wegen der wahrgenommenen Einbruchsgefahr oft als unsicherer angesehen als Wohnungen in höheren Etagen.

Anreize durch altersgerechte Umbauten: Full-Service Angebote?

Für seniorengerechte Wohnungen können höhere Mieten und Kaufpreise verlangt werden als für Standardwohnungen. Für Vermieter und Verkäufer können sie deshalb interessant sein. Senioren, die oft langjährige günstige Mietverträge haben oder bereits abbezahltes Eigentum bewohnen, können sich solche Wohnungen aber oft nicht ohne Weiteres leisten.

Ein Vorteil unseres Konzeptes ist es, dass sich mindestens zwei Personen eine seniorengerechte Wohnung teilen und so die Umbaukosten pro Bewohner niedriger sind als bei Singlewohnungen. Auch die Nebenkosten pro Person können bei einer geteilten Wohnung niedriger ausfallen und das kann sogar für eventuelle Betreuungs- bzw. Pflegekosten gelten.

Und seniorengerechte Wohnungen fehlen auch in Wohnorten, die nicht unter einem Nachfrageüberhang nach Wohnungen leiden. Wenn mit unserem Projekt mehr seniorengerechte Wohnungen geschaffen werden können, kann unser Projekt deshalb auch außerhalb von Ballungsgebieten attraktiv sein.

Unser Projekt ist aber bewusst nicht auf Pflegefälle ausgerichtet. Der Pflegemarkt ist reguliert und Pflege ist teuer und auch pflegerechte Wohnungen können erheblich teurer als seniorengerechte Wohnungen sein. Allerdings gehen wir davon aus, dass seniorengerechte Wohnungen von SeniorInnen länger genutzt werden können als in Standardwohnungen und damit ungeliebte Wechsel in Alters- und Pflegeheime verzögert oder sogar vermieden werden können.

Im Laufe unser Projektrecherchen hat sich herausgestellt, dass auf Dauer wohl nur Full-Serviceangebote erfolgreich sein werden. Das heißt, dass Wohnteilen Anbietern und Nachfragern von Mitwohnmöglichkeiten umfassende Beratungen zur Wohnpartnerauswahl, Mietverträgen, Umbauten und Umzügen liefern können sollte. Beim Nach-Zusammenziehen geht es dabei vor allem um Konfliktlösungsthemen in Bezug auf das Zusammenwohnen, um die Abbrecherquote möglichst gering zu halten.

Für Full-Service ist selbst bei weitgehender Auslagerung von Aufgaben wie der Programmierung einer Vermittlungsplattform ein Team von mehreren Personen nötig (ein IT-Entwurf für eine solche Plattform liegt bereits vor, vgl. Chaumet, N.). Das Kernteam könnte zum Beispiel aus einer Beraterin bzw. Psychologin, einer Bau- und einer juristischen Expertin sowie einer Marketingexpertin bestehen. Bei Nutzung von Videokommunikation ist dafür keine flächendecken Präsenz nötig. Das gilt vor allem wenn es gelingt, mit lokalen Organisationen mit ähnlichen Zielen wie zum Beispiel Wohnberatungsstellen oder Mietervereinen zu kooperieren.

Überschaubarer Finanzierungsbedarf für Wohnteilen

Um die im Rahmen des Projektes erforderliche Beratung von Interessenten und laufende Betreuung von „Kunden“ sicherzustellen, ist Einiges an eigenen Programmierungen und eigenem Personal und damit an Finanzmitteln erforderlich.

Wohnteilen soll aber nicht dauerhaft nur mit Spenden und öffentlichen Fördermitteln finanziert werden. Das würde bedeuten, dass mindestens kostendeckende Gebühren für Services angesetzt werden müssten. Während das für eine reine Online-Matching Plattform noch denkbar wäre, war schnell klar, dass eine umfassende qualifizierte persönliche Beratung einen erheblichen Zeitaufwand pro Kunde erfordern würde. Diese Nutzungskosten pro Fall haben wir sehr grob mit tausend bis zweitausend Euro geschätzt. Wenn Umbaumaßnahmen dazu kommen, kann der Beratungsbedarf aber sogar noch erheblich steigen. Das können oder wollen sich längst nicht alle SeniorInnen leisten. Wohnteilen ist aber auch auf SeniorInnen ausgerichtet, die sich diese Services nicht leisten können.

