„Must win“ ESG: Research und News zu verantwortungsvollen Investments und mehr

„Must win“ ESG: Nachfrage

McKinsey nennt laut Fondsprofessionell vom 3. September in Diese fünf „grauen Schwäne“ bedrohen die Finanzbranche den Punkt „Der ESG-Druck steigt unaufhörlich“ neben einem geopolitischen Extremereignis und einem apokalyptischen Cyber-Angriff. 

Der Bundesverband Alternative Investments hat seine Mitglieder auch zu ESG befragt. In der Kurzversion des BAI Alternative Investor Survey 2019 vom 2. August heißt es auf Seite 22, dass 55% der befragten Investoren noch gar keine Erfahrungen mit nachhaltigen Investments haben. Auf der nächsten Seite heißt es, dass 57% die Festlegung einer eigenen ESG Strategie und 50% Unsicherheit in Bezug auf künftige gesetzliche/regulatorische Änderungen als größte Herausforderungen ansehen. Mein Kommentar: Das ist besonders deshalb erschreckend, weil es sich institutionelle Anleger handelt, die oft schon seit langem illiquide und damit besonders riskante „alternative“ Investments tätigen.

Nachhaltigkeit ist für Privatanleger nebensächlich, schreibt Fonds professionell online am 14. August über eine Befragung im Auftrag des Bundesverbandes deutscher Banken. Mein Kommentar: Kein Wunder, wenn man Anleger befragt ob sie lieber Sicherheit, Liquidität oder Rendite als Nachhaltigkeit wollen. Beim Bundesverband direkt habe ich diese Aussage übrigens nicht so irreführend wiedergefunden. Die Zahlen selbst kann man auch so interpretieren: Nachhaltigkeit ist für Anleger fast so wichtig ist wie Rendite. Fazit: Glaube keiner Statistik, die Du nicht selbst analysiert hast.

Viel differenzierter analysiert Ann-Christine Brunen von der Uni Köln in dem Arbeitspapier „Moral Licensing and Socially Responsible Investment Decisions“ vom 20. August. Dort heißt es u.a.: “I find that conscious consumers and socially responsible investors are not the same people.” Und “less conscious consumers in my sample soothe their guilty conscience from non-sustainable fund investments with an SRI fund”. Sie betreiben also “Moral Licensing”.  (S. 25).

„Must win“ ESG-Beratung

In dieser aktuellen Studie der Allianz geht es „nur“ um US Anleger und Berater. Aber diese Sätze auf Seite 7 finde ich besonders bemerkenswert: „Helping to redirect their (= “clients”) focus from just the bottom line towards a more expansive view of business success containing ESG considerations has the potential to fundamentally reshape the nature and value of financial professional advice”. Mein Kommentar: Ich hoffe, dass die Allianz dies Entwicklung in Deutschland schnell und aktiv vorantreibt.

Eine aktuelle Studie von Vontobel Asset Management ergibt u.a., dass nur knapp 20% der Anleger von nachhaltigen Anlagemöglichkeiten erfahren. 43% würden eher einen Berater wählen, der in der Lage ist, ihre Nachhaltigkeitsziele zu unterstützen (s. „Umfrage zeigt, was Sparer vom nachhaltigen Anlegen abhält“, Fondsprofessionell online vom 2. September).

Rechtsanwalt Sebastian Wintzer von der Kanzlei Waigel sagt am 4. September in einem Interview mit Patrick Peters von Capinside zu erwarteten Regulierungsfolgen: „Wenn ein Anleger nachhaltig investieren möchte, muss der Berater ihm dann auch ein nachhaltiges Produkt anbieten. Jede andere Empfehlung würde gegen das Gebot verstoßen, dass die Berater ihren Kunden ausschließlich für sie geeignete Produkte empfehlen müssen. Falls gegen diese Pflichten verstoßen wird, greifen die üblichen aufsichtsrechtlichen Sanktionen in Form von Bußgeldern. Zivilrechtlich kann eine Schadensersatzpflicht wegen fehlerhafter Beratung gegenüber den Kunden drohen.“

„Must win“ ESG-Investments

How asset managers can seize the lead in sustainable investing”, versucht die Boston Consulting Group im Juli zu zeigen.  Ich habe in dem Bericht wenig Überraschendes gefunden. Allerdings hält  auch BCG Sustainable Investing inzwischen für sehr wichtig (“must win opportunity for both established and specialist sustainable investing players“, S. 5).

