ESG-Investments: Warum weder aktive Fonds noch ETFs ideal sind

ESG-Investments: Viele ESG Ratingagenturen

Was ein verantwortungsvolles Investment ist und was nicht, wird sehr unterschiedlich beurteilt. Inzwischen gibt es mehrere hundert Firmen weltweit, die Analysen von Geldanlagen im Hinblick auf „Verantwortlichkeit“ verkaufen. Aber deren Bewertungen fallen oft unterschiedlich aus. Daran wird auch die kommende EU Regulierung zur Taxonomie verantwortungsvoller Anlagen wenig ändern.

Dabei kommt man mit ein wenig Recherche und einem gesunden Menschenverstand schon relativ weit mit der Beurteilung von Geldanlagen im Hinblick auf ihre Verantwortlichkeit.

ESG-Investments: Viele ESG Indizes

Fangen wir mit sogenannten passiven bzw. Indexinvestments an. Die meisten in Deutschland angebotenen Indexfonds bzw. ETFs (Exchange Traded Fonds) basieren auf den Indizes von MSCI. MSCI bietet inzwischen etliche sogenannte verantwortungsvolle Indizes an. Für einige davon kann man auch in Deutschland ETFs kaufen.

Wenn man versucht, den Unterschied zwischen den SRI, ESG, ESG Leaders etc. Indizes zu verstehen, kann man sich zunächst an der Anzahl der Indexkomponenten orientieren. Ich gehe dabei davon aus, dass die „Verantwortlichkeitsregeln“ umso strikter sind, je weniger Komponenten im jeweiligen Index übrigbleiben.

Anzahl der Aktien und Tracking Error sind wichtig

Der sogenannte MSCI All Countries World Index (ACWI) beinhaltete Ende März 2771 Aktien. Der MSCI ACWI ESG Universal Index hatte zum gleichen Zeitpunkt 2453 Aktien, also 318 Aktien bzw. 11,5% weniger Bestandteile. Das übliche Performance-Abweichungsmaß Tracking Error lag laut MSCI zu dem Zeitpunkt bei knapp 1%, war also sehr gering (Quelle MSCI).

Der Tracking Error ist die Standardabweichung von Indexabweichungen zwischen einem Portfolio und seiner Benchmark und sagt nichts über Performanceunterschiede aus, die positiv oder negativ sein können.

Der MSCI ACWI ESG Leaders Index umfasste Ende Mai 1225 Aktien, das waren zu dem Zeitpunkt etwa 43% aller MSCI ACWI Bestandteile. Die Nachhaltigkeitsselektion dieses Indexes war also strenger als die des „normalen“ ESG Indexes. Dafür war der Tracking Error mit 1,24% etwas höher.

ESG-Investments: SRI Ansatz ist am striktesten

Der MSCI ACWI SRI Index (Socially Responsible Investments) nutzt die meisten Ausschlüsse und kommt auf 567 Aktien, also ungefähr 20% Anteil am ACWI. Der Index hat einen Tracking Error von knapp über 1,5% zum Originalindex (siehe auch https://prof-soehnholz.com/verantwortungsvolle-investments-im-vergleich-sri-etfs-sind-besser-als-esg-etfs/).

All diese „verantwortungsvollen“ Indizes wurden so konstruiert, dass sie trotz geringer Anzahl von Komponenten relativ eng am Vergleichsindex kleben. Wenn man die Indexregeln analysiert stellte man denn auch fest, dass die Indexanbieter sich bemühen, möglichst viele Branchen und Länder in ihren verantwortungsvollen Indizes aufzunehmen bzw. mit wenig harten Ausschlüssen zu arbeiten. Deshalb findet man z.B. auch meist große Ölunternehmen in den „verantwortungsvollen“ Indizes.

