Personalisierung: Können nur Nackte reich werden? Oder: Fremd- versus Selbstpersonalisierung

Personalisierung ist ein heisses Thema: Der im Mai erschiene Global Retail Banking Report der Boston Consulting Group wurde „The Power of Personalization“ genannt. Aber im aktuellen Digital Banking Report mit dem Titel „The Power of Personalization“ heisst es: „94% of Banking Firms Unable to Deliver on ‘Personalization Promise“ (The Financial Brand, 4.9.2018). Dass Produktanbieter Vorteile durch Personalisierung haben ist klar. Aber gilt das auch für Anleger?

Für personalisierte Angebote muss man „nackig“ sein

Personalisierte Angebote werden auch im Bankbereich immer wichtiger. Auch Banken wollen jetzt das umsetzen, was Amazon und Co. schon lange sehr gut beherrschen. Dafür brauchen sie viele Informationen vom Geldanleger. Bildlich gesprochen muss sich der Anleger nackt machen und sich komplett durchchecken lassen, um eine massgeschneiderte Beratung zu bekommen. Die Begründung lautet analog zur Medizin: Nur wenn wir alles über den Anleger wissen, können wir perfekte Angebote machen.

Geldanlage ist nicht wie Medizin

Aber muss das wirklich sein oder gibt es Alternativen? Der Hauptunterschied zur Medizin ist dabei: Eine gute Geldanlage ist viel einfacher, als die Behandlung komplexer Körper mit komplexen Medikamenten. Ausserdem ist Selbstberatung in der Geldanlage wahrscheinlich viel risikoärmer als Selbstmedikation.

Finanzplanung kann man selbst offline durchführen

Sicher ist Personalisierung für die Geldanlage wichtig: Wieviel Vermögen man hat, wieviele Schulden, welches Einkommen, welche Einkommenserwartungen, Erbschaften und geplante Vererbungen, Gesundheitskosten, künftige Investitionen und Ausgaben etc. sollten bei einer guten Beratung berücksichtig werden.

Aber will man all das einem Banker (Produktanbieter) offen legen? Und gibt es Banker, die all diese Themen plus Steuerfragen kompetent abdecken können?

Im Zweifel arbeiten Banken dafür mit standardisierter Finanzplanungssoftware. Für Selbstberater gibt es heute auf den ersten Blick kostenlose Onlinesoftware. Allerdings wird die Nutzung meist mit Daten bezahlt. Man zieht sich also freiwillig aus und weiss nicht wirklich, was man dafür bekommt.

Gute Finanzplanungssoftware kann man aber auch ziemlich günstig kaufen und offline nutzen. Ich empfehle aber, die Ergebnisse mit Profis zu diskutieren. Diese Profis müssen jedoch nicht gleichzeitig auch Anbieter von eigenen Geldanlagen sein.

Haben Banker bisher gute Geldanlagen empfohlen?

Viele Banker haben in der Vergangenheit„optimale“ Produkte für ihre Kunden empfohlen: Strukturierte Produkte, Steuersparmodelle, renditeorientierte geschlossene Fonds, aktive Fonds, Derivate, Kryptowährungen etc.. Nicht alle Anleger sind damit glücklich geworden.

Jetzt wollen Banker mehr Informationen von Anlegern haben, um ihnen personalisiertere Angebote zu machen. So ist es heute möglich, kosteneffizient individuelle Anlagezertifikate zu erstellen. Ob das für die Anleger gut ist, muss aber noch bewiesen werden.

Geldanlagen können einfach sein

Zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass passive Geldanlagen für die meisten Anleger besser sind als aktive. Inzwischen gibt es sehr viele passive Angebote aber auch zahlreiche gute kostenlose Tools zur Selektion von günstigen Exchange Traded Fonds (ETFs).

Aber das alleine reicht nicht. Die Allokation auf verschiedene Anlagesegmente gilt als schwierig. Dabei könnten Anleger ihre Allokation mit dem sogenannten Weltmarktportfolio starten, das die Anlagen aller anderen Anleger weltweit mit günstigen passiven Fonds (ETFs) nachbildet.

