Robo Advisors: Lieber mehr Transparenz als mehr Regulierung

Öko-Test kritisiert in der Ausgabe von März neben teilweise hohen Kosten auch mangelnde Transparenz bei einigen Robo Advisors. Das ist erstaunlich, denn Robo Advisors werben üblicherweise mit niedrigen Kosten und einer hohen Transparenz. Transparenz bedeutet in dem Fall, dass Interessenten und Kunden einfach alle für ihre Investmententscheidungen nötigen Informationen finden und diese auch verständlich und nachvollziehbar sind.

Für Geldanleger gibt es mehrere Bereiche, für die Transparenz wichtig ist: Transparenz über den Anbieter selbst, Transparenz über die Risiko-Klassifikation von Anlegern und Transparenz über die Zusammensetzung und die Risikoklassifikation von Anlageportfolios. Transparenz ist also wichtig, um Risiken zu reduzieren.

Einige der kritisierten Robo-Advisors sind streng regulierte Vermögensverwalter. Der Öko-Test zeigt, dass eine strenge Regulierung aber nicht unbedingt Transparenz für Anleger mit sich bringt. Transparenz ist eher eine Frage der Unternehmensphilosophie als der Regulierung.

Selbstberatungsplattformen oft nicht berücksichtigt

Derzeit gibt es über 30 aktive Robo Advisors in Deutschland. Üblicherweise werden diese nach der Art ihrer Lizenz klassifiziert. Demnach gibt es drei Gruppen: Die am stärksten regulierten Vermögensverwalter, die Anlagevermittler und die am geringsten regulierten Selbstberatungsplattformen (weitere Selektionskriterien siehe Blogbeitrag).

Selbstberatungsplattformen stellen Anlegern Informationen, Modellportfolios (s.a. dieser Blogbeitrag) und teilweise auch „Tools“ zur Verfügung. Meine Firma Diversifikator ist eine solche Plattform (aber auch eine Unterstützungsplattform für Anlageberater und -verwalter).

In Vergleichen von Robo-Advisors wird eine höhere Regulierungsstufe oft als sehr wichtig für Anleger herausgestellt. Daher werden Selbstberatungsplattformen bei Robo-Vergleichen oft nicht berücksichtigt, auch nicht von Öko-Test.

Dabei können unregulierte Anbieter tendenziell günstigere Angebote machen als regulierte Anbieter, da sie keine Kosten für die Erfüllung der Regulierung haben. Ausserdem können sie einen besonders guten Datenschutz bieten, da Selbstentscheider ihnen keine oder nur wenige Daten zur Verfügung stellen müssen.

Risikoklassifikation von Anlegern mit falschen Kennzahlen?

Für eine formelle (regulierte) Anlageberatung müssen die persönlichen Umstände des Anlegers analysiert und geprüft werden. Dabei werden von Robo Advisors (siehe Öko-Test-Analyse) aber auch von traditionellen Beratern nicht immer alle relevanten Informationen abgefragt und/oder es werden ungeeignete Operationalisierungen verwendet.

So wird die Risikobereitschaft eines Anlegers oft mit Hilfe der Schwankungstoleranz erfasst. Mit Hilfe der Kennzahl Volatilität wird dabei ermittelt, welche Schwankungshöhe Anleger maximal tolerieren wollen. In steigenden Märkten sind Schwankungen für Anleger aber oft nicht besonders wichtig und Ähnliches gilt in fallenden Märkten. Für Anleger ist meistens wichtiger, mit welchen maximalen Verlusten sie rechnen müssen. Die Verlusttoleranz wird aber nicht immer abgefragt. Allerdings setzen Regulierer ebenfalls vor allem auf Volatilität als wichtigste Risikokennzahl, wie man an den Standard-Risikokategorien für Investmentfonds sieht (siehe dazu auch diesen Blogbeitrag).

Risikoklassifikation mit falschen Perioden?

Wenn man eine Anlegerin oder einen Anleger fragt, welches Risiko (Volatilität oder Verluste) sie/er tolerieren kann/möchte, ist die Analyseperiode wichtig. Selbst breit gestreute Aktienanlagen haben in 2008 sehr hohe Risiken aufgewiesen. Von 2009 bis 2017 waren die Risiken der Aktienanlagen wesentlich geringer. Wenn man Anleger fragt, welche Risiken sie tolerieren wollen, werden typischerweise Orientierungswerte (Anker) genannt. Je nachdem, ob riskante Perioden wie 2008 bei den Orientierungswerten berücksichtigt werden oder nicht, können Anleger zu sehr unterschiedlichen Risikoklassifikationen kommen.

„Risikoarme“ Portfolios mit falschen Allokationen? Anleihen sind nicht risikofrei

Nach der Risikoanalyse von Anlegern werden ihnen Portfolios zugeordnet. Portfolios mit hohen Anteilen an sogenannten risikofreien Anlagen wird dabei eine gute Eignung für risikoscheue oder kurzfristig orientierte Anleger zugemessen. Meist werden Anleihen als weitgehend risikofrei eingestuft und moderat risikoscheuen Anlegern werden z.B. Allokationen von 50% Aktien und 50% Anleihen angeboten. Solche Kombinationen hatten in den letzten Jahren relativ niedrige Volatilitäten. Verbraucherzentralen (und meine Firma Diversifikator) sehen Anleihen aber seit einiger Zeit u.a. aufgrund von erwarteten Zinssteigerungen und damit einhergehenden Kursrisiken als riskant an. Sie empfehlen daher „Cash“ als Portfoliokomponente zur Risikoreduktion. Das wird aber von keinem deutschen Robo-Advisor (ausser Diversifikator) so umgesetzt.

