Smart Beta bedroht vor allem Single-Assetklassen Portfoliomanager

Ich halte Smart Beta für eine sehr ernste Bedrohung für aktive Portfoliomanager. Dabei verstehe ich Smart Beta im engeren Sinn als regelbasierte nicht-kapitalgewichtete Wertpapiergewichtung und im weiteren Sinn (wie auch immer genannt) zusätzlich als regelbasierte Positions- bzw. Titelselektion. Diese Konkurrenz sehe ich vor allem für Assetklassen-spezifische Fonds bzw. Manager, weniger für Multi-Asset Ansätze.

Sogenannte aktive Portfoliomanager haben selten volle Handlungsfreiheiten. Das findet man vielleicht bei Managern, die nur ihr eigenes Geld managen. Selbst Hedgefondsmanager, die fremdes Geld managen, unterwerfen sich selbst bestimmten Regeln, anders wird es ihnen kaum gelingen, externe Investoren für sich zu gewinnen. Der überwiegende Teil der Portfoliomanager darf aber nur im regulierten Umfeld agieren. Die meisten dieser Manager sind bei großen Anbietern angestellt. Die wenigsten von ihnen werden ihre Fonds selbst entwickelt haben, sondern sie übernehmen oft bereits bestehende Ansätze. Die überwiegende Zahl der Fonds ist benchmarknah ausgerichtet. Geringe Tracking Error lassen kaum Abweichungen von Benchmarks zu. Statistisch können nur sehr wenige der benchmarknah ausgerichteten Fonds ihre Benchmarks dauerhaft schlagen. Aber auch nur wenigen Managern von Fonds mit größeren Freiheiten gelingt es, dauerhaft besser als die Benchmark bzw. ihre Wettbewerber zu sein.

Indextracker-Fonds mit ihren oft geringen Kosten sind daher eine ernste Konkurrenz für viele aktive Fondsmanager. Bisher hatten die aktiven Manager aber oft noch bessere Marketing-„Stories“. So gibt es Value-, Growth-, Small-Cap, Momentum- und Volatilitätsspezialisten, die mit ihren Ansätzen die klassischen Benchmarks schlagen wollten. Das ist zumindest periodenweise dem einen oder anderen Ansatz auch gelungen. Schon bisher war es so, dass Faktoranalysen gezeigt haben, dass auch auf Faktoren fokussierte Fondsmanager kaum dauerhaft Outperformance gegenüber ihren Faktorbenchmarks generieren konnten. Aber jetzt gibt es Smart-Beta Faktor-Produkte für Value-, Low-Vola etc..

Smart-Beta Produkte, selbst wenn sie gar nicht so günstig sind, werden daher meines Erachtens künftig kaum von aktiven Managern outperformt werden. Bisher werden aber selbst normale ETFs kaum an Privatanleger verkauft. Das liegt auch daran, dass ETFs keine Vertriebsprovisionen zahlen können. Aber Fonds von ETFs (ETF-Dachfonds) bzw. gemanagte ETF-Portfolios können Provisionen zahlen und werden zunehmend populärer. Außerdem müssen Smart-Beta Fonds nicht an Börsen notiert werden und können dann Provisionen zahlen. Und auch Fonds von Smart-ETFs (Smart ETF-Dachfonds) werden wohl demnächst auf den Markt kommen. Und falls es zu einem Provisionsverbot kommen sollte, wird die Konkurrenz noch härter.

Dabei hat Smart-Beta den Vorteil, voll regelbasiert, prognoseunabhängig und grundsätzlich transparent zu sein. Allerdings sind Smart-Beta Produkte meist stark diversifiziert und inflexibel. Einmal aufgestellte Regeln können kaum noch geändert werden. Genau das erscheint mir die Lücke für den künftigen aktiven Fondsmanager zu ergeben. Um es mit Smart-Beta aufzunehmen, kann er auch voll regelbasiert, prognosefrei und transparent agieren. Neben der effizienten Implementierung der Portfolios sollte seine Hauptrolle aber in der permanenten Überprüfung und Weiterentwicklung der Regeln liegen. Das ist anspruchsvoll und zeitaufwändig. Verständnis wissenschaftlicher Untersuchungen bzw. der Strategien erfolgreicher internationaler Wettbewerber und deren sorgfältige Überprüfung erfordern viel Know-How, Zeit, gute Daten und Systeme. Fundierte Regeländerungen werden daher nicht sehr häufig vorkommen. Gute Regeln ermöglichen es aber, auch konzentrierte Portfolios anzubieten, die eher Outperformancechancen bieten als stark diversifizierte Portfolios. Das Profil eines Portfoliomanagers nähert sich daher dem Profil eines Researchers bzw. dem eines „Portfolio-Implementierers“ an. Der entscheidende Unterschied liegt in dem Umfang, in dem der Portfoliomanager künftig Regeländerungen beeinflussen kann.

In Bezug auf Multi-Assetprodukte halte ich die Smart-Beta Konkurrenz für nicht so stark. Das liegt daran, dass es – anders als bei Single-Asset Erfolgsfaktoren wie „Value“ – keine anerkannten allgemeinen Regeln zur Assetklassenselektion und Allokation gibt. Während sich Single-Assetklassen Value Portfolios – sofern sie an ähnlichen Benchmarks orientiert sind – nicht so stark unterscheiden, gibt schon mal es keine anerkannten Multi-Asset Benchmarks. Risk-Parity schien sich eine Weile zu einem neuen Allokations-Standard zu entwickeln, da ähnliche Anlageklassen und vergleichbare Risikomaße (nämlich Volatilität) verwendet wurden. Allerdings werden solche einfachen Ansätze meines Erachtens zu Recht zunehmend kritisch gesehen und entwickeln sich auseinander, statt zu einem Multi-Asset Standard zu werden.

Aktives Management hat daher meines Erachtens vor allem in Bezug auf Multi-Asset Ansätze eine Zukunft. Aber auch für Multi-Asset Produkte präferiere ich systematisch-prognosefreie Ansätze gegenüber diskretionären Ansätzen. Statistisch ist allerding schwer zu prüfen, ob/bzw. welche der drei Investmentphilosophien diskretionär, Quant und systematisch-prognosefrei wann am besten ist.