Wealthtech für Multimillionäre

Robo-Advisors sind für junge Anleger entwickelt worden. Hauptnutzer sind aber oft über 40jährige Gutverdiener. Inzwischen gibt es Wealthtech (s.a. Wealthtech-Beitrag) auch für sehr vermögende Anleger  (siehe z.B. www.ownly.de). Anbieter solcher Lösungen müssen sehr viele Herausforderungen bewältigen.

Komplexe Ausgangslage: Viel Geld, viel Schaff

Multimillionäre haben ihr Geld oft breit gestreut: Immobilien, Unternehmensbeteiligungen bis hin zu Kunst und Oldtimern und das Ganze auch noch oft kreditfinanziert und international breit gestreut. Bewertungen von solchen Anlagen und auch Steuerthemen können sehr komplex sein. Mit zunehmendem Alter werden zudem Erbschaftsgestaltungen und das Spendenmanagement immer wichtiger.

Multimillionäre kümmern sich meist nicht selbst im Detail um ihr Geld sondern lassen meist mehrere Vermögensverwalter für sich arbeiten. Oft beauftragen sie ihre Steuerberater, für eine Übersicht aller Finanzanlagen zu sorgen. Das erfolgt jedoch systematisch meist nur ein Mal pro Jahr.

Grundsätzlich möchten auch Multimillionäre ihre Anlagen verstehen und sie sind oft sehr kostenbewusst. Sie wissen aber nicht wirklich, wie viel Geld sie bei den jeweiligen Anlagen für fremde Services ausgeben.

Steigende Ansprüche durch technische Entwicklung

Auch Millionäre nutzen das Internet und Smartphones. Sie erwarten daher, dass sie jederzeit und überall aussagekräftige Informationen zu ihren Finanzanlagen bekommen können. Dabei möchten sie zum Beispiel gerne wissen, welche Auswirkungen aktuelle und möglicherweise erwartete wirtschaftliche und politische Veränderungen auf ihre Kapitalanlage haben können („Stress-Tests“ und „Szenarioanalysen“). Das ist bisher schwierig.

Datenschutz ist wichtiger als Technik

Das Problem ist nicht die fehlende Technik. Inzwischen gibt es Finanzplanungstools, die auch alternative Anlageklassen umfassen und umfassende Analysen zulassen (siehe Söhnholz, D. (2018): Fintechs für institutionelle Investoren, in Absolut Report Nr. 1, 50-55). Problematisch ist eher das Datenthema: Erstens möchten Multimillionäre nur sehr wenigen Personen einen kompletten Überblick über ihr Vermögen geben. Die Daten müssen zudem sehr sicher gespeichert werden. Datenschutz ist dementsprechend besonders wichtig für sie. Zweitens funktionieren die Tools nur gut, wenn die Anlagen, die erfasst werden, auch ordentlich und zeitnah bewertet werden. Viele illiquide Beteiligungen liefern jedoch oft nur jährliche Werte und auch die müssen oft kritisch hinterfragt werden. Es gibt aber inzwischen Bewertungstools, die illiquide Kapitalanlagen mit liquiden Proxies bewerten, z.B. Private Equity mit Small Cap Indizes und Immobilien mit Immobilienaktien (z.B.  Zusammenhang und aktuell Jorda, Oscar et al.: The Rate of Return on Everything, 1870–2015, Working Paper No. 25, Federal Reserve Bank of San Francisco, November 2017, S. 39: „the long-run levels of unlevered REIT and housing returns are remarkably similar“).

Ausserdem möchten Multimillionäre gerne verlässliche Szenario- und Simulationsrechnungen erhalten. Mit Hilfe von langfristigen Zeitreihen- und Faktoranalysen ist das relativ einfach möglich. Auch solche Tools sind inzwischen erhältlich (siehe z.B. unter „externe Quellen“ auf www.diversifikator.com und hier).

Im besten Fall erhalten die Anleger mögliche relevante Veränderungen ihrer Portfolios künftig proaktiv mitgeteilt. Technisch ist auch das kein Problem mehr, sofern die Daten an einer zentralen Stelle aggregiert und zeitnah bewertet und analysiert werden.

