Pseudo-optimierte besser durch robuste Geldanlagen ersetzen

Ich nutze eine regelbasiert-optimierungsfrei Investmentphilosophie, die logische statt „pseudo-optimierte“ Portfolios generiert. Auch verantwortungsvolle (ESG) Anlagen kann man so umsetzen. Hier zeige ich, wie sich meine Anlagephilosophie entwickelt hat und wie ich sie auf verantwortungsvolle Investments anwende.

Naive Private Equity Portfolios

Ende der 90er Jahre war es meine Aufgabe, die weltweit besten Private Equity Fonds zu finden. Private Equity Fonds sind geschlossene Fonds, die für eine begrenzte Zeit in mehrere nicht-börsennotierte Beteiligungen investieren. Damals war Private Equity aufgrund hoher vergangener Renditen sehr populär. Anleger wollten vor allem Fonds haben, die in Technologie-Startups aus dem kalifornischen Silicon Valley investieren. Interessanterweise höre ich diesen Wunsch heute auch wieder.

Es gab aber damals auch schon Private Equity Fonds aus anderen Regionen und mit anderen Anlageschwerpunkten. Meine Kollegen und ich waren skeptisch, ob der Technologie-Boom andauern würde. Wir haben daher „naive“ Portfolios“ (Naiv“ sagen wir zu Gleichgewichtungen), in denen auch die Fonds gleichgewichtet wurden,  aus den damals vier großen Private Equity Segmenten angeboten: Venture Capital (=Minderheitsbeteiligungen an jungen Wachstumsunternehmen) USA und Europa sowie Buyout-Capital (=Mehrheitsbeteiligungen an etablierten Unternehmen) aus diesen beiden Regionen. Die Rendite des Portfolios war gut, aber die niedrigste Rendite hatte Venture Capital aus den USA.

Viele Fondsselektoren haben versucht, quantitativ vorzugehen und haben „pseudo-optimierte“ Private Equity Portfolios gebildet. Ich habe nich den Eindruck, dass die besonders gut verformt haben.

Naive Hedgefonds-Portfolios

Ähnlich sind wir wenige Jahre später bei der Allokation zu Hedgefonds vorgegangen (Hedgefonds sind Fonds mit besonders großen Anlagefreiheiten z.B. in Bezug auf  Derivate und illiquide Anlagen). Hedgefondsrenditen kann man einfacher messen als Private Equity Fondsrenditen, weil Hedgefonds mindestens monatlich ihre Performance veröffentlichen. Allerdings waren wir auch in diesem Fall skeptisch in Bezug auf die Vorhersagekraft vergangener in Bezug auf künftige Renditen.

Auf Beraterwunsch haben wir für jede der vier großen Hedgefondsstrategien (Equity Hedge, Relative Value, Event Driven und Tactical Trading) einen eigenen Dachfonds aufgelegt. Innerhalb der Strategien wurde das Kapital gleichgewichtet auf jeweils 10 Hedgefonds aufgeteilt. Die Kundenberater haben ihren Anlegern meist eine Gleichgewichtung der Strategien empfohlen, der auch die meisten Anleger folgten. Auch das hat sich gut bewährt. Die gute Rendite eines naiven Ansatzes sieht man an der Entwicklung der ARIX Indizes (http://www.feri.de/investment-management/alternative-investments/hedgefonds/).

Auch bei Hedgefonds gab es zahlreiche Versuche, pseudo-optimierte Portfolios zu generieren. Auch dieses sind meines Wissens nicht unbedingt sehr erfolgreich gewesen.

Naive statt pseudo-optimierte Multi-Asset Allokation

Diversifikation, also die Streuung über verschiedene Anlagesegmente,  galt bis zur Finanzkrise 2008 als das einfachste bzw. beste Mittel zur Risikosenkung eines Portfolios. Mit der Finanzkrise von 2008, die sehr viele Anlagesegmente gleichzeitig hart traf, wurde die Nutzung von Diversifikation zur Risikobegrenzung jedoch in Frage gestellt.

Auch meine Kollegen und ich haben uns intensiv mit dem Thema beschäftigt. Zu der Zeit wurden Anlegern vor allem „optimierte“ Portfoliokombinationen aus liquiden Aktien und Anleihen angeboten. Selbst wenn man komplexe und für institutionelle Anleger genutzte Optimierungsmodelle für Aktien und Anleihen verwendete, konnte man feststellen, dass die „naive“ Berücksichtigung einer weiteren Anlageklasse fast immer zu höheren Renditen oder zu niedrigeren Risiken für Anleger geführt hätte.