ESG-Investments: Themen- und Spezialindizes

Zusätzlich bietet MSCI weitere „verantwortungsvolle“ Spezialindizes an, die aber Themenindizes sind und die nicht den Anspruch haben, den Weltaktienmarkt widerzuspiegeln: Low Carbon, Catholic Values, Islamic, Impact (https://www.msci.com/esg-indexes).

Der Islamische Index z.B. umfasst 821 Aktien, also etwa 29% des MSCI ACWI und hat einem Tracking Error von leicht über 3%.

Der MSCI Sustainable Impact Index hat 106 Komponenten und einen Tracking Error von über 5%. Er ist damit einer der „striktesten“ verantwortlichen Indizes von MSCI. Er enthält Unternehmen wie Kimberley Clark, Procter & Gamble, Johnson Matthey, Danone, BYD, Samsung, Rockwell, Osram, Geberit, Unilever. Das Impact-Konzept wir so sehr weit interpretiert.

Die BNP hat gerade einen neuen ETF auf einen anderen Index aufgelegt, den BNP PARIBAS EASY ECPI Circular Economy Leaders. Der zugrunde liegende Index liegt offenbar ebenfalls nahe am MSCI Weltindex und viele der Komponenten sehen nicht unbedingt nachhaltig aus.

Es gibt aber auch andere Spezialindizes wie z.B. den nx-25 Naturaktienindex (siehe hier), der mit nur 25 Titeln, unter denen auch Small Caps sein dürfen, keinen Tracking-Error Ansatz verfolgt und deshalb viel freier in seiner Gestaltung ist.  

ESG-Investments: Das Tracking Error Limitproblem

Einen Anhaltspunkt dazu, mit welchen Tracking Error man rechnen muss, ergibt eine Simulation von Vanguard für den Russell 3000 Index. Dabei errechnen die Autoren bei 500 von 3000 Titeln einen typischen Tracking Error von 1,8% und bei 50 einen von 6,3% (siehe Chris Tidmore & all: “How to increase the odds of owning the few stocks that drive returns”, Vanguard, Feb. 2019, S. 7, siehe hier).

Institutionelle Geldanleger setzen oft relativ niedrige Tracking Error Obergrenzen für ihre Geldanlagemanager fest, die deshalb oft gar keine streng nachhaltigen Portfolios umsetzen dürfen (siehe auch hier https://prof-soehnholz.com/verantwortungsvolle-als-einzige-offizielle-geldanlage-benchmarks/).

Ein Tracking-Error Ansatz für Indizes ist aber eigentlich quatsch: Der Index sollte selbst die Messlatte sein, nicht ein anderer Index. Indizes mit Tracking Error Management bzw. offizieller Benchmark sind daher immer nur abgeleitete und keine Primär-Indizes.

ESG-Investments: Aktive Fonds mit Nachteilen

Wenn man nicht an einen Index gebunden ist, ist man freier in der Aktienselektion und kann grundsätzlich konsequenter nachhaltig investieren (siehe z.B. https://prof-soehnholz.com/esg-als-chance-oder-bedrohung-fuer-aktive-fondsanbieter/). Ich habe keine Analyse zur typischen Anzahl von Aktien in einem verantwortungsvollen globalen Aktienfonds gefunden. Aber ein „normaler“ aktiv gemanagter globaler Aktienfonds umfasst typischerweise ca. 60 Titel (https://www.economist.com/finance-and-economics/2018/03/10/active-fund-managers-hold-fewer-and-fewer-stocks).

Wenn man die einzelnen Komponenten aktiv gemanagter verantwortungsvoller Fonds untersucht, können diese aus Sicht eines streng nachhaltigen Anlegers trotzdem oft nicht überzeugen. Ein wichtiger Grund dafür ist, dass auch nachhaltige Fonds oft traditionelle Benchmarks nutzen, von denen sie nicht zu stark abweichen wollen.