Wohnteilen selbst würde zwar keine Umbauarbeiten auf eigene Kosten durchführen, sondern Partner suchen, die ein möglichst gutes Preis-/Leistungsverhältnis bieten. Grundsätzlich sind deshalb auch Aufstockungen, Anbauten oder separate (Mini-)Häuser im Garten möglich, um zusätzlichen Wohnraum zu schaffen. Wohnteilen kann zudem dabei helfen, geeignete Profis für Renovierungen, Entrümpelungen, Neumöblierungen und Umzüge zu.

Solvente Service-NutzerInnen sollen für diese Services zahlen und zusätzlich sind Spenden, Zuschüsse, Sponsoring und auch Werbeeinnahmen über die geplante Online-Plattform geplant. Das wird aber zumindest in den Anfangsjahren nicht ausreichen, um die Kosten zu decken.

Anders als bei Stiftungen und Vereinen haben Eigenkapitalgeber des von uns geplanten gemeinnützigen Unternehmens dabei grundsätzlich einen Anspruch auf Erhalt bzw. Rückzahlung ihres Kapitals. Vor allem aber können Kredite aufgenommen werden, für die marktübliche Zinsen an die Kreditgeber gezahlt werden können. Gemeinnützige Unternehmen sind zudem viel weniger reguliert als Stiftungen und dadurch viel flexibler. Inzwischen liegt eine vom Finanzamt akzeptierte Satzung für ein solches Unternehmen vor. Die Satzung sieht sogar vor, dass Wohnteilen Wohnungen und Häuser anmieten und ankaufen darf.

Einige wahrgenommene Hemmnisse

Eigene Wohnteilen-Befragung in 2018 durchgeführt

Um die vielfältigen möglichen Einwände gegen und die Erfolgsvoraussetzungen für unser Projekt zu prüfen, haben wir uns dazu entschlossen, eine formelle Untersuchung zu machen. Dafür haben wir die studentische Unternehmensberatung Green Finance Consulting (GREEN finance consulting e. V. – Die studentische Unternehmensberatung Frankfurt – Studenten beraten Unternehmen (green-fc.de)) von der Goethe-Universität Frankfurt angesprochen, die für unseren guten Zweck sogar umsonst arbeitet gearbeitet hat.

Die sehr engagierten Studenten der Gruppe haben zwei Befragungen erarbeitet, die Anfang 2018 durchgeführt wurden. Eine Befragung in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Roten Kreuz Frankfurt richtete sich an Senioren direkt, um die Bedeutung einzelner Gründe für und gegen Wohngemeinschaften zu erfragen. Die zweite Befragung richtete sich mit vergleichbarer Fragestellung an ausgewählte Wohnungsgesellschaften in Frankfurt, München, Düsseldorf und Köln.

Beide Befragungen stießen auf relativ wenig Resonanz und führten nur zu wenig ermutigenden Rückmeldungen. So war nur ein einziges der vielen teils mehrfach angesprochenen Wohnungsunternehmen überhaupt bereit, sich zu dem Projekt zu äußern. Das hat uns aber nicht daran gehindert, weiter an dem Projekt zu arbeiten.

Politiker bisher nicht interessiert

Einige Passagen des Koalitionsvertrages von 2017, vor allem die unter dem Stichwort „Wohnraumoffensive“, lesen sich wie auf Wohnteilen zugeschnitten, z.B. „Wir wollen das Engagement von Genossenschaften, kommunalen und kirchlichen Wohnungsunternehmen, nicht gewinnorientierten Initiativen und Stiftungen für den Neubau und eine sozialverträgliche Sanierung im Sinne einer Gemeinwohlorientierung unterstützen. Wir wollen dazu gezielt langfristige Finanzierungen und Bürgschaften über 20 Jahre durch die KfW zur Verfügung stellen. Mit Beratung, weiteren innovativen Finanzierungsmodellen und einem Austausch guter Beispiele wollen wir auch Neugründungen in diesem Feld unterstützen.“ Und auch die aktuelle Bundesregierung ist grundsätzlich an solchen Projekten interessiert, wie zum Beispiel Äußerungen von Ministerin Geywitz zeigen.