Regulierung nervt

Allerdings möchten unterschiedliche Millionäre auch individuell behandelt werden. Manche möchten häufige Informationen und andere eher selten. Was jedoch kaum jemand mag sind regelmässige Befragungen, wie sie von MIFID II vorgeschrieben und jetzt von der EU in Bezug auf Environment, Social und Governance (ESG) Themen geplant sind (s. EU ESG Regulierung). Hier müssen Vermögensverwalter Wege finden, sich vorausgefüllte Fragebögen effizient bestätigen zu lassen. Noch ärgerlicher aus Millionärssicht sind Aufzeichnungspflichten der Vermögensverwalter. Diese zusätzliche Regulierung könnte dazu führen, dass Millionäre künftig die Zahl der von Ihnen genutzten Vermögensverwalter reduzieren werden.

Verwalter, die ihren Kunden möglichst schnelle, einfache und sichere Services anbieten, werden dabei Vorteile haben.

Millionäre sind kostenbewusst

Millionäre sind oft kostenbewusst. Und das nicht nur, weil viele von Ihnen Unternehmer sind oder waren. Vermögensberater sollten daher gut erklären können, warum sie zum Beispiel teure Hedgefonds oder sogenannte aktive Fondsmanager nutzen statt günstiger (Faktor-)ETFs. Sie müssen erläutern können, warum sie bestimmte Private Equity Fonds selektiert haben, obwohl es tausende von anderen Fonds gibt, die die von anderen Multimillionären gezeichnet werden. Berater müssen künftig auch entweder überzeugende ESG-Angebote haben oder zumindest gut begründen können, warum sie solche Konzepte nicht nutzen.

Und einige Millionäre möchten die Vermögensverwaltungstools selbst Nutzen können um Anlageergebnisse im Detail nachvollziehen können, z.B. mit maßgeschneiderten Benchmarkings ihrer Kapitalanlagen.

Berater müssen oft Abrater sein

Ein weiterer Punkt wird nur selten thematisiert: Vermögende Anleger haben oft Investmentideen, von denen gute Berater ihnen besser abraten sollten. Dazu ist aber umfassendes Wissen nötig. Ich habe auch noch kein Tool oder Wealthtech gesehen, das diese Rolle übernehmen kann oder will.

Sehr gute Berater gehen sogar noch weiter und beraten zum Thema Investmentphilosophie. Diese können meines Erachtens nach den Dimensionen regelbasiert ja/nein und prognosefrei ja/nein unterschieden werden (s. Söhnholz, D. (2013): Systematisierung und Diversifikation von Investmentphilosophien, in Absolut Report Nr. 6, 64-69).

Je nachdem welche Anlagephilosophie zugrunde liegt, sollte es zu unterschiedlichen Produkt- und Serviceangeboten kommen. Wer eine regelbasiert-prognosefreie Investmentphilosophie verfolgt, sollte vor allem passive Produkte und ein regelbasiertes Risikomanagement nutzen und braucht meist nur relativ wenige Informationen über Marktentwicklungen. Wer dagegen diskretionär-prognosebasiert anlegen möchte, muss aktiv nach den jeweils besten Portfolio- und Risikomanagern suchen und möchte meist viel häufiger und detaillierter informiert werden.

Robo-Advisors müssen noch viel lernen

Robo-Advisor Konzepte bieten bisher meist nur stark standardisierte Anlagekonzepte an. Alternative Anlagen sind nur selten dabei und die Assetallokation und das Risikomanagement sind nicht immer modern, wie man daran feststellen kann, dass sich viele Anbieter direkt auf Markowitz berufen oder einen „95% Value at Risk“ als besonders fortschrittlich herausstellen. Und viele Robo-Advisors sind intransparent: Der Anleger kann nicht wirklich detailliert nachvollziehen, warum ihm welches Portfolio ins Depot gelegt wird.

Die gerühmte User Experience von Robo-Advisors ist vor allem auf Neukundengewinnung angelegt. Das Reporting und Monitoring der Kapitalanlagen ist stark davon abhängig, was die jeweilige Depotbank liefern kann und oft nicht wirklich befriedigend. So fehlen die aus meiner Sicht besonders wichtigen Faktor- und ESG-Analysen fast immer bzw. werden nicht transparent gemacht und sind schon gar nicht individualisierbar.

Es gibt also noch viel zu tun, bis die weiter steigenden Ansprüche von sehr vermögenden Anlegern durch Wealthtech erfüllt werden können.