Weder Greenwashing noch Greenbashing: Kritik an Flossbach Kritik

Für Langfristanleger ist ökonomische Nachhaltigkeit am wichtigsten

Dieser These von Herrn Flossbach stimme ich zu. Bei der Geldanlage geht es in erster Linie um eine gute langfristige Rendite. Herr Flossbach ist sich dabei ziemlich sicher, wie ökonomische Nachhaltigkeit bestimmt werden kann. Andere Vermögensverwalter scheinen ökonomische Nachhaltigkeit aber anders zu definieren oder für nicht so wichtig zu halten. Oder wie sonst ist es zu erklären, dass professionelle Geldanlageportfolios/Fonds im Durchschnitt regelmäßig schlechter abschneiden als passive Benchmarks?

Andererseits zeigen zahlreiche Studien, dass sozial und ökologisch nachhaltige Geldanlageportfolios nicht schlechter sind als traditionelle Portfolios. Wenn das so ist, spricht aus ökonomischer Anlegersicht alles für eine Anlage in solche nachhaltigen Portfolios (siehe z.B. hier). 

In seinem Vortrag hat sich Herr Flossbach skeptisch zu solchen Studien geäußert und sinngemäß gesagt, dass Professoren messen, was man nicht messen kann. Ich habe zahlreiche dieser Studien gelesen und keine systematischen Verzerrungen gefunden. Ich habe auch viele Studien gelesen, die angebliche nicht-nachhaltige Outperformancefaktoren gefunden haben. Viele dieser Studien sind konzeptionell kritisch oder in der Praxis nicht erfolgreich replizierbar. Allerdings sind gute evidenzbasierte Analysen sehr anspruchsvoll (siehe auch hier).

Greenwashing ist ein Problem und schadet der Branche

In seinem Vortrag hat Herr Flossbach kritisiert, dass zahlreiche Anbieter ihre Geldanlageprodukte als nachhaltig anpreisen, obwohl sie kaum nachhaltig seien. Das ist wirklich ein Problem, weil Anlegern etwas suggeriert wird, was nicht geliefert wird (siehe auch hier).

Besonders kritisch finde ich, wenn Vertreter der Geldanlagebranche oder auch sogenannte Nachhaltigkeitsexperten sich damit brüsten, dass schon sehr viel Geld nachhaltig angelegt sei. Sie sollten lieber prüfen, ob das wirklich ernsthaft der Fall ist. Manchmal scheint schon der explizite Ausschluss von Streubomben, die sowieso nie im Portfolio waren, zu genügen, um ein Portfolio als nachhaltig anzupreisen bzw. zu kategorisieren. Wenn die Branche solche Selbstklassifikationen kritiklos übernimmt, wird Greenwashing unterstützt statt verhindert.

Eigeninitiative der Vermögensverwaltungsbranche ist nötig

Anstatt sich zu beschweren, dass es keine anerkannten Standards für verantwortungsvolle Geldanlagen gibt, könnte die Branche sich eigene Standards geben. Das wird auch versucht, war aber bisher noch nicht sehr erfolgreich. Das ist auch nicht einfach. So nutzen privatwirtschaftliche Ratingagenturen teilweise über einhundert Einzelkriterien pro Unternehmen für die Beurteilung der ökologischen, sozialen und Unternehmensführungsqualität (ESG für Environment, Social, Governance). Welche Kriterien genutzt werden und wie sie zusammengeführt werden, wird nicht einfach zu standardisieren sein, ist aber auch gar nicht nötig. So reichen meines Erachtens einfache Vorgaben an die Ratingsysteme, um eine Mindestqualität sicherzustellen (siehe DVFA Ansatz und meine erste Kritik an Flossbach Kritik).

Wenn die Geldanlagebranche nicht schnell eine überzeugende Selbstregulierung hinbekommt, sollte es meiner Meinung nach zu einer öffentlichen Regulierung kommen.

Greenbashing, weil aktive Manager Angst haben?

Man kann auch kritisieren, dass Anlegern seit Jahrzehnten Geldanlagen mit Outperformanceanspruch angeboten werden, die im Schnitt schlechter als passive Benchmarks abgeschnitten haben. Dafür werden oft weiterhin hohe Gebühren von Anlegern verlangt. Trotzdem wächst die Assetmanagementbranche weiter stark und verdient viel Geld (siehe z.B. hier).

