Führt Goal-Based Investing zu niedrigeren Aktienanlagen und besseren Beratungsergebnissen?

Goal-Based Investing (GBI) ist eine Anlagepolitik, die Anlageportfolios auf konkrete Sparziele wie Autokauf, Wohnungskauf, Urlaub etc. ausrichtet.  Deloitte und alfi, der Luxemburger Fondsverband, empfehlen: „Asset management firms and their advisors should shift to holistic, goal-based advice. (Deloitte/alfi, How can Fintech facilitate fund distribution? June 2016, S. 10).  Goal-based investing wird als typisch für (S. 39) und als einer von drei “crucial disruptors” von Robo-Advisors gesehen (S. 38).

Zur Beantwortung der Frage aus dem Titel dieses Beitrages nehmen wir ein einfaches Beispiel einer Anlegerin mit einem Startkapital, z.B. aus einer Erbschaft, von 200.000 Euro. Sie hat konkrete Pläne für einen Autokauf, ihre Hochzeit, eine große Urlaubsreise und einen Wohnungskauf über insgesamt ca. 100.000 Euro, denn die Wohnung soll überwiegend kreditfinanziert werden, die ersten Wünsche aber ohne Kreditaufnahme realisiert werden. Die Pläne sollen in den nächsten 4 Jahren umgesetzt werden. Ein Goal-Based Ansatz in seiner Reinform würde jetzt 5 Portfolios entwickeln: Ein besonders risikokoarmes Portfolio für die kurzfristigste Anschaffung, z.B. das Auto, drei weitere jeweils etwas riskantere Portfolios für die anderen geplanten Anlageziele und ein eher risikoreiches (im Sinne einer höheren Aktienquote als bei den Sparzielportfolios) für den Anlagebetrag, der noch nicht für irgendein Ziel vorgesehen ist. Das ist so ähnlich wie Target-Date Investing mit mehreren Portfolios für sehr naheliegende Target-Dates, dürfte also zu vier sehr ähnlichen Portfolios mit sehr hohen Quoten risikoloser bzw. risikoarmer Anlagen (z.B. Tagesgeld) und einen riskanteren Portfolio führen.

Die Alternative ist die klassische Anlage in ein einziges Portfolio, welches der generellen Risikotoleranz der Anlegerin entspricht, also z.B. ein 50/50 Aktien/Anleihen Portfolio.  Ein solches Portfolio hat einen erwarten maximalen Verlust von ca. 25%, wenn man die Erfahrung mit 2008 zugrunde legt. Wenn es schlecht läuft und das Portfolio wirklich in den ersten 4 Jahren 25% an Wert verliert, bleiben– nach allen Anschaffungen – immer noch 50.000 übrig. Beim Goal-Based Investing würde die Anlegerin aber die vier anlagezielorientierten Portfolios eher konservativ mit 100% Tagesgeld für die erste Anlage und ebenfalls sehr hohen Tagesgeld- oder Anleihequoten für die weiteren drei Sparziele umsetzen, um alle vier Anlageziele sicher zu erreichen. Das Restportfolio von 100.000 Euro würde wahrscheinlich 50/50 in Aktien/Anleihen angelegt werden. Insgesamt wäre die durchschnittliche Aktienquote dieser Goal-Based Portfolios mit über 25% und nennenswert unter 50% aber wesentlich geringer als ein „klassisches“ risikotoleranzorientierteres 50/50 Portfolio der Anlegerin.

Mir ist nicht klar, welche Vorteile Goal-Based Investing für Anleger bringt, zumindest nicht für Anleger, die über nennenswertes noch „zielfreies“ bzw. Reserve-Anlagekapital verfügen. Die Anlegerin muss sich zwar über ihre Ziele klar werden, was grundsätzlich gut ist, aber es scheint mir sehr aufwändig, für jedes Anlageprojekt eine eigene Risokoeinschätzung durch bzw. für die Anlegerin erstellen zu lassen, selbst wenn das technisch einfach möglich ist.

Außerdem wird beim Goal-Based Investing nicht berücksichtigt, dass die Ziele auch dem Anlage(miss)erfolg angepasst werden können. Je nach Kapitalanlageverlauf kann das Auto teurer oder billiger werden und ähnliches gilt für die anderen Anlageziele, oder die Anschaffungen können vorgezogen oder nach hinten verlagert werden.

Aber in dem oben genannten Fall müssen Berater sogar 5 jeweils „optimale“ Portfolios entwickeln und begründen (zu den Schwierigkeiten der Bestimmung „optimaler“ Portfolios siehe z.B. die Pseudo-Opitmierer auf www.diversifikator.com). Ich verstehe daher auch nicht, warum Deloitte und alfi Goal-Based Investing als „holistic“ bezeichnen. Ich würde es eher „piecemeal“ oder bruchstückhaft nennen.

Robo-Advisors können Goal-Based Investing aber relativ effizient umsetzen und sich damit auch von klassischen Beratern abheben. Daher ist es nachvollziehbar, dass Robo-Advisors von Goal-Based Investing profitieren können. Doch auch traditionelle Berater können davon profitieren, denn Goal-Based Investing hört sich gut an, scheint modern zu sein und kann daher als Differenzierung zu anderen traditionellen Beratern dienen.

Goal Based Investing hat noch einen weiteren Vorteil für Anbieter, nämlich wenn Goal-Based Investing dazu führt, dass die Meßlatten für den Erfolg von Kapitalanlagen niedriger gehängt werden. Und genau das passiert, wenn man dem Vorschlag von Deloitte und alfi folgt: „Measure performance based on achieving clients‘ goals within agreed timeframes rather than beating market benchmarks“ (Deloitte/alfi 2016, S.10).  So können (Robo-)Berater künftig wahrscheinlich wesentlich mehr Erfolge melden, als wenn sie sich an Marktbenchmarks messen müssten.