Die „Optimierung“ war deshalb nicht optimal, weil die Modellrestriktionen das Anlageuniversum auf liquide Anleihen und Aktien beschränkten. Selbst wenn weitere Anlageklassen zugelassen sind, werden in der Praxis Obergrenzen für die Allokation einzelner Anlageklassen mehr oder weniger willkürlich festgelegt. Das widerspricht dem Prinzip der Optimierung.

Aber nicht nur die genutzten Optimierungsmodelle sind problematisch. Auch die Eingabedaten in diese Modelle sollten hinterfragt werden. Die Modelle meist vielfältige Prognosen für Renditen, Risiken und Abhängigkeiten der Anlagesegmente untereinander. Und Prognosen sind bekanntlich schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen. Da ist es schlecht wenn man feststellen muß, dass nur kleine Änderungen der Eingabedaten oft zu großen Veränderungen der Ergebnisse führen können.

In einem gemeinsam mit damaligen Kollegen in 2010 veröffentlichten Buch (Söhnholz, D., Rieken, S., Kaiser, D. (2010): Asset Allocation, Risiko-Overlay und Managerselektion: Das Diversifikationsbuch, Gabler-Verlag) haben wir daher eine naive Allokation über 10 „Anlageklassen“ vorgeschlagen.

„Anlageklasse“ steht dabei in Anführungszeichen, weil es keine klaren Definitionen für bzw. Abgrenzungen von Anlageklassen gibt. Je nach „Experte“ kann es erhebliche Unterschiede in der Zahl von angeblichen Assetklassen geben.

Weltmarktportfolio als „most passive“ statt pseudo-optimierte Allokation

Auf der Suche nach einer objektiveren und idealerweise auch robusteren Asset Allokation bin ich inzwischen bei dem Weltmarktportfolio angekommen. Das Weltmarktportfolio entspricht der aggregierten Kapitalanlage aller Anleger weltweit. Erst seit Kurzem gibt es einigermaßen verlässliche Untersuchungen zur Zusammensetzung der Weltkapitalanlage. Der Nachbau eines solchen Portfolios hat die üblichen Nachteile von sogenannten kapitalgewichteten Portfolios: „Teure“ Anlagen werden hoch gewichtet.

Das Weltmarktportfolio hat aber einen großen Vorteil gegenüber weniger diversifizierten Anlagen: Wenn weltweit Anleihen verkauft werden, sinkt zwar der Wert der Anleihen im Portfolio des Anlegers, aber dafür wird das Kapital in andere Teile des Weltmarktportfolios investiert, z.B. Aktien oder alternativen Anlagen. Damit gewinnt der Anleger typischerweise an diesen Portfoliopositionen. Und anders als bei einer naiven Gleichgewichtung von Anlageklassen ist ein solches Portfolio nicht von einer subjektiven Definition und Selektion von Anlageklassen abhängig.

Bisher wird ein auf diesen Untersuchungen basierendes Weltmarktportfolio meines Wissens nur von Diversifikator öffentlich angeboten (Details siehe „Diversifikator Asset Allokation und ETF-Selektion“ auf www.diversifikator.com). Von Anfang 2008 bis Ende 2015 hätte das mit günstigen Indexfonds (ETFs) umgesetztes Portfolio eine Rendite von 5,4% p.a. bei einer Volatilität (Schwankung) von 8,5% ergeben (die Relation bzw. Sharpe Ratio ergibt 0,63). Aktien weltweit hätten in der Zeit bei einer Rendite von 4,1% p.a. eine Schwankung von 20,5% (Relation 0,2) gehabt. Ein vergleichbar gewichtetes Aktien-/Anleiheportfolio hätte 5,0% Rendite bei 9,3% Schwankung (Relation 0,53) und ähnlichen maximalen Verlusten gebracht.

Pseudo-optimierte liquide Portfolios

Mit einer „Optimierung“ hätte man sehr einfach ein Portfolio finden können, welches die gleichen ETFs wie das Weltmarktportfolio genutzt und nur anders gewichtet hätte. Dann hätte man in der Rückrechnung eine erheblich bessere Relation als die 0,63 erreichen können. Damit hätte das Portfolio aber wohl keine Rohstoffe oder Schwellenländeraktien enthalten, die sich in den letzten Monaten sehr gut entwickelt haben. Das nicht-optimierte und prognosefreie Weltmarktportfolio hat sich mit einer sehr attraktiven Rendite bei vergleichsweise geringen Risiken bisher jedenfalls sehr gut bewährt (s. www.diversifikator.com). Das gilt auch für die Umsetzung des Weltmarktportfolios mit nachhaltigen ETFs (ESG ETF-Portfolio).

