Deutscher Robo-Vergleich: Investmentphilosophien und viele weitere Unterschiede

Vorbemerkung bzw. Interessenkonflikthinweis: Ich bin Gründer, Anteilseigner und Geschäftsführer von Diversifikator.

Inzwischen gibt es über ein Dutzend mehr oder weniger bekannte Robo-Advisors in Deutschland.  Unter Robo-Advisors verstehe ich dabei Unternehmen, die online unter eigenem Namen (B-C, nicht B-B) anlegerabhängige (d.h. meist für unterschiedliche Risikoneigungen) diversifizierte Portfolios (z.B. kein Crowdfunding) für mittel- bis langfristig orientierte (keine Trading-, Handels oder Sparplattformen) Privatpersonen anbieten.

Bisherige deutsche Vergleiche solcher Plattformen nutzen vor allem die folgenden Kriterien:

–          Nötige Mindestanlagen und Ziel-Anlegersegmente

–          Sparplanfähigkeit

–          Gebühren

–          Bisherige Performance

–          Regulierungsstatus

Internationale Vergleiche (s. z.B. Financial Technology Partners: Are Robos taking over? June 2016) nutzen weitere Kriterien wie

–          Größe, gemessen in Assets under Management

–          (Un-)Abhängigkeit von traditionellen Finanzdienstleistern

–          Universalanbieter oder Altersvorsorgespezialisten

–          Internationalität

–          Online only oder zusätzlich persönliches Beratungsangebot

Aus meiner Sicht ist es aber besonders wichtig zu verstehen, warum die Robo-Advisors welche Anlagevorschläge machen. Daher halte ich folgende Aspekte ebenfalls für potentiell interessante Unterscheidungsmerkmale:

–          Generische oder Goals-Based Risikobestimmung

–          Investmentphilosophie

–          Portfoliodiversifikation (Anlagesegmente, Produktanbieter, Titel)

–          Sonderaspekte wie verantwortliches Investieren

–          Risikomanagementansätze

–          Funktions- bzw. Prozessschrittumfang

–          Benutzerfreundlichkeit

–          Transparenz

Vereinfachend kann man Folgendes feststellen:

  1. Die Mindestanlageempfehlungen betragen von 0 bis EUR 100.000 (Liqid), meist aber nicht mehr als 10.000 und liegen damit nennenswert unter den Mindestanlagevoraussetzungen von persönlichen Beratungen, die bei unabhängigen Beratern manchmal schon bei EUR 25.000 und bei Banken oft erst ab EUR 250.000 starten. Bei Beratungskosten von 1% auf EUR 25.000 kann man aber nicht erwarten, dass man dafür mehr als 2 Stunden persönliche Beratung pro Jahr erhält. Die meisten Robo-Advisors gehen von Einmalanlagen aus, Sparpläne sind aber meist  ebenfalls im Angebot.  (Volumensangaben und Gebührenangaben s. www.extra-funds.de).
  2. Die Gebühren reichen von 0,15% für relativ hohe Anlagesummen bis zu 1% für geringe Anlagesummen p.a.. Dabei sind allerdings weder ETFs/Fonds noch Implementierungskosten (Depotkosten und Handelskosten, die besonders für häufige Depotumschichtungen zu nennenswerten Mehrkosten führen können) berücksichtigt. Zumindest ein Anbieter (Ginmon) verlangt zusätzlich erfolgsabhängige Gebühren, die in Zeiten guter Marktentwicklungen relativ hoch ausfallen können, und ein Anbieter (Just ETF) verfolgt ein Abonnementmodell mit volumenunabhängigen monatlichen Gebühren und eine Bank (Comdirect) nimmt keine zusätzlichen Gebühren. Das kann sich Comdirect gut leisten, da anscheinend überwiegend hauseigene Produkte bzw. Produkte mit Provision für die Bank genutzt werden.
  3. Die Performance seit Auflage der Strategien ist nicht immer transparent dargestellt. Cashboard verspricht für kleine Anlagebeträge bis EUR 10.000 und über einem Jahr Laufzeit mindestens 2% Rendite, das ist aber nach eigenen Aussagen nur als Marketingaktion gedacht und sagt nichts über die wirklich erwarten Renditen aus. Whitebox nennt Outperformanceerwartungen gegenüber nicht-Robos von mindestens 3,5% p.a., was schwer erreichbar erscheint. Die Portfolios der Robo-Advisors, die auf fixe Allokationen aus Aktien und Anleihen setzen, sollten relativ ähnlich performen. Je einfacher, regelbasierter und transparenter die Anlagestrategie ist, desto eher sollten Backtests und erste echte Anlageerfolge als Indikationen für mögliche künftige Performance dienen können. Die Performance von Diversifikator scheint bisher seit Auflage der Portfolios besonders gut gewesen zu sein.
  4. Die Anbieter unterscheiden sich nach dem Umfang ihrer Lizenzen. Am weitgehendsten sind die von den Banken Commerzbank und Quirin-Bank. Whitebox und Scalable sind mit ihren Vermögensverwaltungslizenzen in der Lage, die Implementierung von Portfolios weitestgehend selbst zu übernehmen.  Die meisten anderen Anbieter sind als vertraglich gebundene Vermittler organisiert sind und kooperieren dafür mehr oder weniger eng mit regulierten Partnern.
  5. Etwa ein Drittel der deutschen Anbieter ist Bankabhängig und die meisten sind mit Venture Capital finanziert. Die Eigentümerstruktur der Venture Capital finanzierten Anbieter wird sich daher naturgemäß künftig ändern. Es ist zu erwarten, dass es auch nach dem Easyfolio-Verkauf an Hauck & Aufhäuser zu weiteren Verkäufen an traditionelle Anbieter kommen wird und auch zu der einen oder anderen Insolvenz.
  6. Die meisten deutschen Anbieter sind sehr klein bezogen auf ihre Assets under Management. Der wohl derzeit größte Anbieter (Quirion) hat nach eigenen Aussagen etwas über 30 Mio. Assets under Management (Stand April 2016, siehe www.extra-funds.de). Die Mitarbeiteranzahl der Robo-Advisors liegt im Maximum bei knapp unter 40 (Scalable), es finden sich aber auch Anbieter mit sehr wenigen Mitarbeitern. Bisher ist wahrscheinlich keiner der Anbieter profitabel.
  7. Die von der Größe und dem Wachstum her dynamischsten US Anbieter sind die ETF-Anbieter Vanguard und Charles Schwab (Schwab kann dabei auch von seinen Brokerage Aktivitäten profitieren), die zusätzlich zu ihren Online-Services auch persönliche Beratung anbieten, z.B. als Online (Video-)Chats oder über Callcenter.
  8. Persönliche Beratung wird in Deutschland bisher nur von Quirion angeboten. Diversifikator verfolgt allerdings ein B-B-C Konzept, welches komplett auf Beraterkooperation ausgerichtet ist und andere Robo-Advisors haben angekündigt, dass sie mit Beratern kooperieren möchten.
  9. Die ersten Anbieter, in diesem Fall vor allem aus Großbritannien heraus aber auch Scalable, bieten ihre Services inzwischen nicht nur in einem Land sondern international an.