Guido Giese et al. von MSCI haben am 27. Juli „Consistent ESG Integration through ESG Benchmarks” in der Herbstausgabe des Journal of Indexinvesting veröffentlicht. In dem Beitrag findet man viele interessante Details zu dem ESG Universal und dem ESG Leaders Index im Vergleich. Mein Kommentar: Was leider fehlt ist der noch strengere SRI Index (siehe z.B. https://prof-soehnholz.com/verantwortungsvolle-investments-im-vergleich-sri-etfs-sind-besser-als-esg-etfs/). Noch besser wäre ein Vergleich mit einem von einer traditionellen Benchmark unabhängigen Bottom-Up oder PureESG Ansatz gewesen.

Das CFA Institute und Principles for Responsible Investments haben schon im März den folgenden Report veröffentlicht: ESG Integration in Europe, the Middle East, and Africa: Markets, Practices, and data. Interessant sind vor allem das umfassende Analyse-raster (S. 18) und die Reports über Deutschland und die Schweiz. Die umfangreiche Befragung ergab unter anderem: “Many workshop participants were concerned that ESG mutual funds and ETFs offered to investors may be driven by marketing decisions and may not be true ESG investment products.” (S. 2).

Ich bin kein großer Fan von indexgebundenen Lebensversicherungen, weil diese typischerweise hohe Absicherungs- bzw. Opportunitätskosten haben. Aber zumindest gibt es jetzt eine ESG-Variante (siehe Fonds Professionell online vom 15. August in Bezug auf ein Angebot der Stuttgarter Lebensversicherung).

„Must win“ Klimaorientierung

Driving finance today for the climate resilient society of tomorrow heißt ein detaillierter Report der Global Commission on Adaptation und der UNEP Finance Initiative von Alan Miller et al. vom Juli 2019. In der Zusammenfassung auf Seite 8 steht: „Addressing the adaption needs that result from this warming and aligining those with the 2015 Paris Agreement is perhaps the biggest investment opportunity of this generation.” Weiter heißt es dort: Efforts today fail to reflect the urgency“ und ”further delay presents enormous, potentially catastrophic risk for the financial system”. Dabei wird auch auf einen oft vernachlässigten möglichen Effekt eingegangen, nämlich einen potentiellen Kapitalabzug von den „poorest and most vulnerable communities and countries“. Der Report erwähnt spezifisch neben Green Bonds auch auf CAT Bonds etc. (S. 43). Hilfreich ist auch der Annex 1 auf Seite 63 mit einem Überblick über wichtige Klimarisiko „Disclosure Frameworks“. Der Report geht auch auf die wichtige Rolle von Multinationalen Entwicklungsbanken ein. Mein Kommentar: Gut, dass Anleihen dieser Banken beim ESG ETF-Portfolio von Diversifikator und dem geplanten Impact+ESG Fonds der von der Heydt Bank als nachhaltiger Staatsanleihe-Ersatz dienen (siehe https://prof-soehnholz.com/impactesg-innovatives-mischfondsprojekt-der-von-der-heydt-bank/).

Klimarisiken im Portfolio: Wie man die größten Treibhausgasemittenten identifiziert“ heißt ein guter Beitrag von Viola Lutz von ISS ESG im Private Banking Magazin online am 9. August.

Es gibt noch viel zu tun: “Almost all sectors of the economy face major disruption from climate transition and climate impacts over the coming years. Yet, a majority of companies in key economies are still not engaging seriously with these risks, or positioning themselves to take advantage of potential opportunities. With investors paying increasing attention, this is likely to affect their valuation even before the impacts are fully realized.” (Ernst & Young “How are your climate change disclosures revealing the true risks and opportunities of your business? Global Climate Risk Disclosure Barometer 2018, S. 7). Mein Kommentar: Unternehmen können viel tun, siehe z.B. https://prof-soehnholz.com/csr-und-esg-verantwortungsvolle-geldanlageangebote-fuer-mitarbeiter-und-kunden/.