Auch attraktive Aktienportfolios können regelbasiert-optimierungsfrei gebildet werden. So haben wir bei meinem vorherigen Arbeitgeber Aktienportfolios ab 2013 so umgestellt, dass sie auch sogenannte ESG Kriterien (Environment, Social, Governance) berücksichtigen.

Untersuchungen stellen überwiegend fest, dass Portfolios aus Aktien mit guten ESG-Beurteilungen nicht schlechter und manchmal sogar besser  sind als andere Portfolios. Daher spricht sehr viel dafür, verantwortlich anzulegen.

ESG Spezialisten beurteilen teilweise über 100 ESG-Faktoren pro Aktie. Wir haben daher in 2013 analysiert, welchen Einfluss einzelne bzw. kombinierte dieser über einhundert ESG-Kriterien auf die Performance einzelner Aktien gehabt hätten. Unabhängigkeit des Aufsichtsrates stellte sich als wichtigstes aber einzeln trotzdem relativ unbedeutendes Kriterium heraus. Wichtiger war die Qualität der Unternehmensführung (Governance) insgesamt, während für ökologische und soziale Aspekte kaum Auswirkungen festgestellt werden konnten. Andere Untersuchungen kamen zu ähnlichen Ergebnissen.

Aufgrund von einer vorab beschränkten Zahl von Rückrechnungen mit unterschiedlichen Kriteriengewichtungen wurde bei meinem vorherigen Arbeitgeber entschieden, dass ESG-Kriterien einen Anteil von 10% an allen Aktienselektionskriterien haben sollten.

Einfache statt pseudo-optimierte Selektionsregeln

Heute nutze ich keine solchen Rückrechnungsvergleiche mehr und fokussiere auf optimierungsfreie Portfolios, die klaren und vorher festgelegten Regeln folgen. Die Regeln sind weitestgehend aus wissenschaftlichen Untersuchungen abgeleitet. Daher wird der Faktor Unternehmensführung (Governance) als besonders wichtig eingeschätzt. Es werden nur liquide Aktien ins Portfolio genommen, die zu den besten beim Governance Kriterium gehören. Die Anforderungen an soziale und ökologische Kriterien sind niedriger, indem nur die Aktien mit den schlechtesten Beurteilungen bei diesen Kriterien unberücksichtigt bleiben. Als klassisches ökonomisches Kriterium wird nur das Kriterium „maximale Verluste“ genutzt, indem die Aktien mit den höchsten Verlusten der vergangenen Analyseperiode ausgeschlossen werden (Zu Details und weiteren Begründungen siehe „Verantwortliche (ESG) Portfolios: Konzept und Rückrechnungen“ auf www.diversifikator.com).

Die Regeln haben wir bei Diversifikator zuerst auf deutsche Aktien angewendet. Ziel war ein Portfolio zwischen 15 und 30 Aktien. Im ersten Anlauf erfüllten nur sehr wenige Aktien die strengen Kriterien, so dass die ursprünglich geplanten scharfen ESG Anforderungen etwas gelockert werden mussten. Diese „gelockerten“ einheitlichen Kriterien wurden dann auf deutsche Aktien, globale Immobilienaktien und Infrastrukturaktien weltweit angewendet.

Kein Data Mining

Die Rückrechnungen fielen gut aus im Vergleich zu traditionellen Indizes. Es wurden daher keine Varianten der Regeln getestet und es gab demnach auch keine Portfolioentscheidungen aufgrund besserer oder schlechterer Rückrechnungsergebnisse. Die so entwickelten regelbasiert-optimierungsfreien Portfolios wurden Ende 2016 gestartet und haben sich bisher sehr gut entwickelt.

Ich kann nicht beweisen, dass eine regelbasiert-optimierungsfreie Investmentphilosophie besser ist als andere, pseudo-optimierte Philosophien. Dazu gibt es zu wenige Produkte mit zu wenig „Track-Record“, die eine solche Philosophie nutzen. Wenn man allerdings die meisten ETFs dazu zählen würde, wäre das schon anders.

Regelbasiert-optimierungsfreie Strategien können kostengünstig umgesetzt werden und sind auch besonders gut für Onlineangebote geeignet. Man kann daher erwarten, dass sie künftig populärer werden.