Da wir der Ansicht sind, dass gerade Kommunen von unserem Projekt profitieren könnten, um Wohnungsengpässe zu reduzieren, haben wir einige PolitikerInnen daraufhin angesprochen. Deshalb war es enttäuschend, dass keine der bisher von uns auf Wohnteilen angesprochenen Kommunen bzw. PolitikerInnen unterschiedlicher Parteien bisher an einer Diskussion unseres Projektes interessiert war. Die Kommunalangestellten haben auf fehlende politische Vorgaben hingewiesen und die PolitikerInnen darauf, dass unser Projekt in keinem Parteiprogramm und daher erst recht nicht in kommunalen Koalitionsvereinbarungen erscheint. Um unser Projekt nicht zu politisieren, haben wir Parteien bisher nicht drauf angesprochen.

Theoretisch können durch Wohnteilen nicht nur Neubaukosten und damit Investitionen reduziert, sondern auch laufende öffentliche Budgets zum Beispiel durch geringere Wohngeldzuschüsse entlastet werden. Dem stehen aber sehr inflexible Regelungen von Wohngeld und Hartz IV bzw. dem Bürgergeld gegenüber. Denn wenn eine Person, der grundsätzlich 45qm Wohnraum zu den Kosten des aktuellen Mietspiegels zustehen, durch einen freiwilligen Umzug in eine WG weniger Wohnkosten verursacht, hat sie selbst davon keine Vorteile. Allerdings könnten Kommunen Prämien und Zuschüsse als Anreize für Umzüge in WGs zahlen.

Kein Interesse bei Immobilien- und Partnerschaftsportalen oder Wohnungsgesellschaften

Bevor wir nach Geldgebern gesucht haben, wollten wir Partner haben, die uns bei der Wohnungsbeschaffung helfen können. Wir hatten schon früh die Idee, ein WG-Portal mit den konzeptionellen Elementen eines Partnersuchpotentials zu verbinden. Statt ein neues Portal zu entwickeln wäre es ideal gewesen, mit bestehenden Partnerschafts- und/oder Immobilienportalen zu kooperieren, um deren zahlreiche Nutzer aktiv auf die Bildung von WGs anzusprechen. Diese Idee hat sich ziemlich schnell zerschlagen, denn keines der angeschriebenen Portale hat auf ein entsprechendes Anschreiben geantwortet.

Wir dachten, dass unser Konzept für Großeigentümer von Mietwohnungen interessant sein müsste, vor allem für solche mit „sozialem“ Auftrag, also z.B. kommunale Wohnungsgesellschaften. Unsere Gespräche mit mehreren solcher Gesellschaften waren jedoch alle erfolglos.

Dadurch wurde uns klar, dass die Wohnungsgesellschaften nicht genug Anreize haben, um unser Projekt zu unterstützen. Sie haben lange Wartelisten für ihre Wohnungen und seniorengerechte Umbauen führen zu Aufwand bei der Wohnungsgesellschaft und zunächst zu Mietausfällen in der Umbauzeit. Hinzu kommt die derzeit ohnehin knappe Verfügbarkeit von Bau- und Planungsservices.

Außerdem halten Wohnungsgesellschaften meist gar nichts von Wohngemeinschaften. So werden Untermieten manchmal faktisch ausgeschlossen und auch Gemeinschaftsmietverträge durch mehrere Mieter aufgrund der erhöhten Verwaltungskosten und wahrgenommenen Risiken abgelehnt.

Wohlfahrtorganisationen wollen Geld für ihre Mitarbeit

Nach Wohnungsgesellschaften haben wir Wohlfahrtsorganisationen angesprochen, vor allem solche, die selbst Wohn- und Pflegemöglichkeiten anbieten. Die Caritas, die Arbeiterwohlfahrt, das Deutsche Rote Kreuz etc. haben sehr viel Erfahrung mit Senioren und deren Problemen. Sie haben zudem Zugang zu sehr vielen Senioren und damit potenziellen Anbietern und Nachfragern von WG-Plätzen. Aber auch diese Gespräche waren sehr ernüchternd. Unser Konzept wurde zwar gelobt, aber mit Ausnahme des Frankfurter Roten Kreuzes war keine der angesprochenen Gesellschaften zu einer Zusammenarbeit bereit.