„Risikoarme Portfolios“ mit hohen Risiken

Kaum ein Anleger weiss, dass bei einem Anlagehorizont von bis zu vier Jahren 50/50 Anlagen aus Anleihen und Aktien, die die Performance des Jahres 2008 beinhalten, zu einer sehr hohen Volatilität geführt hätten (siehe z.B. „Portfolioauswahltool“ auf www.diversifikator.com). Anders formuliert: Wenn man annimmt, das eine Performance wie 2008 wieder vorkommen kann, muss man vielen risikoscheuen bzw. relativ kurzfristig orientierten Anlegern von einer Beimischung von Aktien abraten.

Wissenschaftliche Optimierungen mit unterschiedlichsten Ergebnissen

Fast alle Robo-Advisors berufen sich auf den Nobelpreisträger Markowitz oder eine modernere wissenschaftliche Basis. Das heisst aber nicht, dass die gebildeten Portfolios gut sind und erst recht nicht, dass sie transparent sind. Um nachzuvollziehen, wie z.B. ein moderates Portfolios aus Anleihen und Aktien zustande kommt muss man wissen, welche Risiken und welche Renditen für Aktien und Anleihen prognostiziert werden und auch, wie sich die Anlageklassen künftig zueinander verhalten (Korrelation). Je nach Annahmen/Prognosen können völlig unterschiedliche optimierte und wissenschaftlich basierte Allokationen zustande kommen (siehe z.B. „Pseudo-Optimierer-Tool“ auf www.diversifikator.com bzw. diesen Blogbeitrag).

Welcher Robo Advisor macht diese Probleme transparent?

Mehr Regulierung/Haftung kostet meist auch mehr

Regulierte Anbieter werden in Robo-Vergleichen bevorzugt, weil sie für ihre Arbeit grundsätzlich in besonderer Weise haften müssen. Automatisierte (Robo-) Vermögensverwalter, Vermittler und Anlageberater müssen für ihre Empfehlungen und Umsetzungen genauso haften wie traditionelle Anbieter. Aber bei schlecht kapitalisierten Anbietern kann ein Haftungsfall, besonders wenn er publik wird und damit andere Kunden bzw. Interessenten beeinflusst, schnell teuer bzw. sogar existenzbedrohend werden. Starke Regulierung bringt Anlegern in einer Krise bei einer geringen Kapitalisierung daher möglicherweise nicht so viel.

Alle Anbieter arbeiten mit Depotbanken zusammen.  Wenn es sich um eine deutsche Depotbank handelt kann man davon ausgehen, dass diese gut reguliert und kapitalisiert ist. Selbstberater werden bei der Nutzung einer Depotbank genauso geschützt wie Kunden von Beratern und Vermögensverwaltern. Selbstberater haben so zwar das Selbstberatungsrisiko, dafür darf aber auch kein bankfremder Vermögensverwalter auf ihr Geld, ihre Portfolios oder ihre Daten zugreifen. „Böse“ könnte man sogar sagen, dass Selbstberater kein Fremdberatungsrisiko haben.

Regulierung mit Datenschutz-Risiken

Für meine Firma Diversifikator habe ich aus anderen Gründen keine Regulierung als Vermittler, Berater oder Verwalter angestrebt. Der erste Grund ist, dass ich in erster Linie ein Business-to-Business Geschäftsmodell habe. Diversifikator liefert vor allem Portfolios an regulierte Vermittler, Berater und Verwalter. Da diese Geschäftspartner den Endkunden betreuen ist die Regulierung dieser Partner für den Endkunden wichtig, nicht die von Diversifikator.

Aber auch für Selbstberater gibt es Gründe, die Plattform von Diversifikator zu nutzen, denn Diversifikator hat einen No- bzw. Small Data Ansatz. Da keine persönlichen Empfehlungen abgegeben werden bzw. keine Vermögensverwaltung erfolgt, müssen keine Daten von Interessenten oder Anlegern abgefragt werden. Und keine Daten abzufragen ergibt den besten Datenschutz für Anleger.

Transparenz ist eine Frage der Unternehmensphilosophie

Als Selbstberatungsplattform wird zudem der Anspruch erhoben, Anlegern volle Transparenz zu bieten. Eine solche Transparenz könnte grundsätzlich auch von regulierten Anbietern angeboten werden, das wird jedoch selbst von Robo Advisors bisher selten gemacht (siehe Öko-Test 3/2018).

Zusammenfassung

Aus Anlegersicht ist besonders wichtig, wie Anlageempfehlungen zustande kommen. Nicht alle Robo Advisors zeichnen sich dabei durch volle Transparenz aus, obwohl viele von ihnen reguliert sind. Der Regulierungsumfang als Selektionskriterium für Robo-Advisors aber auch traditionelle Anlageberater und Verwalter wird meines Erachtens dagegen überschätzt.