Skeptiker sollten zumindest eine Diversifikation über Investmentphilosophien prüfen. Wenn man nicht weiß, welche Philosophie am besten ist, kann man über Starfondsmanager, prognosebasierte Quants und „logische“ regelbasiert-prognosefreie Ansätze sogar komplett verantwortungsvoll diversifizieren.

(Dieser Beitrag ist zuerst in ähnlicher Form im März 2017 in der Ownly-App, s. www.ownly.de, der W&Z Fintech GmbH erschienen)

6 Gedanken zu „Pseudo-optimierte besser durch robuste Geldanlagen ersetzen

  1. Hans

    Interessehalber gefragt: Seit der Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 ist der Nasdaq 100 international der Index mit der besten Wertentwicklung von durchschnittlich 20% p.a.. In Euro ergab sich ab 2009 bisher für jedes Jahr eine positive Rendite. Warum ist die Investmentbranche nicht in der Lage, dies zu prognostizieren und für Anleger gewinnbringend zu nutzen sehend die Wertentwicklung von Investment- wie Hedgefonds und Private Equity Anlagen ab 2009?

    1. Soehnholz Beitragsautor

      Lieber Herr Meiser, „Finanzprognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen“ (unb. Verfasser). Im Rückblick sieht der Nasdaq 100 ab 2009 sehr gut aus. 2008 war aber sehr schlecht. Hedgefonds laufen seit vielen Jahren ziemlich schlecht und Private Equity läuft auch nicht besser als Aktien (siehe z.B. Yale und Harvard Stiftungsperformance). Wir haben in Soehnholz/Rieken/Kaiser eine Zero-Based Asset Allokation getestet. Man muss für viele Anlagesegmente Renditen, Risiken und Korrelationen für mehrere Perioden vorhersagen. Statistisch braucht man eine sehr hohe Prognosegenauigkeit, um Outperformance zu generieren. Eine passive Allokation mit günstigen ETFs schlägt deshalb sehr oft sogenannte aktive Manager.

      1. Hans

        Sehr geehrter Herr Prof. Soehnholz, vielen Dank für Ihre rasche Antwort. Da Sie in Ihrem Berufsleben auch für Family Offices tätig waren: werden mit den Anlagen dort die üblichen Kapitalmarktrenditen erzielt oder weitaus höhere beispielsweise durch den Erwerb, Sanierung und Weiterveräußerung von unpassenden oder insolvenzgefährdeter Tochterunternehmen von Großkonzernen?

        Beispielsweise erwarb Jürgen Großmann die marode Georgsmarienhütte Anfang der 90er Jahre für 2 DM von Klöckner, ähnlich der jüngst verstorbene Karl-Josef Neukirchen in den 00er Jahren den Trafoherstellers SGB von RWE?

  2. Soehnholz Beitragsautor

    Lieber Herr Meiser, zu den beiden Fällen kann ich nichts sagen. Ich kann aus eigener Erfahrung nicht bestätigen, dass Family Offices höhere Renditen als andere Anleger erzielen. Vor Kurzem wurde allerdings diese Studie veröffentlicht: Why Do Wealthy Investors have a Higher Return on their Stocks? Von Yosef Bonaparte vom 22. März 2021: “First, wealthy investors have a higher risk adjusted return in their stocks. Second, investors who are willing to bear higher financial risk employ greater search effort. … Third, wealthy investors adopt search strategies that are more productive than those adopted by the less wealthy” (S. 30).

    1. Hans

      Sehr geehrter Herr Prof. Soehnholz, nochmals besten Dank für Ihre Antwort. Bei den von mir genannten Beispielen lag jeweils eine hohe Branchenkenntnis (MBO) und langjährige Sanierungserfahrung vor. Andererseits sind mir Familiy Offices bekannt, bei denen sich das bekannt hohe Ausfallrisiko von Startup – Unternehmen (ca. 85%) materialisiert hat…

      1. Soehnholz Beitragsautor

        Lieber Herr Meiser, die von Ihnen genannten Sanierungsbeispiele sind eher untypisch, weil es nur wenige F.O. mit so viel Knowhow und Geld und günstigen Gelegenheiten gibt. Die Ausfallquote bei Venture ist aber typisch. Meiner anekdotischen Erfahrung nach sind Venture Capital Investments, Buyout Investments und Hedgefondsinvestments unter Berücksichtigung aller Kosten inkl. Opportunitätskosten (Bereithaltung von Liquidität für Kapitalabrufe) deutscher Anleger bisher eher unattraktiv gewesen.

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