Auch das ist aber nicht unbedingt ideal wenn man sich nicht mehr auf die Vergangenheit verlassen darf, weil sich Rahmenbedingungen ändern, so dass z.B. Anleihen zu riskanten Anlagen werden können.

Wichtige Rolle von Beratern und Benchmarks

Es ist sehr wichtig, dass Anleger nicht die falschen passiven Anlagen bzw. nicht zu falschen Zeitpunkten kaufen oder verkaufen. Dabei könnten Berater grundsätzlich gut helfen.

Die Evidenz, dass Berater in der Vergangenheit richtig beraten haben, ist aber eher gering. So haben professionelle (aktive) Fondsmanager in Marktkrisen oft mehr Geld verloren, als die entsprechenden Märkte.

Allerdings war die Beurteilung von Beratung für Anleger bisher oft nicht einfach, da anerkannte Multi-Asset Benchmarks fehlten. Mit den Weltmarktportfolios von Diversifikator – mit und ohne Risikosteuerung – stehen jetzt zumindest „most-passive“ Multi-Asset Benchmarks zur Verfügung.

Wieviel Personalisierung ist nötig?

Das Leistungsangebot meiner Firma Diversifikator zeigt meine Antwort auf diese Frage. Diversifikator bietet neben dem Weltmarktportfolio auch Risikoreduktionsmöglichkeiten durch Beimischungen von Cash an, Portfolios ohne Anleihen und vor allem zahlreiche verantwortungsvolle Portfolios.

Für letztere erwarte ich den größten Personalisierungsbedarf, weil Anleger sehr unterschiedliche Vorstellungen davon haben, was für sie verantwortungsvoll ist und was nicht.

Wie kommt man zum personalisierten Portfolio?

Ich bin der Ansicht, dass Anleger sich zunächst selbst ein Portfolio zusammenstellen sollten. Dazu können z.B. die Kriterien zur Risiko- und Portfoliowahl auf www.diversifikator.com genutzt werden. Ein standardisiertes Portfolio, wie z.B. das Global Equities ESG Portfolio, kann im zweiten Schritt um Wertpapiere „bereinigt“ werden, die nicht im Einklang mit den Wertvorstellungen des Anlegers stehen. Das nenne ich Selbstpersonalisierung.

Das so erstellte individuelle Portfolio kann dann an einen Berater übergeben werden der z.B. prüft, ob die Diversifikation des Portfolios ausreichend ist.

Derzeit sind solche individualisierten Einzelaktienportfolios noch mit relativ hohen Implementierungskosten verbunden. Aber das wird sich künftig ändern, weil auch deutsche Depotbanken immer effizienter werden. Ausserdem gibt es Fintechs wie Robinhood, die allerdings auch teilweise durch persönliche Daten bezahlt werden wollen.

No Data statt Big Data

Diversifikator nutzt Selbstpersonalisierung und einem „No Data“ Ansatz: Wir möchten möglichst keine Daten von Endkunden haben. Das halten wir für die beste Möglichkeit des Datenschutzes.

Beratern und den für die Implementierung nötigen Depotbanken müssen natürlich die gesetzlich vorgeschriebenen Informationen offen gelegt werden. Aber diese sollten der Fehlervermeidung des Anlegers dienen.

Traditionelle Produktanbieter nutzen dagegen Big Data für die Fremdpersonalisierung, also die Sammlung von möglichst umfassenden persönlichen Daten von potentiellen Anlegern, um ihnen personalisierte Angebote zusammenstellen.

Besser selbstpersonalisiert als fremdpersonalisiert

Personalisierte Services aus Verkäufersicht sind dabei im Idealfall intransparent, damit Anleger sie nicht effizient mit Alternativen vergleichen können. Es macht sich dabei besonders gut, wenn ein Produkt auf angeblich zweifelsfreier wissenschaftlicher Basis und mit Hilfe professioneller Prognosen (pseudo-)optimiert und personalisiert wurde. Aber auch Profis können viel falsch machen (siehe Evidence Based Investment Analyse).

Ich bin der Ansicht, dass Portfolios, die mit Hilfe von guten Tools und unabhängigen Beratern transparent „selbstpersonalisiert“ wurden, für Anleger attraktiver sind.