Uns wurde schnell klar, dass Wohlfahrtsverbände schon jetzt sehr viele Aufgaben und relativ wenige Ressourcen dafür haben. Um unseren Service attraktiv für sie zu machen, müsste er schnell mindestens kostendeckend für die Wohlfahrtsverbände sein. Das konnten wir nicht versprechen. Manchmal sind wir auch danach gefragt worden, wie viel Geld wir mitbringen, um unser Konzept umzusetzen.

Wir haben auch geprüft, ob es Stiftungen gibt, die uns unterstützen würden. Zwar gibt es tausende von Stiftungen in Deutschland, aber die meisten davon sind vom Stiftungszweck und/oder dem regionalen Einsatzgebiet her sehr beschränkt.

Da wir unsere Services grundsätzlich im deutschsprachigen Raum bzw. zumindest ganz Deutschland anbieten wollten, haben wir uns zunächst die Förderbedingungen großer deutscher Stiftungen angesehen. Wir haben nur sehr wenige gefunden, die als Förderer in Frage kommen. Diese haben wir direkt angeschrieben bzw. angesprochen, allerdings bisher ohne Erfolg.

Dafür konnten wir einige öffentliche Fördermittelprogramme identifiziert, die theoretisch zur Finanzierung in Frage kommen. So gibt es zum Beispiel passende Bundes- und europäische Fördermittel für Kommunen.

Muss Wohnteilen umfassender sein?

Alternative zu Werkswohnungen: Zielgruppe Großunternehmen in Ballungsgebieten

Im Anschluss haben wir einen weiteren Versuch gestartet und Unternehmen mit vielen Niedriglohnbeschäftigten in Ballungsgebieten angesprochen. Mehrere solcher Unternehmen klagen darüber, dass sie nicht genug Mitarbeiter finden, was auch an fehlenden günstigen Wohnmöglichkeiten liegen soll.

Unser Konzept sieht vor, dass diese Unternehmen ihre Pensionäre und Mitarbeiter befragen, ob sie grundsätzlich bereit sind, Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Die Hemmschwellen sollten so gesenkt werden können, denn der aktuelle oder ehemalige Arbeitgeber unterstützt das Projekt. Wenn gewollt, kann die Vermittlung von Wohnraum auch auf aktuelle und ehemalige Unternehmensangehörige beschränkt werden. Aber auch mit dieser Idee sind wir noch nicht weitergekommen.

Wohnteilen-Konzepterweiterung durch Anmietung bzw. Ankauf durch Wohnteilen und mehr Zielgruppen

Im Rahmen unserer Gespräche und Recherchen wurde klar, dass Senioren und vor allem andere Bedürftige nicht als ideale Mieter gelten, weil sie oft betreuungsintensiv sind. In einem Fall wurde von einem leitenden Mitarbeiter eines Wohnungsbauunternehmens gesagt, dass die Weitervermietung von Wohnungen von gestorbenen Senioren oft nur zeitverzögert möglich ist, bis offene rechtliche Fragen geklärt sind und die Räumung erfolgt ist. Zudem bestehen Wohnungsgesellschaften typischerweise auf teuren Rückbauten der seniorengerechten Umbauten, die sich viele Senioren auch nicht leisten können oder wollen.

Außerdem bekommen Senioren aufgrund geänderter gesetzlicher Bedingungen seit der letzten Finanzkrise nur noch sehr schwer Kredite, mit denen sie ihre Häuser oder Wohnungen seniorengerecht umbauen können.

Wenn Wohnteilen als Mieter oder Käufer von Wohnungen auftritt, können viele dieser Probleme gelöst werden.

Einige Gruppen wie Auszubildende, Studierende, nicht-heterosexuelle Paare, Selbstständige, Tierhalter, Flüchtlinge, Obdachlose, ausländisch aussehende Mitbürger und andere Personen mit niedrigen Einkommen bzw. schlechten Kreditwürdigkeiten werden am freien Wohnungsmarkt oft nicht als Mieter akzeptiert. In dem Wohnteilen als Mieter oder Käufer auftritt, können bezahlbare Wohnmöglichkeiten für solche Gruppen geschaffen werden. Bei eigener Anmietung und erst recht Kauf von Wohnungen und Häusern sind aber Finanzmittel in erheblichem Umfang erforderlich. Ein relativ hoher Kapitalbedarf könnte das Projekt für kommerzielle Investoren wie Venture Capital Fonds interessant machen. Solche Fonds sind meistens nicht an Projekten mit geringem Finanzbedarf interessiert sind, weil diese typischerweise auch nur wenig Gewinnpotential haben.

