Robo-Boom statt Robo-Sterben

Robo-Sterben oder korrekter „Immer mehr deutsche Banken begraben ihre Robo-Projekte“ hiess es vor Kurzem (Heinz-Roger Dohms in Finanzszene vom 4.10.2018). Dem Beitrag nach stellt aber nur die Santander Deutschland die Aktivitäten komplett ein. Die Commerzbank bleibt über Cominvest weiter aktiv und die Hamburger Sparkasse hat „Pläne, ein neues Robo-Angebot aufzusetzen“ (ebenda). Und am 11. Oktober heisst es bei Citywire: „Fidelity startet digitale Vermögensverwaltung mit aktiven Fonds „. Was denn nun?

Robo-Angebote können erfolgreich sein

Ich bin überzeugt, dass Robo-Angebote erfolgreich sein können, allerdings nicht alle. Wenn man den weiter fortgeschrittenen US Robo-Markt analysiert (siehe hier), kann man mehrere Punkte feststellen:

  1. Unabhängige Robo-Advisors sind bisher bis auf 2 bis 3 Ausnahmen nicht sehr erfolgreich.
  2. Auch traditionelle Banken oder Vermögensverwalter haben sich bisher nicht durch großen Erfolg ihrer Robo-Angebote ausgezeichnet.
  3. Am erfolgreichsten sind die ETF-Anbieter Vanguard und Charles Schwab.
  4. In Deutschland ist bisher nur die ING mit Scalable erfolgreich.

Konsequente Vermarktung ist entscheidend

Nur billig zu sein, besonders einfache Produkte anzubieten oder eine besonders gute User Experience zu ermöglichen reicht offenbar weder allein noch kombiniert aus, um als Robo-Advisor erfolgreich zu sein. Für den Erfolg ist meines Erachtens vor allem die konsequente Vermarktung des Angebotes an einen bestehenden Kundenkreis erforderlich. Alternativ kann man versuchen, sich Neukunden teuer zu kaufen, wie es Betterment und Wealthfront in den USA mit insgesamt mehreren hundert Millionen Venture Capital machen.

Zusatznutzen gegenüber Offline-Angeboten ist nötig

Um eine konsequente und erfolgreiche Vermarktung zu erreichen, sollte das Angebot Anlegern Zusatznutzen bieten. Traditionelle Anbieter wollen vor allem die Kannibalisierung (d.h. Verdrängung von Bestandsangeboten durch die neuen Angebote) ihrer bestehenden Angebote verhindern. Es ist daher nachvollziehbar, dass sie „me-too“ Robo-Angebote mit niedrigen Margen nicht gerne  puschen.

Bei Vanguard, Schwab, Fidelity und ING ist das anders. Deren Robos vermarkten die hauseigenen Fonds (Vanguard, Schwab, Fidelity), indem sie günstig und effizient Zusatzservices (Fondsportfolios statt einzelne Fonds plus Reporting etc.) anbieten. ING (DiBa) bietet in Deutschland keine eigene Vermögensverwaltung an. Über die Kooperation mit Scalable können daher zusätzliche Vermögensverwaltungseinnahmen generiert werden.

Automatisierung wird kommen

Anleger sind definitiv an zusätzlicher Automatisierung bzw. Robo-Services interessiert und Anbieter können durch zusätzliche Automatisierung Kosten sparen.

Traditionelle Banken und Vermögensverwalter haben vor allem diese vier Möglichkeiten für ihre Robo-Angebote:

  1. Neue Kundengruppen erschliessen
  2. Die gleichen Produkte zu gleichen Preisen off- wie online anbieten
  3. Die gleichen Produkte zu günstigeren Preisen online anbieten
  4. Andere Produkte online anbieten

Lösung 1 ist für Anbieter ziemlich teuer, da Neukunden meist teurer in der Akquisition sind als die Ausweitung des Bestandsgeschäftes. Zusätzlich muss man entscheiden, wie man Neukunden anlocken will (siehe Möglichkeiten 2 bis 4).

Option 2 ist für Anleger wenig interessant, weil die Onlineprodukte dann relativ teuer wären im Vergleich zu Offlineangeboten, die typischerweise zusätzlich persönliche Beratungen umfasst.

Bei Lösung 3 hängt es davon ab, wie viel günstiger die Produkte angeboten werden. Werden nur die eingesparten Kosten weitergegeben, wird die Preisreduktion vermutlich relativ gering ausfallen, da Akquisekosten auch für den Onlinevertrieb hoch sind. So würde nur wenig zusätzliche Nachfrage stimuliert. Werden die Gebühren dagegen niedriger angesetzt, droht Kannibalisierung und damit steigt das Risiko, dass die Onlineangebote nicht aktiv genug vermarktet werden.