  10. Es werden nicht nur Einheits-Portfolios angeboten sondern meist mehrere von der individuellen Risikoneigung abhängige Portfolios. Die meisten Anbieter lassen ihre Anleger eine generelle Risikoneigung einschätzen. In den USA ist Goal-Based Investing verbreitet, wobei die Risikoneigung pro Sparziel festgelegt wird (Kritik dazu s. www.prof-soehnholz.com). In den USA gibt es auch online „Retirement“ Spezialisten. In Deutschland könnte sich Fairr dorthin entwickeln, bisher werden allerdings nur standarisierte Anlagemöglichkeiten angeboten.
  11. Alle drei Arten von Investmentphilosophien sind vertreten. Man findet bei mindestens einem Anbieter eine diskretionäre, d.h. von Investment-Spezialisten abhängige Anlagephilosophie (Liqid).  Alle anderen Anbieter scheinen voll oder weitgehend personenunabhängig und regelbasiert zu arbeiten. Die Hälfte dieser Anbieter nutzt Rendite- und/oder Risikoprognosen für Anlageempfehlungen, die andere Hälfte scheint ohne Prognosen auszukommen. Damit ist die systematisch-prognosefreie Anlagephilosophie wesentlich stärker vertreten als in der traditionellen Offline-Anlageberatung bzw. Vermögensverwaltung.
  12. Die Anbieter unterschieden sich auch in dem Grad der Diversifikation. Während alle Portfolios über mehrere hundert bzw. tausend Titel diversifiziert sind, werden nicht alle Anlagesegmente von allen Anbietern genutzt. Die Diversifikation geht von wenigen ETFs bis zu über 20 ETFs in einigen Portfolios. Ein Anbieter nutzt auch illiquide Anlagen (Liqid), ein Anbieter nutzt ganz überwiegend (Cashboard) oder teilweise (Visualvest, Comdirect) auch sogenannte aktive Fonds, vier Anbieter nutzen nur klassische Aktien- und Anleihen-ETFs. Die anderen Anbieter nutzen zum Teil auch Segmente wie Immobilienaktien/REIT-ETFs, Rohstoff-Future-ETFs oder Rohstoff-Aktien-ETFs etc., mit der größten derartigen Allokation/Diversifikation bei Diversifikator. Diversifikator ist zudem der einzige Anbieter, der keine negativ- bzw. niedrigverzinslichen Anleihen in die Portfolios aufnimmt.
  13. Die meisten Robo-Advisors setzen vor allem auf eine mehr oder weniger breite Diversifikation zur Risikoreduktion. Fast alle sogenannten risikoarmen Portfolios zeichnen sich durch hohe Anleiheanteile aus (Ausnahme Diversifikator mit einem hohen Cash- statt Anleihe-Anteil), was zu guten Backtests führt aber indirekt auch bedeutet, dass man diesem Anlagesegment gute künftige risikoadjustierte Erträge erwartet. Die Portfolios werden mindestens einmal pro Jahr auf ihr Ursprungsgewicht rebalanziert. Statt einer zeitlichen Rebalanzierung nutzen einige Anbieter eine Bandbreiten-Rebalanzierung, d.h. wenn bestimmte Allokationen zu Anlagesegmenten über- oder unterschritten werden, werden die Allokation auf ihre Ausgangsgewichte zurückgeführt. Daneben gibt es dynamischere Risikomanagementkonzepte, die vor allem aus Risikoprognosen abgeleitet werden (siehe Scalable). Aktives Risikomanagement bzw. Rebalanzierungen führen zu Implementierungskosten, die besonders bei kleinen Portfolios kritisch analysiert werden sollten. In der wissenschaftlichen Literatur herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass aktives Risikomanagement für Langfristanleger zu niedrigeren Renditen führt, aber auch Risiken reduzieren kann. Es herrscht aber keine Einigkeit darüber, welche Art von Risikomanagement funktioniert bzw. besonders gut funktioniert.
  14. Verantwortliche Portfolios werden aktuell nur von Visualvest (mit aktiven Fonds) und Diversifikator (mit ETFs) angeboten.
  15. Kernfunktionen der Robo-Advisors sind die Risikoeinschätzungen von Anlegern, die Portfolioempfehlungen, die Portfolioimplementierungen in Depots sowie das Reporting. Konto- bzw. Depotaggregation, Finanzplanung, Portfoliotests und -simulationen, starke Portfolioindividualisierungen und aktives Risikomanagement von Portfolios sind dagegen Funktionen, die derzeit nur selten angeboten werden.
  16. Die Benutzerfreundlichkeit der Robo-Angebote erscheint überwiegend recht hoch, die Transparenz unterscheidet sich jedoch relativ stark. So kann nur in wenigen Fällen einfach und überzeugend nachvollzogen werden, wieso welches Portfolio für welchen Anlegertyp empfohlen wird, z.B. in Bezug auf genutzte Anlagesegmente und Begründungen für deren Gewichtungen bzw. Nicht-Nutzung.
  17. Es gibt noch eine Reihe weiterer Aspekte, welche die Robo-Advisors voneinander  und von traditionellen Beratern bzw. Verwaltern unterscheiden. So stellt Scalable sein Risikomanagement heraus, Liqid die Nutzung illiquider Investments und Diversifikator seinen No- bzw. Small Data Ansatz und seine most-passive Weltmarkt, ESG-, Islamic- und Alternatives-ETF Portfolios.

 

Ein Gedanke zu „Deutscher Robo-Vergleich: Investmentphilosophien und viele weitere Unterschiede

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