Dass aktive Manager Angst um ihre gut bezahlten Jobs haben, ist nachvollziehbar. Sogenannte aktive Manager, die eine Outperformance gegenüber passiven Benchmarks suggerieren (also fast alle), sollten sich mit Kritik an zusätzlicher Regulierung aber zurückhalten. Vielleicht haben aktive Portfoliomanager nämlich aus einem anderen Grund Angst, nämlich generell vor der Prüfung von Marketingaussagen. Wenn die Aufsichtsbehörden nicht nur prüfen würden, ob Marketingunterlagen in Bezug auf Nachhaltigskeitsaspekte strengen Evidenzprüfungen standhalten, würden sie wohl feststellen, dass nur wenige Performancewerbungen für traditionelle Ansätze solche Prüfungen bestehen würden (siehe hier).

Eigentlich sollten aktive Manager wissen, ob ihre Marketingaussagen strengen Prüfungen standhalten können. Wenn man böswillig wäre, würde man vielleicht sogar behaupten, dass solche Outperformancesuggestionen wider besseres Wissen erfolgen. Noch schlimmer wäre es wohl, wenn die Manager selbst an ihre Aussagen glauben würden. Oder anders gefragt: Was ist schlimmer: Sie wissen, was sie tun, oder sie wissen es nicht?

MIFID II als erster Schritt in die richtige Richtung

Die zunehmende Regulierung der Geldanlagebranche hat sicher mehr Bürokratie gebracht. Sie hat aber auch dazu geführt, dass Kosten von Geldanlagen transparenter werden. Durch stärkere Berücksichtigung von Anlegerinformationen kann der Anlegerschutz verbessert werden. Allerdings hat die Regulierung auch dazu geführt, dass inzwischen weniger Interessenten persönliche Beratung oder auch die Mitsteuerung von Vermögensanlagen angeboten wird. Automatisierte Beratung und standardisierte Vermögensverwaltung nehmen dagegen (langsam) zu.

Regulierung und Bürokratie sollten sich auf wichtige Aspekte beschränken

Bürokratie sollte geringgehalten werden, um keine unnötige Zeit- und Kostenbelastung für Anleger und Anbieter zu sein.

Ähnlich wie bei ETFs war es auch bei nachhaltigen Anlagen bisher so, dass diese Privatkunden selten aktiv angeboten wurden. Teilweise wurde auf Nachfrage sogar von ihnen abgeraten (siehe hier). Das ist sogar nachvollziehbar. Mit ETFs können Anbieter weniger Geld als mit anderen Anlagen verdienen. Und nachhaltige Anlagen sind wohl erklärungsbedürftiger als vergleichbare traditionelle Anlagen, was zu höheren Beratungskosten der Anbieter führen kann.

Andererseits bieten Anbieter zunehmend exotischer Produkte mit angeblicher Outperformance an. Auch das muss Anlegern erklärt werden. Darüber jammert bisher kein Anbieter.

Nachhaltige Geldanlage schränkt Anleger nicht unnötig ein

Nachhaltige Investmentansätze schränken das Universum von Geldanlagemöglichkeiten auch nicht zu sehr ein. Wenn ein Fondsmanager z.B. nur auf niedrig bewertete deutsche Value Small Caps setzt, schränkt er sich selbst stark ein. Alternativ kann man auf nach strengen ESG Kriterien selektierte deutsche Aktien setzen (siehe z.B. hier) und hat vielleicht trotzdem ein größeres Anlageuniversum zur Verfügung.

Ob der eine oder der andere Investmentansatz künftig bessere Anlageergebnisse bringt, wird sich erst im Nachhinein zeigen. In der Vergangenheit haben jedenfalls sogenannte aktive Manager eher schlechtere Renditen eingebracht als passive Benchmarks, während verantwortungsvolle Geldanlagen oft vergleichbare Renditen wie passive Benchmarks erreicht haben.

Deshalb fände ich es gut, wenn Anleger künftig gefragt werden, ob sie nachhaltige oder traditionelle Anlegen wollen.

EU fokussiert mit ihrer Taxonomie-Initiative zu stark auf Klimaaspekte

Auch ich sehe einige Aspekte der angedachten möglichen Regulierung als kritisch. Ich halte nichts davon, nachhaltige Investments durch niedrigere Eigenkapitalanforderungen zu fördern und damit Anlagen riskanter als traditionelle Anlagen zu machen bzw. Eigenkapitalanforderungen generell aufzuweichen.

Außerdem fokussiert die Taxonomieinitiative sehr stark auf Klimaaspekte. Diese sind zwar sehr wichtig, aber andere ökologische und soziale Aspekte dürfen keinesfalls vernachlässigt werden. Das hat die EU allerdings auch vor, lässt sich damit aber vielleicht zu viel Zeit.