Kommerzielles Impact-Projekt für Finanzinvestoren?

Sogenannte Impact Investments sollen Geldanlegern nicht nur gute Renditen einbringen, sondern auch positive soziale oder ökologische Veränderungen (vgl. Impact Investing mit Voting und Engagement? (Opinionpost #194) – Responsible Investment Research Blog (prof-soehnholz.com)). Solche Investments werden immer populärer und es gibt relativ viele Investitionsmittel dafür.

Potenzielle Geldgeber wollen bei Impact-Projekten gerne messen, wie sozial bzw. ökologisch erfolgreich solche Projekte sind. Das ist bei Wohnteilen relativ einfach. Der sogenannte „soziale Impact“ eines solchen Projektes lässt sich durch die zusätzlich geschaffenen Wohnplätze bzw. Wohnflächen einfach messen. Und die Kosten dafür sind ebenfalls einfach zu beziffern. Auch der ökologische Impact kann durch die Vermeidung von Neubauten kalkuliert werden. Vielleicht führt die Nachfrage nach Impact-Investments dazu, dass sich doch noch Geldgeber für Wohnteilen finden.

Fazit

Mit Fokus auf Full-Service für 2er SeniorInnen WGs kann sehr ökologisch mit wenig Geld viel und t.w. seniorengerechter Wohnraum geschaffen werden. Das Konzept kann einfach auf andere Zielgruppen erweitert werden, auch als Werkswohnungsalternative. Mit unserem Beitrag präsentieren wir Ideen, die von anderen umgesetzt werden können wie Startups oder Großunternehmen, Kommunen, Stiftungen und Nicht-Regierungsorganisationen.

Literatur

Bertelsmann Stiftung: Entwicklung der Altersarmut bis 2036 – Trends, Risikogruppen und Politikszenarien, 2017

Bolz, Pia/Beckmann, Nils: Dezernat für Soziales, Senioren, Jugend und Recht: Bedarfsanalyse Seniorengerechtes Wohnen in Frankfurt am Main, 2010

Bovelet, Rainer: SchuldnerAtlas Deutschland 2019 | News | Creditreform, Creditreform 2019

Chaumet, Martin: Berechnung der Altersabhängigkeit der internen Umverteilungen am Wohnungsmarkt als strategische Grundlage für Optimierungsmaßnahmen, in ZIWP Zeitschrift für Immobilienwirtschaft und Immobilienpraxis Nr. 1/2019

Chaumet, Noah: Entwicklung von Matching –Algorithmus und dessen Auswahlkriterien zur Bildung SeniorInnen-WGs sowie Design der benötigten Oberfläche, Projektarbeit, Januar 2019 (unveröffentlicht)

Generali: Altersstudie 2013, Wie ältere Menschen leben, denken und sich fühlen, 2012

Holt-Lundstad et. al.: Loneliness and social isolation as risk factors for mortality: A meta-analytic review, 2015

Körber-Stiftung und Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung: Ageing in Place. Wohnen in der altersfreundlichen Stadt. Kommunale Strategien für die Babyboomer-Generation, November 2022

Netzwerk Immovilien (Hrsg.): Strukturen und Prozesse für mehr Gemeinwohl, Berlin, Mai 2022

OptiWohn – Flächennutzung optimieren, Neubaudruck reduzieren (wohnen-optimieren.de)

Otten, Dieter: Die 50+ Studie – Wie die jungen Alten die Gesellschaft revolutionieren, 2008

Rahman, Sharukh und Kumar, Manoj: Optimal Room and Roommate Matching System Using Nearest Neighbours Algorithm with Cosine Similarity Distribution, Jan. 24th, 2021

Söhnholz, Dirk: Impact Investing mit Voting und Engagement? (Opinionpost #194) – Responsible Investment Research Blog (prof-soehnholz.com), November 2022