Warum Privatkunden nicht aktiv nach ESG-Portfolios fragen

8 der 16 Angebote meiner Firma Diversifikator sind ESG-Portfolios (ESG steht für Environment, Social Governance). Bisher fragen Privatkunden aber nur sehr selten aktiv nach solchen Portfolios. Das liegt vor allem an der geringen Zahl von Produktangeboten, an denen Vertriebler bzw. Kundenberater ordentlich verdienen können.

ESG ist kein neues Thema. Die ersten breiten ESG Indizes gibt es von MSCI und FTSE seit 2005. Ich selbst beschäftige mich seit 2007 mit dem Thema. In dem Jahr haben wir bei FERI begonnen, einen Sustainable Private Equity Dachfonds zu entwickeln.

Bei meinem vorherigen Arbeitgeber haben wir ESG Kriterien für drei Aktienfonds und einen Mischfonds genutzt. Vereinfacht zusammengefasst: Unsere und auch fremde quantitative Analysen haben ganz überwiegend vergleichbare Renditen und Risiken für ESG Selektionskriterien wie für andere Kriterien ergeben.

Portfoliomanager möchten aber Outperformance generieren und sich nicht durch die Anwendung von ESG Kriterien in der Wertpapierselektion beschränken lassen. Inzwischen werden zwar zunehmend ESG Kriterien von aktiven Assetmanagern genutzt, das liegt aber vor allem daran, dass institutionelle Anleger aktiv danach verlangen.

Privatkunden werden nur selten aktiv ESG Fonds angeboten. Es gibt nur wenige Fonds, die in nennenswerten Umfang Privatkundengelder eingesammelt haben. Diese Fonds sind  aber vor allem ökologisch orientiert und berücksichtigen kaum soziale und Governance Aspekte. Sie scheinen auch nicht besonders gut abzuschneiden in Bezug auf Renditen und Risiken. In quantitativen Analysen zeigt sich denn auch oft, dass vor allem Governance Aspekte positive Auswirkungen auf Renditen und Risiken von Fonds haben können.

Der Outperformance-Anspruch wird aber überbewertet. Wenn man ESG-Portfolios zusammenstellen kann, die ebenso gut performen wie traditionelle Indizes, sollte man diese gut verkaufen können (s. ESG-Portfolios brauchen keine Outperformance) .

Daher könnten ESG-ETFs besonders erfolgreich sein. ESG-Indizes gibt es zwar schon seit mehr als 10 Jahren, bisher wird aber erst wenig Geld in Fonds bzw. ETFs angelegt, die solchen Indizes folgen. Das kann daran liegen, dass die ESG Kriterien institutioneller Anleger oft unterschiedlich voneinander sind und daher von Indizes nicht alle erfasst werden können. Daher setzen institutionelle Anleger eher auf ESG Spezialfonds, die individuell aufgesetzt und mehr oder weniger aktiv gemanagt werden können (siehe ESG künftig Pflicht?).

Und Privatkunden ETFs zu verkaufen ist nicht sehr erfolgversprechend, wenn der ETF-Vertrieb so viel weniger lukrativ ist als das Angebot provisionsträchtigerer Kapitalanlagen.

Allerdings sollte es möglich sein, ESG ETF-Dachfonds anzubieten, bei denen der Vertrieb aus den Dachfonds bezahlt wird. Meines Wissens gibt es so etwas aber bisher noch nicht. So ist das Anfang 2016 von meiner Firma Diversifikator gestartete ESG ETF-Modellportfolio bisher vielleicht das einzige diversifizierte Angebot, welches Vermögensverwaltern, Vermittlern und Beratern Verdienstmöglichkeiten mit ESG-ETFs ermöglicht.

Da es so wenige ESG Angebote für Privatkunden gibt, kann  es noch lange dauern, bis ESG-Portfolios auch bei Privatkunden bekannt werden und dann auch aktiv nachgefragt werden.

Selbst die inzwischen zahlreichen Medien, die ESG als Thema attraktiv finden, werden daran wohl nicht viel ändern können. Wenn man beobachtet, wie lange Medien schon ETFs propagieren und wie wenig diese Anlagen aktiv von deutschen Privatanlegern nachgefragt werden, kann  es lange dauern, bis ESG-Portfolios in Deutschland attraktive Volumina einsammeln können.

Dabei ist Deutschland besonders aufgeschlossen für „grüne“ und soziale Themen und sollte viel Marktpotenzial haben (siehe ESG müsste besonders in Deutschland boomen). Aber Anleger aus Ländern mit Provisionsverboten für aktive Fonds werden wohl wesentlich schneller und viel stärker als deutsche Anleger nicht nur in traditionelle sondern auch in ESG ETFs investieren.