Einfaches Risikomanagement kann erstaunlich gut funktionieren

Ein angeblich fehlendes Risikomanagement war bisher der Hauptkritikpunkt an den Portfolios meiner Firma Diversifikator (die „Online Portfolio Strategen“). Diversifikator bietet bisher nur besonders passive Portfolios an, für die nicht einmal ein regelmäßiges Rebalancing zwingend vorgesehen ist.  Diversifikator verfolgt ein B2B(&C) Konzept und Beratern fällt es offenbar schwer, „zu einfache“ Portfolios anzubieten. Dabei ist die bisherige „echte“ Performance der Portfolios sogar noch besser als die schon sehr guten Rückrechnungen.

Außerdem sind die meisten bisher angebotenen Portfolios sehr stark diversifiziert, was zu einem geringeren Risiko als dem von konzentrierten Portfolios führen sollte. Allerdings ist die primäre Motivation für die hohe Diversifikation der Portfolios nicht die Risikosenkung. Die Portfolios sind in erster Linie so diversifiziert, um an möglichst vielen potentiellen Renditequellen partizipieren zu können. Die Risikosenkung soll durch individuell unterschiedliche Anteile von Cash zu den Portfolios erreicht werden.

Das ist manchen Beratern zu wenig. Sie meinen, wenn Anleger schon für die Nutzung von Musterportfolios bezahlen müssen, dann sollte diese auch risikogemanagt werden. Diese Kritik war absehbar. Wir haben daher sehr frühzeitig damit begonnen, uns über zusätzliches Risikomanagement Gedanken zu machen. Wir haben die Grundüberlegungen dazu auch früh online dokumentiert und uns auf wenige zu testende Risikomodelle festgelegt, denn wir wollen kein sogenanntes Data-Mining machen.  Data Mining besagt, dass man sehr viele Ansätze testen kann und irgendwelche davon aller Wahrscheinlichkeit nach gut funktionieren werden. Anders herum: Je weniger Ansätze man testet, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese nicht funktionieren.

Dabei muss Beratern und Anlegern klar sein: Gutes Risikomanagement führt zu Anlagen mit geringerem Risiko aber damit typischerweise auch zu weniger Rendite, d.h. entgangene Renditen sind Opportunitätskosten des Risikomanagements. Besonders für Langfristanleger ist Risikomanagement nicht unbedingt nötig, wenn man davon ausgeht, dass Kapitalanlagen langfristig an Wert gewinnen. Theoretisch ist das den meisten Beratern und informierten Anlegern klar.

Aber in den letzten Jahren gab es mindestens eine inzwischen populäre Gegenindikation zu der erwarteten Rendite-Risikorelation: Portfolios aus Aktien mit geringen Schwankungen haben oftmals höhere Renditen als solche mit höheren Schwankungen gebracht. Dafür gibt es verhaltenswissenschaftliche Erklärungen. Danach suchen Anleger, die in Aktien investieren, besonders hohe Renditen, um lotterieartige Gewinne erreichen zu können. Auch professionelle Portfoliomanager möchten ihre Benchmarks schlagen und greifen daher gerne zu Aktien mit relativ hohen Risiken mit der Erwartung, die Benchmarks so eher schlagen zu können. Konsequenz: Aktien mit hohen Risiken sind teuer und rentieren damit nicht mehr so gut wie erwartet. Inzwischen gelten aber Aktien mit geringen Volatilitäten als teuer.

Ich nehme daher an, dass die klassische Theorie weiter gilt und niedrigere Risiken auch zu niedrigeren Renditen führen.

Die Anforderungen an ein gutes Risikomanagement sind dann relativ klar: Das Risiko der Portfolios soll sinken, ohne dass die Rendite zu stark zurückgeht. Man benötigt also eine Rendite-Risiko-Relationskennzahl. Das ist meist die Sharpe Ratio. Konzeptionell ist das nicht überzeugend, denn Risiko wird dabei als Schwankung von Portfolios gemessen und nicht als Verlust.  Statistisch liefert die Sharpe Ratio jedoch ähnliche Ergebnisse wie komplexere Kennzahlen, die Verluste und teilweise auch Nicht-Normalverteilungen benutzen (siehe dazu z.B. das interessante Research von Prof. Schuhmacher von der Uni Leipzig).

Ziel eines guten Risikomanagements sollte es daher sein, eine vergleichbare Sharpe Ratio wie nicht-risikogemanagte Portfolio zu erreichen. Dabei spielen Kosten eine wesentliche Rolle. So führen häufige Risikosignale zu häufigen Transaktionen, die mit Kosten verbunden sind. Eine weitere Anforderung an ein gutes Risikomanagement sind daher relativ geringe Implementierungskosten bzw. wenig Handel. Das gilt vor allem für Portfolios mit geringen Anlagevolumina, bei denen sich Handelskosten stärker auswirken als bei hohen Anlagevolumina.