ESG Regulierung der EU ist noch offen

Bisher ist meines Wissens nicht vorgesehen, dass Vermögensverwalter ESG Ratings nutzen müssen und schon gar nicht, welche. Dabei halte ich es gar nicht mal für schlecht, wenn man verlangen würde, dass Portfoliomanager die ESG-Qualität ihre Portfoliobestandteile kennen und gegenüber Anlegern transparent machen sollten. Sie sollten aber trotzdem entscheiden können, welche Ratings sie nutzen und auch, ob sie diese ignorieren wollen, weil sie andere Wertpapierselektionskriterien für wichtiger für Anleger halten.

„Eine Allianz aus Lobbyisten, Aktivisten und Politikern wolle Anleger in ihrem Sinne erziehen und der Fondsbranche vorschreiben, „wie wir investieren sollen““, sagt Herr Flossbach (siehe hier). Ich kenne aber keine ernsthaften derartigen Bestrebungen. Eine solche Zuspitzung der Diskussion ist meines Erachtens nicht hilfreich.

Mindestratings sollten nicht vorgeschrieben werden

Mindestratings oder die Nutzung bestimmter Ratingagenturen sollte nicht vorgeschrieben werden. Dieser Fehler aus der Zeit vor der Finanzkrise 2008 sollte nicht wiederholt werden. Denn das hat unterstützt, dass institutionelle Anleger aus regulatorischen Gründen fast nur Anleihen mit bestimmten angeblich guten Ratings kaufen durften und die Anreize sehr hoch waren, Ratings zu beschönigen.

Ob Angebote strenger oder weniger streng nachhaltig sind, kann man unabhängig von unterschiedlichen Ratingansätzen bzw. Anbietern beurteilen. Insbesondere sollten auch interne Ratings zugelassen werden, wenn sie bestimmte Mindestanforderungen erfüllen (siehe DVFA Klassifikation). Damit wird auch das angebliche Risiko der Abhängigkeit von externen Ratingagenturen reduziert.

Die Nutzung solcher Ratings ist aber kritisch zu sehen, wenn damit gute Nachhaltigkeitsqualität suggeriert wird. Ich kenne kein Unternehmen, das bei allen Nachhaltigkeitsaspekten perfekt ist. Anleger müssen immer Kompromisse machen, auch in Bezug auf Nachhaltigkeit.

Lieber Gesinnungsethik als Greenbashing

Flossbach von Storch hat mit der Unterzeichnung der UN Principles for Responsible Investments erste Schritte in Richtung Nachhaltigkeit unternommen. Herr Flossbach möchte nachhaltige Investments aber „aus der gesinnungsethischen Ecke befreien“ (siehe hier).

Laut Wikipedia ist Gesinnungsethik „ein Typ moralischer Theorien, der Handlungen nach der Handlungsabsicht und der Realisierung eigener Werte und Prinzipien bewertet, und zwar ungeachtet der nach erfolgter Handlung eingetretenen Handlungsfolgen. Auch Gesinnungsethiker müssen jedoch vor ihren Handlungen die erwarteten Handlungsfolgen gründlich und angemessen beurteilen und in ihr Urteil über eine moralisch richtige Handlung einbeziehen.“

In diesem Sinne muss Gesinnungsethik nicht schlecht für Geldanleger sein.

Wer im Glashaus sitzt …

In der Ankündigung zu dem Vortrag von Herrn Flossbach hiess es: „Nachhaltigkeit lässt sich aber nicht mit simplen Checklisten beurteilen oder politisch vorgeben. Fehlanreize und die Saat der nächsten Finanzkrise wären die Folge – gut gemeint ist regelmäßig schlecht gemacht.“ Dieses „Greenbashing“ ist völlig überzogen und genauso falsch wie Greenwashing.

Sogenannte nachhaltige Geldanlagen lassen sich trefflich kritisieren. Aber traditionelle Geldanlagen auch. Sie sind relativ teuer, wie auch die guten Margen großer traditioneller Vermögensverwalter zeigen, schlagen passive Benchmarks aber nur selten. Da investieren ich lieber gesinnungsethisch in nicht-perfekte nachhaltige Anlagen, die genauso gut performen wie traditionelle Geldanlagen.

Greenwashing sollte durch (Selbst-)Regulierung verhindert werden. Greenbashing ist aber auch zu verurteilen.