Die attraktivste Lösung ist daher vermutlich das Online-Angebot neuer Produkte.

Online ETF-Portfolios greifen oft zu kurz

Die meisten traditionellen deutschen Vermögensverwalter und Banken bieten bisher keine ETFs aktiv an. ETFs gelten aus Anlegersicht als besonders attraktiv, weil sie in der Regel günstig sind.

Anbieter können versuchen, Zusatzmargen über Portfolio- und Risikomanagement von Portfolios aus ETFs generieren. Es ist jedoch sehr schwer, an günstigen ETFs interessierte Anleger von dem Wert von solchen Services so zu überzeugen, dass sie bereit sind, attraktive Gebühren dafür zu zahlen. Scalable und ING scheint das (noch) zu gelingen, andere deutsche Anbieter sind damit aber bisher nicht sonderlich erfolgreich.

Daher sollten ETF-Portfolios ebenfalls günstig angeboten werden, zumal teure ETF-Dachfonds seit Jahren in der Kritik stehen.

Easyfolio von Hauck und Aufhäuser und auch mein Unternehmen Diversifikator mit dem Weltmarktportfolioansatz bieten sehr einfache und günstige Allokationsmethoden für ETFs an. Aber auch solche ETF-Portfolios stehen im Wettbewerb mit meist teuren Offlineangeboten, also vor allem standardisierten Vermögensverwaltungen bzw. Multi-Asset- und Mischfonds traditioneller Banken und Vermögensverwalter. Sie werden daher aus Kannibalisierungsfurcht kaum sehr aktiv vermarktet werden.

Online ESG-Portfolios mit großem Potential

Besonders großes Potential sehe ich für Online ESG (Environmental, Social, Governance) Angebote (siehe auch hier). ESG-Produkte werden offline bisher nur in geringem Umfang angeboten, daher ist keine direkte Kannibalisierung zu befürchten. Sie stehen zwar in Konkurrenz zu traditionellen nicht-nachhaltigen Produkten, sind aber sehr erklärungsbedürftig. Der traditionelle Vertrieb ist bisher noch nicht im Verkauf solcher Produkte geschult. Statt eine solche teure Schulung zu organisieren, können sie Anlegern direkt online mit Hilfe von Erklärvideos und umfassenden Online-Informationen angeboten werden.

Hinzu kommt, dass traditionelle Anbieter und Vertriebe solche Produkte, ähnlich wie ETFs, bisher tendenziell negativ beurteilt haben. Es dürfte den Vertrieblern und Beratern daher schwer fallen, ESG-Produkte jetzt aktiv erfolgreich zu verkaufen. Ausserdem gelten ESG-Angebote tendenziell als teurer als traditionelle Produkte. Durch Kosteneinsparungen über einen Onlinevertrieb können sie aber relativ günstig angeboten werden.

Neben dem Onlineverkauf aktiver ESG Fonds ist auch ein solcher von ESG-ETFs und vor allem ESG ETF-Portfolios denkbar (siehe auch hier).

Potential für flexible B2B Robo-Software Anbieter

Hilfreich für interessierte Vermögensverwalter und Banken ist dabei, dass die Implementierungskosten stark sinken. Vor einigen Jahren mussten Robo-Advisors noch teuer individuell programmiert werden. Dann traten die ersten spezialisierten B2B (Business-to-Business) Anbieter auf, deren Services vor allem auf Banken ausgerichtet waren und damit ebenfalls noch ziemlich teuer waren. Inzwischen bieten mehrere der als B2C (Business-to-Consumer) gestarteten Robo-Advisors, teilweise wegen Erfolglosigkeit im B2C Geschäft, auch B2B Services an (zur möglichen Umsetzung siehe z.B. hier). Das senkt die Kosten.

Am ehesten werden sich meines Erachtens jedoch die Robo-as-a-Service Spezialisten wie United Signals oder Quantstore durchsetzen, die relativ geringe Startkosten und schnelle Implementierungen maßgeschneiderter Robo-Advisors ermöglichen.

Robo-Boom statt Robo-Sterben

Generell hinken ESG Angebote in den USA noch hinter europäischen Angeboten hinterher. Inzwischen fangen jedoch mehrere US und deutsche Onlineanbieter an, ESG Portfolios aufzunehmen.

Ich bin sehr zuversichtlich in Bezug auf eine stark zunehmende Nachfrage nach ESG und Onlineangeboten. Da es viele Banken und noch mehr Vermögensverwalter in Deutschland gibt, erwarte ich daher einen Boom abhängiger Robo-Advisors, kein Robo-Sterben. Für unabhängige Robo-Advisors bin ich skeptischer (siehe hier).