Das gilt auch für “unsere” Branche: “Asset owners and managers scored the lowest on quality for climate change risk disclosures across all sectors assessed.” Und “The poor scores for both the coverage and quality for asset owners and managers is surprising, as the sector typically advocates for broader and more consistent disclosures” (E&Y 2018, S. 17). Mein Kommentar: Ich bin nicht überrascht, siehe https://prof-soehnholz.com/haben-fondsanbieter-angst-vor-reportingtransparenz/.

Passend dazu: Das Green and Sustainable Finance Cluster Germany hat am 20. August die “Anwenderguidance zu den TCDF Empfehlungen” speziell für deutsche Finanzinstitute herausgegeben (TCDF: Task Force on Climate- related Financial Disclosures”.

Und es geht weiter: Der Datenanbieter Refinitiv hat gerade „A deep dive into environmental metrics“ veröffentlicht, der nicht nur auf Klima- sondern auch auf Wasser- und Receyclingkennzahlen eingeht.

Interessant in diesem Zusammenhang ist auch die „emittentenrisikofreie“ White Label Green-Bond Emissionsplattform der von der Heydt Bank, die am 22. August in einem Blogbeitrag von Sebastian Liebscher kurz beschrieben wird.

Robo-Advisors und mehr: Auch „Must win“?

Robo-Advisor: Das neueste Opfer der Hochpreisinsel Schweiz heißt es am 19. August in finews.ch unter Verweis auf eine Asset Management Studie, des Instituts für Finanzdienstleistungen der Hochschule Luzern und der Asset Management Plattform Schweiz. Die Verfasser liefern auch einen Vorschlag: „Partnerschaften mit etablierten Vermögensverwaltern könnten es Robo-Advisor ermöglichen, Größenvorteile und Markenbekanntheit zu entwickeln. Gleichzeitig würden die Vermögensverwalter selbst Zugang zu neuen Technologien erhalten und ihre Vertriebskanäle erweitern.“ Mein Kommentar: Wenig überraschend. Das gilt auch für die USA und Deutschland und andere Länder, siehe z.B. https://prof-soehnholz.com/robo-boom-statt-robo-sterben/.

Automatisierte Geldanlage breitet sich in Deutschland nur wenig aus heisst es in der Börsenzeitung am 2. September. Matthias Hübner von Oliver Wyman sagt dazu: „Die Banken vermarkten ihre Lösungen nur verhalten. Sie fürchten eine Kannibalisierung eigener Fonds“. Mein Vorschlag: https://prof-soehnholz.com/statt-kannibalisierung-esg-robo-oder-alternatives-robo/.

Oliver Lepold schreibt am 21. August in „Das Investment online“: „Trends im Robo-Advisory: Wohin marschieren die Mensch-Maschinen der Vermögensverwaltung?“u.a. über eine Studie von Fondsconsult. Auch ESG wird erwähnt: Demnach finden Anleger ethische Produkte bzw. Investments nicht so wichtig. Thomas Moosbrucker von Deloitte sieht das aber offenbar anders.

Sieben Erfolgsfaktoren für Robo-Advice führt Hansjörg Leichsenring am 20. August in seinem Bankblog auf. In der interessanten Infografik von Fincite wird auch nach besonderen, z.B. nachhaltigen Angeboten von Robo-Advisors gefragt. Mein Kommentar: Auch ich bin der Ansicht, dass man nur mit einfachen ETF-Portfolios kaum Erfolgschancen haben wird. ESG (ETF-)Angebote von Robo-Advisors sind dagegen schon etwas Besonderes, siehe https://prof-soehnholz.com/robo-esg-verantwortungsvolle-online-investments-im-vergleich/.

Ich bin noch nicht von der Praxistauglichkeit von (umweltverträglichen) Blockchainanwendungen überzeugt. Diesen Beitrag von Iias Louis Hatzis vom 2. September auf Daily Fintech fand ich aber sehr interessant: „Humans have harmed Earth. Can Blockchain can save it?.