Das liegt aber auch daran, dass nachhaltige Fonds aktiver Manager sich an den nicht-nachhaltigen „Originalfonds“ dieser Manager orientieren. Bei den „Originalfonds“ werden Selektionskriterien wie Value, Growth, Size und andere genutzt, um zum Zielportfolio zu kommen. Die „verantwortungsvollen“ Varianten dieser Fonds ergänzen diese Selektionskriterien meist nur um Nachhaltigkeitskriterien. Damit nutzen verantwortungsvolle Fonds traditioneller aktiver Fondsmanager Nachhaltigkeitskriterien meist nur als ergänzende und nicht als Hauptkriterien.

ESG-Investments: Am besten konzentrierte Indizes ohne Tracking Error Restriktion nutzen

Der oben erwähnte nx-25 ist für ökologisch orientierte Anlagen attraktiv: Er ist konzentriert und Tracking-Error bzw. -benchmarkunabhängig. Allerdings stehen ökologische Selektionskriterien im Vordergrund und nicht soziale bzw. Unternehmensführungskriterien und die Selektion wird vom Indexbeirat und nicht von transparenten Regeln bestimmt.

Ende 2016 hat meine Firma Diversifikator daher eigene „Indizes“ (Portfolios genannt) eingeführt, bei denen Umwelt-, Sozial- und Governanceratings die wesentlichen Selektionskriterien sind (siehe z.B. https://prof-soehnholz.com/regelaenderungen-fuer-2019-die-portfolios-mit-den-wohl-strengsten-esg-anforderungen/). Typische ESG Indizes verwenden aggregierte ESG-Ratings. Diversifikator nutzt aber separate Mindestwerte für E, S und G. So können schlechte soziale oder ökologisches Ratings nicht durch gute Unternehmensführung kompensiert werden.

Alle Regeln (siehe https://diversifikator.com/de/wp-content/uploads/190120-Das-Diversifikator-Buch.pdf) , Komponenten (siehe „Downloads“ auf www.diversifikator.com), auch die „historischen“ (siehe https://diversifikator.com/de/archiv/#/) und die Tagesdaten („historische Zeitreihen“) werden aufgeführt.

Zunächst wurden ESG-Indizes für Deutsche Aktien, globale Infrastrukturaktien und globale Immobilienaktienaktien und REITs eingeführt, die wohl ersten derartigen ESG Indizes weltweit. 2017 kamen weitere Indizes hinzu, z.B. der globale Aktienindex mit 30 Komponenten und einer mit sogar nur 5 Aktien.

Die Performance der Indizes ist bisher attraktiv (siehe z.B. https://prof-soehnholz.com/3-jahre-diversifikator-gute-rendite-aber-80-prozent-anders-ist-schwer-zu-verkaufen/). Grafisch kann man z.B. einen guten Gleichlauf des globalen ESG Indizes mit einem ETF auf den MSCI Welt feststellen (siehe Grafiken unter „Performance“). Die gemessene Korrelation mit dem ETF ist mit 0,56 jedoch ziemlich gering.

Zusammenfassung

Je konzentrierter ein Portfolio ist, desto konsequenter nachhaltig kann es sein. Je transparenter ein solches Portfolio nachvollziehbar ist, umso besser. Nachhaltige aktive Fonds sind aber oft intransparent und relativ teuer im Vergleich zu Indexfonds (aktive nachhaltige Fonds werden Vergleichs-ETFs wohl nur selten outperformen, siehe auch https://prof-soehnholz.com/risikomanagement-aktiv-ist-schlechter-als-passiv-robo-advice/). Sie nutzen ESG-Kriterien zudem oft nur als Zusatzkriterien.

Insgesamt kann man feststellen, dass auch konzentrierte „verantwortungsvolle“ Indizes attraktive Renditen bei vertretbaren Risiken und relativ geringen Abweichungen von traditionellen Benchmarks ermöglichen. Man sollte aber darauf achten, dass soziale und ökologische Kriterien nicht durch gute Governance oder Tracking Error Limits „überschrieben“ werden.