Eine weitere selbst gestellt Anforderung war die Umsetzung des Risikomanagements nur mit Hilfe von Basisinstrumenten, d.h. im Fall von Diversifikator nur mit Verkäufen/Käufen der genutzten ETFs und zum Beispiel nicht mit Derivaten. Der Hauptgrund hierfür ist, dass auch Anleger bzw. Berater ohne Erfahrung mit Derivaten oder mit einer Abneigung gegenüber Derivaten das Risikomanagement selbständig umsetzen können sollten. Ein zweiter Grund sind fehlende standardisierte Derivate für große Teile der Diversifikator Portfolios: Für die meisten alternativen Aktien bzw. ESG- und islamische ETFs stehen keine adäquaten Futures zur Absicherung zur Verfügung.

Aus meinen Tätigkeiten bei früheren Arbeitgebern habe ich einige Erfahrung mit Risikomanagement gesammelt. Die Analyse von Hedgefonds aber auch die Arbeiten an dem Buch „Asset Allocation, Risiko-Overlay und Managerselektion“ (s. Söhnholz/Rieken/Kaiser (2010): „Asset Allocation, Risiko-Overlay und Managerselektion“) haben mich sehr skeptisch in Bezug auf komplexe Risikomanagementansätze gemacht. In 2012 hat mein Test eines eigenen relativ einfachen Ansatzes auf Basis von Volatilitätsveränderungen aber kein robustes Modell und keine überzeugenden Ergebnisse gebracht (s. Söhnholz (2012): „Renditeorientierte Diversifikation 2.0 und Risiko-Overlays: Prognosefreie systematische Umsetzung“).

Eine der weiteren Anforderungen an ein Risikomanagement für Diversifikator Portfolios war daher: Es sollte ein Ansatz verwendet werden, der etabliert und vielfach getestet ist. Vor allem sollte Data Mining verhindert werden. Wir haben daher nur 3 populäre und möglichst einfache Ansätze getestet.

1)      Einen Trendfolgeansatz, der sich seit sehr vielen Jahren grundsätzlich bewährt haben (s. Lempérière/Deremble/Saeger/Potters/Bouchaud (2014): Two Centuries of Trend Following (und dort zitierte Literatur). Dabei haben wir nur die besonders populäre 200Tagelinie getestet.

2)      Den MACD (Moving Average Convergence/Divergence) weekly, der in der Praxis ebenfalls oft verwendet wird.

3)      Den Ansatz von Mebane Faber (s. www.mebfaber.com), der besonders in den USA populär ist und der ebenfalls unsere Anforderungen an Einfachheit und Transparenz erfüllt.

Diese Ansätze wurden für 6 unsere 7 sehr unterschiedlichen Portfolios getestet, für die wir aussagekräftige Rückrechnungsdaten inklusive der Finanzkrise 2008 zur Verfügung hatten. Unser selbst gestellten Anforderungen waren: Der Ansatz sollte für möglichst viele der Portfolios und für möglichst viele Jahre zu „guten“ Resultaten führen. Gut heißt dabei: Attraktive Renditen bei niedrigeren Volatilitäten bzw. zwischenzeitlichen Verlusten im Vergleich zu den Portfolios ohne Risikomanagement und insgesamt attraktive Sharpe Ratios.

Alle drei Ansätze können die Risiken aller Portfolios in der betrachteten Periode 2008 bis Mitte 2016 sehr gut reduzieren. Aber nur die 200Tagelinie erfüllt unsere Anforderungen in Bezug auf attraktive Renditen bzw. Sharpe Ratios.

Um die Robustheit des 200Tage-Ansatzes zu prüfen, haben wir auch 195 und 205 Tagelinien getestet. Das ist wichtig, denn es ist bekannt, dass Aktienmarktperformance von nur wenigen Tagen geprägt wird. Wir haben in einem weiteren Schritt drei Variationen der 200Tage-Trendfolge miteinander verglichen. Ziel war es, die Robustheit zu prüfen und die Umsetzungskosten möglichst weiter zu reduzieren. Ergebnis: Alle getesteten Variationen der 200Tagelinie bringen für alle Diversifikator Portfolios wesentlich geringere Backtest-Verluste in 2008, führen aber in guten Aktienjahren zu schlechterer Performance als ohne Risikosteuerung.

Anleger, die eine solche Underperformance in Kauf nehmen, können die Diversifikator Portfolios künftig auch inklusive Risikosteuerung mit der 200Tagelinie erhalten. Dieses Angebot ist aber zunächst auf Angebote über die mit uns kooperierenden Banken, Vermögensverwalter und unabhängigen Berater beschränkt. Alle Ergebnisse der Tests sind detailliert dokumentiert und können bei Diversifikator angefordert werden.

Der übliche Risikohinweis soll aber nicht vergessen werden: Anlage-Ergebnisse der Vergangenheit, insbesondere Rückrechnungen, sind nicht unbedingt eine gute Indikation für Ergebnisse in der Zukunft.