Traditionelle Investments: Auch dafür gilt „Must win“

Das Thema Ungleichheit wird mit zurückgehendem Wachstum wieder stärker diskutiert. Hier sind ein paar Fakten von McKinsey zu dem Thema: Inequality – A persistent challenge and its implications, Juni 2019. Interessant: „In advanced economies, economic outcomes are becoming more unequal” heißt es dort unter anderem (S. 4).  

Die meisten Faktorstrategien können etwas“ schreibt Iris Bülow in Das Investment online am 20. August über eine Studie von HQ Trust. Ergebnis: „Zehn von zwölf können den Index übertrumpfen“. Mein Kommentar: Nicht überzeugend. Wenn das mit so einfachen Strategien möglich ist, warum schaffen das dann so wenige aktive Fonds?

Not My Guru“ schreibt William Ehart am 27. August über die aus seiner Sicht bescheidenen Renditen und Risiken der Privatanleger-Investmentstrategie von David Swensen, dem berühmten Chief Investment Officer der Universität Yale. In dem Beitrag wird für die genutzten Zahlen auch auf meine Lieblings-Seite Portfolio Visualizer verwiesen („two variations are preset as “Lazy Portfolios” in the “backtest portfolio” function“). Mein Kommentar: Die Swensen-Strategie ist „aktiver“ als meine Weltmarktportfoliostrategie, weil manche Anlagesegmente wie Unternehmensanleihen bewusst vermieden werden. Aber auch die von Ehart genutzte Benchmark ist „aktiv“, denn er nutzt keine Staatsanleihen und keine REITS (Immobilienaktien), dafür aber einen überproportionalen US Aktienanteil im Vergleich zur aggregierten Anlage aller Kapitalmarkteilnehmer. Ein fragwürdiger Vergleich.

Passend dazu: Ein interessanter Beitrag ist How (not) to backtest von Paul Skiba von Porsche vom ersten August. Dieser Absatz gefällt mir besonders gut: “What do you do when your out of sample performance is significantly worse than in sample? You throw the model away and start from scratch. Go and review every step and every economic assumption you made on the way to your model setup and please don’t just change some settings of your signal filter or weight constraints.” Mein Kommentar: Ich habe alle Rückrechnungen von Diversifikator dokumentiert und ich bleibe bei meinem „optimierungsfreien Ansatz“.

Für die, die gerne rechnen: In „Want to test your managers’ mettle” schreibt Jeffrey Ptak von Morningstar am 20. August: „For our fund to generate a 0.20 information ratio with 7% tracking error, it will have to produce 1.40% of annual excess returns after fees. If this fund levies 75 basis points in annual expenses, that means the fund is going to have to top its benchmark by around 2.15% per year.” Das schafft kaum ein Fonds dauerhaft.

„Must win“ mit Immobilien

Jean-Christophe Delfim und Martin Hoesli vom Swiss Finance Institute haben am 13. Juni “Real Estate Performance, the Macroeconomy and Leverage” publiziert. Neben erwarteten Erkenntnissen ist aus meiner Sicht besonders interessant: “Once desmoothed, we conclude that open-end core funds are as risky as direct investments, while closed-end value-added and opportunistic funds are even more risky than REITs.” (S. 31). REITs (Real Estate Investment Trusts) haben in der analysierten Periode von 1986-2017 die höchsten Renditen erreicht (S. 45), obwohl sie liquider als riskante geschlossene Fonds sind, aber sie hatten auch als einzige eine erhebliche Aktienmarktabhängigkeit (S. 32). Mein Kommentar: Martin Hoesli hat schon vor einigen Jahren eine interessante Publikation zu dem Thema herausgebracht, s.a. https://prof-soehnholz.com/immobilienaktien-reits-diversifikation-anlageklasse/.

Ausgewählte Veranstaltungen

Aktive ESG Fonds in Berlin: https://lastwordmedia.eventscase.com/EN/ei-esg-congress-2019

Fintech von Payment&Banking: Transactions 19: Die Transactions 19 findet am 19.11.19 im alten Stahlbau in Offenbach statt (Die Organisatoren wissen offenbar nicht, dass Offenbach kein Stadtteil von  Frankfurt ist).